Linnhe | Immer wieder Schottland | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Linnhe Immer wieder Schottland

Roman
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-8437-1636-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1636-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nie wieder Schottland, vor allem nicht die Orkney-Inseln - das hat sich Liska Matthies geschworen. Mit diesem Fleckchen Erde verbindet sie wundervolle Erinnerungen, aber auch das dramatischste Ereignis ihres Lebens: Ihre Eltern starben hier bei einem Autounfall. Auf wiederholte Bitten ihrer Großmutter begleitet Liska den Fotografen Marius auf seiner Foto-Expedition für eine bekannte Schriftstellerin. Dort treffen sie auf ein altes, kauziges Ehepaar, das sie auf ihrem Roadtrip quer über die Inseln begleitet. Das ungleiche Quartett verbringt eine aufregende Zeit, und Liska entdeckt nicht nur ihre Liebe für Schottland wieder ...

Stephanie Linnhe wuchs im nördlichen Ruhrgebiet auf. Nach dem Publizistikstudium ging sie für ein Jahr nach Australien und arbeitete als Story Writer sowie als Tourguide mit Schwerpunkt in Sydney. Zurück in Europa, führten Projekte sie in die Schweiz und nach England, bis sie 2008 in die Welt der Computerspiele eintauchte. Seitdem kümmert sie sich um die Texte eines Karlsruher Onlinespiel-Anbieters, schreibt nebenher für Zeitungen und Zeitschriften, mischt hin und wieder bei Filmdokumentationen mit und versucht, das alles mit permanenter Reisewut zu vereinen.
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Prolog


An diesem Dienstag passierte in dem kleinen Haus an der Old Finstown Road zur Mittagszeit etwas höchst Ungewöhnliches: Das Telefon klingelte. William und Fiona Brookmyre hielten gleichzeitig in ihren Bewegungen inne und starrten zunächst ihre Suppenteller, dann sich an. Sie saßen nebeneinander, so dass sie beide beim Essen den herrlichen Blick aus dem Fenster genießen konnten. Hinter einer Wiese lag die Bay of Firth und präsentierte sich in einer Farbe, die William als Brodgargrau bezeichnete – so grau wie die Steine des Henges dort draußen zwischen Loch Stennes und Loch Harray.

Es war eine seiner Eigenarten, Farbbezeichnungen zu erfinden, und im Laufe der Jahre hatte er es auf ein stattliches Repertoire gebracht, ebenso wie er sämtliche Facetten des Lebens auf Mainland kannte. Selbst wenn eines der schlimmen Unwetter über die Bucht auf das Land zurollte, schloss er mit aller Seelenruhe die Fenster und informierte Fiona, dass der Himmel bereits schiefergrau war und es daher bald ordentlich krachen würde.

Ein Unwetter brachte William Brookmyre nicht aus dem Konzept. Ein Anruf mitten in der Woche schon. Es gab keine Familie, die sich für eine Plauderei melden würde. Die Tochter war bereits unter der Erde, mit ihrem Enkel hatten sie vergangenen Sonntag telefoniert, und der Familienstammbaum hatte niemals seitliche Triebe entwickelt. Dann war da noch Stephen, doch das war ein anderes Thema. Aber es brachte nichts, deshalb zu trauern. Das Leben war, wie es war, es nahm sich, was es wollte, und alles, was einem blieb, war, darüber zu lächeln und mitzuspielen, so gut es ging.

»Das kann nur Emmi sein«, sagte Fi, platzierte den Löffel sorgfältig auf ihrem Platzdeckchen und drehte sich auf ihrem Stuhl, um aufzustehen. Seit vergangenem Jahr machten ihr die Hüften Probleme, also legte William eine Hand auf ihre Schulter.

»Lass mal, meine Liebe. Ich mach das.« Mit seinen einundachtzig Jahren war er noch den Umständen entsprechend fit. Die gute Luft hier draußen war dafür verantwortlich, daran glaubte er fest. Schließlich lebte er nicht in einer Stadt, geschweige denn einer Großstadt, wo man Tag für Tag Autoabgase und anderes einatmete, an das er nicht denken wollte. Die Krankheit mochte sich in seinen Körper fressen, aber er hielt sie in Schach. Keine Schmerzen. Das war noch besser als ein ungestörtes Mittagessen.

Er verließ die Küche und ging in die kleine Diele, die mit ihren Jacken, zwei Paar Schuhen sowie Gummistiefeln beinahe vollständig ausgefüllt war. Dort stand das Telefon mit Wählscheibe auf einem an der Wand angebrachten Brett.

William strich seine Strickjacke glatt und nahm ab. »Ja?« Er brüllte, wie immer, wenn er telefonierte. Vielleicht, weil das Rauschen des Windes hier so deutlich zu hören war, aber auch ein ganz klein wenig, weil er dem Apparat nicht traute.

Sein altes Mädchen sollte recht behalten: Es war Emmi aus Deutschland, ohne Sinn für einen geregelten Tagesablauf oder den Anstand, nicht zwischen zwölf und eins anzurufen, wenn vernünftige Leute bei Tisch saßen. Aber er mochte sie dennoch, und sie zahlte ihnen einen kleinen Betrag dafür, dass sie nach ihrem Haus sahen. Manchmal benahm sie sich etwas verrückt. So wie heute. William bemühte sich wie immer, langsam zu reden, damit sie ihn auch verstand, und ihre Anfrage anschließend höflich abzuschmettern. Es gab Grenzen, die er und Fi nicht mehr überschreiten konnten, da Alter und Gebrechen, die hinterhältigen Dreckshunde, ihnen einen gehörigen Strich durch die Rechnung machten.

Fi hatte eine Warmhaltehaube über seinen Teller gestülpt, als er zurückkehrte und sich wieder am Tisch niederließ.

»Und?«, fragte sie und zog den Deckel beiseite. William lächelte sie dankbar an und probierte – die Suppe war noch immer heiß. Wundervoll.

Er schlürfte einen weiteren Löffel, ehe er antwortete. »Wie du sagtest, es war Emmi. Hat Unsinn im Kopf.« Noch ein Löffel. »Sie will das Haus an jemanden vermieten, der herumgeführt werden will. Fragt, ob ich das machen kann.«

»Was, herumgeführt? Vermietet sie etwa an einen Hund? Oder traut derjenige sich nicht allein über die Insel?« Fi kicherte, was er bis heute faszinierend fand. Mit ihren beinahe achtzig Jahren kicherte sie immer noch wie ein junges Mädchen.

William rülpste. »Wohl jemand, der sich hier alles Mögliche zeigen lassen will.«

»Dafür gibt es doch Reisebücher.«

»Eben drum habe ich ihr gesagt, dass wir das nicht machen können. Hin und wieder putzen und frische Handtücher hinlegen und nach dem Rechten sehen ja, aber mehr geht einfach nicht.«

»Und jetzt?«

»Sucht sie sich jemand anders.« William zuckte die Schultern und aß weiter.

»Ach herrje.« Fi starrte aus dem Fenster, wo der Himmel sich mittlerweile möwengrau verfärbt hatte.

William tat es ihr gleich. Er stellte sich die See vor, nur geringfügig heller, und die Inseln darin: manche bewohnt, andere verlassen oder niemals besiedelt. Früher hatten Fi und er viele von ihnen besucht, Freunde getroffen und die Wellen aus anderen Blickwinkeln betrachtet. Manche Schottland-Touristen glaubten, dass sie die Orkneys kannten, wenn sie nur Mainland gesehen hatten. Glaubten, dass die Inseln sich ähnelten, ja, sogar glichen. Niemand von denen sah richtig hin.

Er tat das stets, kannte die flache Küste von Wyre, die majestätischen Klippen von Westray und wusste, wie der Old Man of Hoy im Abendlicht schimmern konnte.

Erste Regentropfen schlugen auf das Fenster, und William beobachtete, wie sie herabrannen und ein glitzerndes Netz über das Glas zogen. Die Sicht verschwamm und nahm die Welt dort draußen mit sich. William griff nach seinem Glas und trank einen Schluck Wasser. Er dachte an Emmi und ihr Ferienhaus, das den letzten Sturm nicht unbeschadet überstanden hatte. Nein, Fi und er konnten niemanden herumführen, obwohl er gern noch einmal alles gesehen hätte: Die Heimat in sämtlichen Torffarben, die es gab. Einmal noch, ehe seine Welt sich zurückzog wie hinter einem Regenschauer, der nicht mehr aufhören wollte.

»Ach herrje«, wiederholte Fi. »Das kann ja heiter werden.«

1


Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Farbe wirklich so passend finde für meinen Tisch. Vielleicht doch lieber Schnittrosen?« Die Kundin trat einen Schritt zur Seite, so dass die Septembersonne auf die Blumen in ihrer Hand schien und die cremefarbenen Blütenblätter leuchten ließ. Sie drehte sie, dann etwas mehr, runzelte die Stirn, nahm ihre Tasse, trank einen Schluck Chai Latte und betastete ihre Hochsteckfrisur.

Liska hob die Brauen und zählte innerlich bis zehn. Allmählich argwöhnte sie, dass die Frau das Blumen zum Tee ohne eine einzige Rose verlassen würde und nur auf den Rabatt scharf gewesen war, den Kunden des Blumenladens auf ein Getränk erhielten. Sie blickte bewusst nicht in den anderen Teil des Ladens, wo Mareike hinter der Bar stand und die neue Teelieferung einräumte, da sie sonst die Augen verdreht oder andere Grimassen geschnitten hätte.

»Wir führen die Topfrosen auch in anderen Farben.« Sie deutete auf das Regal, aus dem die Kundin die Blume kurz zuvor genommen hatte.

Die musterte das Angebot, schien aber noch immer unzufrieden, wie auch bereits in den vergangenen zwanzig Minuten. »Ich weiß nicht … ich möchte ja schon gern diesen Ton hier.« Sie deutete auf einen Behälter mit langstieligen Rosen.

Liska lächelte und griff nach einem Blumentopf. »Helles Apricot, das haben wir hier.«

»Hm.« Die Kundin nahm ihn, trat ins Licht und drehte ihn hin und her, als würde sie so herausfinden, ob man sie soeben belog oder nicht.

Mareike machte Zeichen quer durch den Raum, und nun schnitt Liska doch eine Grimasse. Sie begriff nicht, wie man so lange für eine allzu offensichtliche Entscheidung brauchen konnte. Es lag klar auf der Hand: Die Kundin wollte eine Topfrose in Hellapricot, dort war die gewünschte Pflanze in tadellosem Zustand … einem Kauf stand demnach nichts mehr im Weg. Trotzdem stand sie hier, wartete auf eine der entscheidungsunfreudigsten Frauen, die sie jemals in ihrem Leben getroffen hatte, und bemühte sich, ruhig zu bleiben. In der Zeit, in der die Blondine von einem Blütenkopf zum anderen starrte, hätte sie unzählige andere Dinge erledigen können. Wenn sie eines hasste, dann unnötiges Warten. Leider war dies keine rote Ampel, und sie konnte nicht einfach über die Straße gehen, nur weil kein Auto kam, sondern es war ihr Geschäft. Und damit ihr Ruf.

Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und lächelte tapfer weiter, als die Kundin sie anblickte und den Kopf schüttelte. »Die hier sind etwas dunkler als die Schnittblumen. Ich nehme dann doch lieber drei einzelne Rosen.«

Mit exakt diesem Wunsch hatte sie das Geschäft betreten. Liska drückte ihre Fingernägel in die Handflächen und nickte. »Sehr gern.« Routiniert nahm sie drei Exemplare aus dem Bottich, arrangierte etwas Schleierkraut darum, schlug alles in Papier ein und kassierte.

Die Kundin bedankte sich und setzte noch einmal ihre Tasse an, bis auch der letzte Tropfen Chai herausgelaufen war. Mindestens zwanzig Sekunden blieb sie in dieser Pose, und anschließend warf sie einen enttäuschten Blick in die Tasse, so dass Liska beinahe erwartete, sie würde die Schaumreste ablecken. Erst dann verließ sie den Laden, während sie sich noch immer mit der Zunge über die Lippen fuhr.

Liska wartete eine Weile, legte dann den Kopf in den Nacken und stöhnte so laut und inbrünstig auf, dass Mareike einen Lachanfall...


Linnhe, Stephanie
Stephanie Linnhe wuchs im nördlichen Ruhrgebiet auf. Nach dem Publizistikstudium ging sie für ein Jahr nach Australien und arbeitete als Story Writer sowie als Tourguide mit Schwerpunkt in Sydney. Zurück in Europa, führten Projekte sie in die Schweiz und nach England, bis sie 2008 in die Welt der Computerspiele eintauchte. Seitdem kümmert sie sich um die Texte eines Karlsruher Onlinespiel-Anbieters, schreibt nebenher für Zeitungen und Zeitschriften, mischt hin und wieder bei Filmdokumentationen mit und versucht, das alles mit permanenter Reisewut zu vereinen.

Stephanie Linnhe wuchs im nördlichen Ruhrgebiet auf. Nach dem Publizistikstudium ging sie für ein Jahr nach Australien und arbeitete als Story Writer sowie als Tourguide mit Schwerpunkt in Sydney. Zurück in Europa führten Projekte sie in die Schweiz und nach England. Seit 2008 arbeitet sie in Karlsruhe als Redakteurin, mischt hin und wieder bei Filmdokumentationen mit und versucht, das alles mit permanenter Reisewut zu vereinbaren



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