E-Book, Deutsch, 680 Seiten
Linnemann Magie hinter den sieben Bergen
2. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7481-5523-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Anderswelt
E-Book, Deutsch, 680 Seiten
ISBN: 978-3-7481-5523-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
MAGIC CONSULTANT AND SOLUTIONS. Helena Weide hat die Nase voll - von ihrer Arbeit als Magieberaterin, von der ständigen Lebensgefahr und von ihrer Mutter, die sich andauernd in ihr Leben einmischen will. Sekretärin Maria hat geheiratet und ist versorgt. Der Familienfluch, der auf ihrem Assistenten Falk ruht, macht vor nichts Halt. Höchste Zeit, sich aus dem gefährlichen Geschäft mit der Magie zurückzuziehen. Aber was soll sie stattdessen machen? Der Urlaub, in dem Helena sich neu orientieren will, wird zur Katastrophe. Das Projekt, das ihren Übergang in einen geregelten Job absichern soll, erweist sich als hochriskant. Falk trifft eine fatale Entscheidung und verschwindet von der Bildfläche. Aber Helena wäre keine Hexe, wenn sie ihr Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen würde.
Diandra Linnemann, Jahrgang 1982, wohnt und lebt im schönen Rheinland. Dort übersetzt sie tagsüber medizinische Texte ins Englische und lässt ihre Charaktere nachts auf dem Papier wüste Abenteuer erleben. Sie fühlt sich unter Hexen und Geistern genauso zuhause wie in der Welt garstiger Tentakelwesen. Ihr Körper besteht fast ausschließlich aus Kaffee und teilt eine Wohnung mit einem geduldigen Mann, zwei verwöhnten Katzen und einem Dutzend sterbender Zimmerpflanzen. Mehr unter www.diandrasgeschichtenquelle.org
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Kapitel 1: Verdienter Urlaub Die Zimmerdecke war mir fremd und das Bett viel zu schmal. Neben mir murmelte Falk leise im Schlaf, drehte sich um und verpasste mir einen derben Stüber mit dem Ellbogen. Vorsichtig rutschte ich unter dem Federbett hervor und setzte die Füße auf den kalten Linoleumboden. Ein Steinchen bohrte sich in meine Ferse. Ich musste später unbedingt fegen. Ein schwacher Lichtschein schob sich an der Jalousie vorbei. Durch die dünne Wand hörte ich Vogelgezwitscher. Lautlos schob ich die Tür auf und schlich in die Küche, um Kaffee zu machen. Innerhalb weniger Minuten stand eine große Espressokanne auf dem Herd. Konnte sich nur noch um Augenblicke handeln, ehe ich das schwarze Gold in Händen hielte. Für einen Augustmorgen war es ziemlich frisch, und ich fröstelte in meinem überdimensionierten T-Shirt. Regentropfen glitzerten außen auf der Scheibe des schmalen Küchenfensters. Während ich auf das Röcheln wartete, das den Kaffee ankündigte, sortierte ich leise die Einkäufe von gestern in die Schränke. Bei unserer Ankunft am Ferienhaus – mehrere Stunden später als geplant, dank des desolaten Zustands der Autobahnen rund um Köln – hatten wir nur noch das Nötigste im Kühlschrank verstaut und waren ungeduscht ins Bett gefallen. Endlich. Ich schenkte Kaffee ein und überflog noch einmal die Instruktionen, die der Vermieter uns zusammen mit dem Schlüssel nicht unter, sondern auf die Fußmatte gelegt hatte. Den Wasserhahn an der Waschmaschine aufdrehen, keine Gartenpartys nach zweiundzwanzig Uhr, Fahrräder im Schuppen zur freien Verfügung, bei Fragen jederzeit anrufen. Das müssten wir hinbekommen. Zur Feier des Tages gab ich einen Schuss Sahne und zwei Löffel Honig in die Tasse. Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal richtig Urlaub gemacht? Als wir im Internet nach Unterkünften recherchiert hatten, hatte ich mit den üblichen Übertreibungen bei der Beschreibung des Ferienhäuschens gerechnet, doch wir hatten Glück gehabt. Es gab tatsächlich einen Garten mit echtem Gras, und er grenzte direkt an eine malerische Weide. Oberhalb der Hütte begann der Wald, von dem ich gelesen hatte, dass er sich mehrere hundert Kilometer Richtung Osten erstreckte. Angeblich konnte man, ohne ihn zu verlassen, bis hinter Osnabrück wandern, wenn man wollte. Wollte ich natürlich nicht. Wir würden uns einfach nur erholen, die direkte Umgebung erkunden und keine Anstrengungen unternehmen, die nicht absolut nötig waren. Nichts Geringeres hatte ich Falk versprochen, und nach unserem letzten Abenteuer hatte er sich die Erholung redlich verdient. Ich trug meine Tasse nach draußen und schlenderte barfuß einmal um den Garten. An der frischen Luft schmeckte der Kaffee gleich doppelt so gut. Ein Langbein krabbelte eilig über meine bloßen Zehen. Ich legte den Kopf in den Nacken und bewunderte die Buchen, die sich zwischen Garten und Weide in den malerisch bewölkten Sommerhimmel reckten. Es roch nach Landurlaub, aber auf eine angenehme Art. Auf dem Weg zurück zur Terrasse schob ich einen größeren Ast aus dem Weg und winkte einem Nachbarn, der gerade mit einer Bäckertüte auf seinem Fahrrad aus dem Dorf zurückkehrte. Gut, angeblich war das hier eine richtige Stadt, allerdings … im Dunkeln hatte ich keinen Beweis dafür gesehen. Und das war auch gut so, denn wir hatten den Tapetenwechsel gründlich nötig. Die Tür öffnete sich, und Falk kam mir gähnend entgegen. Im Gegensatz zu mir war er vernünftig genug gewesen, erst Jeans anzuziehen, ehe er sich der Welt präsentierte. Im Stillen bedauerte ich das. Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Kaffee steht in der Küche.« »Ich weiß, der Geruch hat mich geweckt.« Er rieb sich mit beiden Händen durch das Gesicht und streckte sich dann ausgiebig. »Soll ich Brötchen holen?« »Zuviel Mühe. Für heute Morgen reichen unsere Vorräte. Wir könnten Käsetoast machen«, schlug ich vor. »Und dann rufe ich meine Mutter an.« Ein Hauch von Zweifel flog über sein Gesicht und verschwand so schnell, wie er gekommen war. »Du musst das nicht heute tun, weißt du.« Ich drückte mich an ihn und atmete einmal tief durch. Fast hätte ich dabei meine Tasse fallenlassen. »Wir haben das doch besprochen. Wahrscheinlich dauert es ewig, bis sie alles geregelt hat. Je eher ich mich darum kümmere, desto besser.« Insgeheim fühlte ich mich längst nicht so zuversichtlich, wie ich hoffentlich klang. »Komm, Frühstück. Ich habe einen Bärenhunger!« Zwei Stunden später blätterte ich an einem mit Krümeln und Käserinden übersäten Tisch in den ausliegenden Tourismusbroschüren. »Hast du schon eine Idee, was wir heute machen können?« Falk schob die Aufschnittpackungen in den Kühlschrank und griff sich einen Spüllappen, um den Tisch abzuwischen. »Wir könnten einen ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt machen, uns alles in Ruhe ansehen. Die Burg soll beeindruckend sein. Angeblich wurde sie vom Teufel persönlich erbaut.« »Klingt nach einer soliden Idee.« Wir könnten uns heute ein wenig akklimatisieren und orientieren, ehe wir uns die restlichen Tage mit Programm vollpackten. Ich trank den letzten Kaffee und stellte meine Tasse zum restlichen Geschirr in die Spüle. »Lass uns die Fahrräder satteln.« Das mit den Fahrrädern stellte sich als blöde Idee heraus, denn die Straße, die zum Stadtzentrum hinaufführte, war fast so steil wie unsere Hausstrecke hinauf nach Heiderhof. Ich war zwar durchaus fit, aber das hier überstieg meine körperlichen Kapazitäten bei Weitem. Ich strampelte im kleinsten Gang hinter Falk her. Dessen Vorsprung wurde immer größer. Schließlich hatte er Erbarmen mit mir, fuhr an den Bürgersteig und wartete auf mich. »Lass uns den Rest des Weges schieben, es ist bestimmt nicht mehr weit.« Ich keuchte nur, zu einer Antwort reichte mein Atem nicht. Zum Glück hatte die hochsommerliche Hitze, die für die kommenden Tage angekündigt war, uns heute noch verschont. Und der Ort war wirklich nett hergerichtet. An jedem Gebäude fand man wenigstens Verzierungen aus dem lokal gehauenen Sandstein mit seinen braunen und rostfarbenen Schlieren. Alle Dächer waren schief, und sogar Wohnhäuser hatten überdimensioniert große Fensterscheiben Richtung Straße, durch die man alles sehen konnte. Mir wäre das ja zu dumm, so auf dem Präsentierteller zu wohnen. Auf dem Marktplatz schlossen wir unsere Fahrräder an einem metallenen Geländer ab und kauften uns erst einmal ein Eis als Belohnung für unsere Mühen. Dann schlenderten wir durch die Stadtmitte, die in erster Linie aus Geschenkartikelläden und Cafés bestand. Es fiel mir schwer, allein vom Anblick zu erraten, wer Tourist und wer Einheimischer war. Die Straßen waren uneben gepflastert, und es fuhren kaum Autos. Beinahe fühlte ich mich in eine andere Zeit versetzt. Wir kletterten eine enge Stiege hinauf und blieben stehen, um die prächtige Burg zu bewundern, die über uns in den Himmel ragte. Auf dem schmalen Stück Gras an ihrem Fuß weideten einige Schafe, die sich durch nichts stören ließen. In den Kronen mächtiger Bäume saßen Krähen und beobachteten das bunte Treiben. »Wollen wir sie uns ansehen?«, schlug Falk vor. Ich nickte. Zuerst passierten wir ein imposantes Tor, von dem aus man eine Art Vorhof betrat. Als wir unter dem steinernen Bogen hindurchgingen, spürte ich ein feines Prickeln im Nacken und blieb überrascht stehen. Ich hatte keine Spuren von Magie in der Nähe entdeckt. Mit geschlossenen Augen spürte ich der merkwürdigen Empfindung nach. »Was machst du da?«, fragte Falk in meine Konzentration. »Arbeitest du etwa heimlich?« Aber ich antwortete ihm nicht – mit meiner Neugier würde er leben müssen. Wie eine Kompassnadel drehte ich mich, bis die Stelle über meiner Nasenwurzel genau auf die Quelle der magischen Energie zeigte. Dann schlug ich die Augen auf. Nichts zu sehen. Halt, nicht ganz. In den Stein waren, nur schwach zu erkennen, alte Zeichen gemeißelt. Sie sahen aus wie die Zeichnungen eines Kindes, waren jedoch eindeutig mit Magie aufgeladen – und wahrscheinlich schon sehr alt. Mit ein wenig Geduld könnte ich herausfinden, warum sie hier angebracht worden waren. Aber ich wollte den Langmut meines Begleiters nicht überstrapazieren. Wir gingen hinein. Die Zufahrt zur Burg war noch ein bisschen steiler als die Straßen, auf denen wir uns bislang bewegt hatten, und ich war froh über die Schlange vor der Kasse. Diese Verschnaufpause hatten wir uns redlich verdient. »Das ist wahrscheinlich der einzige Berg in ganz Niedersachsen«, schimpfte ich halblaut und wischte mir die vom Eis klebrigen Finger an der Hose ab. Falk musterte mich amüsiert. »Nächstes Jahr könnten wir in den Harz fahren, wenn du willst.« Er war kaum außer Atem und wirkte...