E-Book, Deutsch, 530 Seiten
Linnemann Imata
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-5000-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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E-Book, Deutsch, 530 Seiten
ISBN: 978-3-7557-5000-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Überfall auf die Tankstelle war völlig missglückt und zu allem Überfluss war auch noch ein Mensch gestorben, dessen Tod man nun Isabella anhängte. Jetzt saß sie in Untersuchungshaft und ihre Aussichten für die Zukunft sahen nicht gut aus. Noch vor dem Beginn der Gerichts-verhandlung taucht ein Mann auf und bietet ihr an, sie aus dem Gefängnis zu holen, wenn sie sich als Gegenleistung dazu bereit erklärt an einem geheimen Forschungsprojekt teilzunehmen. Obwohl Isabella zunächst skeptisch ist, überwiegt ihre Angst vor einer jahrelangen Haftstrafe. Sie willigt ein, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, auf was sie sich einlässt. Doch schon bald wird ihr klar, warum ausgerechnet sie ausgewählt wurde.
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ISABELLA
Es war ein kahler Raum. Nicht sehr groß und ohne Fenster, jedenfalls wenn man von dem großen Spiegelfenster auf der einen Seite absah. Die Luft war abgestanden. Eine einfache Leuchtstoffröhre unter der Decke erzeugte ein kaltes Licht. Isabella saß auf einem der beiden Stühle, die zusammen mit dem schlichten Holztisch die einzige Ausstattung in diesem Raum war. Sie saß mit dem Blick zur Tür an diesem Tisch und fragte sich schon eine Weile, wer wohl gleich den Raum betreten würde. Man hatte ihr gesagt, ihr Anwalt wollte sie sprechen, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, einen beauftragt zu haben, geschweige denn konnte sie einen bezahlen. Ein Pflichtverteidiger vielleicht, doch der würde ihr wohl kaum helfen können. Sie saß mächtig in der Scheiße und daran würde so ein zweitklassiger Winkeladvokat auch nichts ändern können. Insgeheim hatte sie sich schon damit abgefunden, für eine ganze Weile den schicken, hellblauen Overall zu tragen und sich ein Zimmer mit dieser fetten Kuh zu teilen, die man vermutlich wegen unerlaubter Blödheit eingesperrt hatte. Isabella war klar, dass ihr Leben bisher nicht perfekt verlaufen war. Auch jetzt war sie nicht zum ersten Mal Gast in einer JVA, aber diesmal würde sie wohl so lange bleiben wie nie zuvor. Sie hätte auf Luis hören sollen, aber die Aussichten waren zu verlockend. Luis war ihr Freund, jedenfalls bezeichnete sie ihn so. Sie waren nicht wirklich zusammen oder zumindest seit einer Weile nicht mehr, aber sie verbrachten noch immer eine Menge Zeit miteinander. Luis‘ Vater war gegen diese Verbindung und nur wenn er Isabella sah, bekam er schon einen Wutanfall. Das machte die Treffen ziemlich kompliziert, weil es bei Luis zu Hause nicht möglich war und Isabella mehr oder weniger auf der Straße lebte. Luis kam aus einem perfekten Elternhaus. Gutverdienende Eltern mit einem eigenen Haus etwas außerhalb der Stadt. Genau das Gegenteil von Isabella. Ihren Vater hatte sie nie kennengelernt und ihre Mutter lebte von der Sozialhilfe. Zu ihr hatte sie nur noch selten Kontakt. Mit vierzehn hatte sie immer weniger Zeit zu Hause verbracht und Kontakte zu Jugendlichen bekommen, die sie aus heutiger Sicht besser nie getroffen hätte. Damals sah sie das anders. Es war ein völlig neues Leben. Grenzenlose Freiheit und Partys bis früh in den Morgen. Auf das spießbürgerliche Leben scheißen und einfach nur Spaß haben. Doch auch in dieser Szene ging das nicht ohne Geld. Irgendwann begannen dann die Ladendiebstähle, um an Alkohol zu kommen, den sie in ihrem Alter sowieso nicht hätte kaufen können, wie die meisten aus ihrer Clique. Luis hätte das alles gar nicht nötig gehabt, aber er wurde von seinen Eltern eher kurzgehalten. Geld muss man sich erarbeiten, war der Lieblingsspruch seines Vaters, mit dem er seinen Sohn zu Ehrgeiz und Leistung anspornen wollte. Bei Luis hatte das allerdings nicht gezündet und irgendwann war er Isabella über den Weg gelaufen. Von da an waren sie ein Paar und machten alles gemeinsam. Bei den Ladendiebstählen wurde inzwischen alles mitgenommen, was man irgendwie zu Geld machen konnte und als das nicht mehr reichte, folgten die ersten Einbrüche in Wohnungen und Häuser. Einer dieser Einbrüche ging schief. In dem eigentlich verlassenen Haus hatten sie einen stillen Alarm ausgelöst und dies erst bemerkt, als die Polizei das Haus schon umstellt hatte. Es gab zweihundert Sozialstunden und Luis‘ Vater war danach natürlich über alles im Bild. Er gab Isabella an allem die Schuld und darum war ihr Verhältnis zu ihm seitdem nicht mehr das Beste. Das ging jetzt schon seit vier Jahren so, doch Luis war sehr erfinderisch und schaffte es immer wieder, sich mit ihr und der Clique zu treffen. Jetzt hatte sie ihn vor fünf Tagen zuletzt gesehen. Nach dem Schellen öffnete allerdings sein Vater, mit dem Isabella um diese Uhrzeit nicht gerechnet hatte. Sie musste sich wüste Beschimpfungen anhören und sich als Flittchen bezeichnen lassen, dennoch hatte sie ihr Ziel erreicht. Spät abends war Luis noch ins Hell-Fire gekommen, wo sie meistens die Nächte verbrachten, um sich zu treffen. Es war keiner dieser Nobelklubs, wie es sie in der Innenstadt gab. Die hätte niemand aus der Clique betreten dürfen, geschweige denn bezahlen können. Das Hell-Fire war ein altes, stillgelegtes Fabrikgebäude hinter dem Bahnhof. Freddy, dem ein Tattoo-Studio in der Stadt gehörte, betrieb diesen Treffpunkt nebenbei. Ursprünglich mal für Biker eröffnet, trafen sich inzwischen alle hier, die das normale Leben mehr oder weniger freiwillig hinter sich gelassen hatten. Isabella hatte zu diesem Zeitpunkt schon reichlich Alkohol zu sich genommen. Sie erzählte Luis von der ganz großen Sache, die am nächsten Wochenende steigen sollte. Leo hatte herausgefunden, dass die Tankstelle am Ortsausgang die Einnahmen vom Wochenende in der Filiale sammelt, weil keine Banken aufhaben. Sonntagnacht sollten da also ein paar Tausend Euro drin sein. Die Info kam von Elli, die dort mal ausgeholfen hatte, war also totsicher. Trotzdem versuchte Luis sie davon abzubringen und machte ihr unmissverständlich klar, dass er auf keinen Fall mitmachen würde. Isabella zeigte sich enttäuscht, auch wenn sie ihn verstehen konnte. Trotzdem hielt sie ihn mit seinen sechsundzwanzig Jahren für viel zu abhängig von seinem Elternhaus. Mit oder ohne Luis stieg die Sache am Montagmorgen um kurz vor eins. Doch es lief nicht nach Plan. Entgegen ihren Infos trafen sie nicht auf eine Aushilfe, sondern auf den Besitzer selbst, der bereit war, sein Eigentum zu verteidigen. Er versuchte Leo zu überwältigen, wobei sich ein Schuss löste und den Besitzer tödlich traf. In der plötzlich aufgekommenen Panik brauchte Elli sieben Versuche, um den Tresor zu öffnen. Als sie endlich mit dem Geld ins Auto stiegen, war es eigentlich schon zu spät. Leo drückte Isabella die Waffe in die Hand, während er hektisch versuchte, seinen neunzehn Jahre alten Opel Astra zu starten. Sie kamen nicht mal mehr vom Gelände der Tankstelle, als die Polizei eintraf und noch während Isabella durch die Windschutzscheibe in das flackernde Blaulicht sah, wurde ihr bewusst, dass sie im Gegensatz zu Leo keine Handschuhe trug. Während sie auf die graue Tür starrte und daran dachte, war sie sich nicht sicher, ob Leo das absichtlich getan hatte oder ob er einfach nur die Hände frei haben wollte, um das Auto steuern zu können. Im gleichen Augenblick wurde die Tür geöffnet und ein Mann betrat den Raum. Er kam auf den Tisch zu, legte seinen schwarzen Aktenkoffer darauf ab und setzte sich Isabella gegenüber. »Guten Tag Isabella«, sagte er ruhig und sah die junge Frau an. Isabella musterte ihr Gegenüber in dem vermutlich sündhaft teuren Maßanzug und dem tadellosen Haarschnitt mit dem vornehmen Seitenscheitel. Er war perfekt rasiert und keine Bartstoppel störte die gepflegte Gesichtshaut. Sie schätzte ihn auf Mitte vierzig und er war alles, nur kein Anwalt. »Du bist doch Isabella Gehrig?«, fragte er, nachdem von ihr keine Reaktion erfolgte. Er griff nach seinem Koffer, öffnete ihn und holte eine Akte daraus hervor, die er vor sich auf dem Tisch aufschlug. »Isabella Gehrig, 25 Jahre alt, geboren in Bad Schwalbach«, er hob den Kopf und sah sie an. »Ein schöner Ort, den ich zufällig kenne.« »Was wollen Sie?«, entgegnete Isabella völlig unbeeindruckt. »Ich bin dein Anwalt«, antwortete er überrascht, doch für Isabella war klar, dass das nur gespielt war. Um auf der Straße zu überleben, musste man Menschen einschätzen können, um zu wissen, wem man vertrauen konnte und wem nicht. Dieser Mann gehörte zu der Gruppe, denen man besser aus dem Weg ging, doch das gestaltete sich gerade etwas schwierig. »Sie sehen aber gar nicht aus wie ein Anwalt.« Der Mann lächelte gekünstelt. »So, wie sieht ein Anwalt denn deiner Meinung nach aus?« Isabella lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Nun, da Sie niemand bezahlt, können Sie nur ein Pflichtverteidiger sein. Die sehen aber immer etwas heruntergekommen aus. Tragen schlecht sitzende, billige Anzüge und bestimmt keine goldenen Uhren.« Mit den letzten Worten war ihr Blick auf sein linkes Handgelenk gewandert. Unter dem Ärmel seiner Anzugjacke war eine Omega Seamaster zu sehen. Isabella hatte sie sofort erkannt. Vor ein paar Jahren hatten ein paar Jungs einen Juwelier ausgeraubt und dabei eine Reihe teurer Uhren erbeutet. An einigen hingen noch die Preisschilder und diese hatte eine fünfstellige Summe. Isabella hatte das damals fassungslos gemacht, dass es Menschen gab, die für so viel Geld eine Uhr kauften. Jetzt saß ihr offensichtlich jemand gegenüber. »Na schön. Du hast offensichtlich eine gute Auffassungsgabe. Also höre ich auf, dir etwas vorzumachen. Du hast recht, ich bin kein Anwalt. Mein Name ist Klaus Schneider, aber dennoch bin ich hier, um dir zu helfen.« Wieder ließ Isabella einen Moment verstreichen, bevor sie reagierte. »Wie?« »Ich arbeite für ein Unternehmen, das besondere Menschen sucht. Menschen wie...