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E-Book

E-Book, Deutsch, 264 Seiten

Reihe: Politik & Zeitgeschichte

Links Mit Links überleben

20 Jahre Ch. Links Verlag
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86284-292-6
Verlag: Links, Christoph, Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

20 Jahre Ch. Links Verlag

E-Book, Deutsch, 264 Seiten

Reihe: Politik & Zeitgeschichte

ISBN: 978-3-86284-292-6
Verlag: Links, Christoph, Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



20 Jahre Ch. Links Verlag - Grund zurückzuschauen auf eine bewegte Zeit. Es gab kontroverse und erfolgreiche Bücher, fallende und steigende Zahlen, wechselnde Quartiere und
Mitarbeiter, Krisensitzungen und Feste. Jedem ist etwas anderes im Gedächtnis geblieben.
Autoren und Kollegen, Buchhändler und Rezensenten, freie Mitarbeiter und Praktikanten, Grafiker und Vertreter, Drucker und Computertechniker erinnern sich. Sie tun es mit einem Augenzwinkern und erkennbarem Spaß. Entstanden ist so die lebendige Geschichte eines Verlages, der sich immer wieder einmischt in die Vorgänge der Zeit. Daneben gibt es - wie in jedem ordentlichen Sachbuch - eine Chronik und eine Bibliographie mit Register sowie viele Fotos.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Frank Nordhausen

Christoph Links, Scientology und mein Opa Richard


17 Jahre krisenfester Zusammenarbeit

Christoph Links ist mein Verleger. Er ist auch der Mann, der meinen Kindheitstraum wahr werden ließ. Neulich gab mir meine Mutter ein bräunliches DIN-A6-Heft, das mich tief zurück in die Vergangenheit führte. Eine Indianer- und Cowboygeschichte, handgeschrieben mit blauem Füller: »von Frank Nordhausen, sieben Jahre«. Das kleine Heft war, so sieht es rückblickend aus, der Beginn meiner Tätigkeit als Autor. Der Einstieg in den Traum meiner Kinderwelt. Ich träumte mich damals empor, wollte einmal »Rechts am Wald« werden, Rechtsanwalt wie mein imponierender, zwei Meter großer Onkel Rolf – aber viel lieber noch Schriftsteller wie mein Opa Richard, den ich leider nicht mehr kennenlernte, weil er viel zu früh starb. An Richard Nordhausen wurde bei uns zu Hause Erfolg gemessen. Er schrieb Feuilletons für die sozial-monarchistische Romane wie »Gib uns Brot, Kaiser!«, publizierte aber auch in einem Genre, das damals, zur Jahrhundertwende, als Begriff noch gar nicht existierte – das Sachbuch. 1910 gab er sein »Unsere märkische Heimat« heraus, das in zwei Jahrzehnten vier Auflagen erlebte. Ein früher Sachbuchbestseller – und damit sind wir bei Christoph Links.

Der Traum des Enkels ging an einem trüben Novembertag 1992 in Erfüllung, als ich zum ersten Mal das Büro des Ost-Berliner Verlegers im ersten Stock der Zehdenicker Straße betrat. Den Termin hatte Liane v. Billerbeck vereinbart, meine damalige Lebens- und Arbeitsgefährtin. »Er ist ein sehr ernster Mensch«, sagte sie. Tatsächlich sprach der junge Verleger mit einer superseriösen Schnarrstimme, trug eine riesige Brille und einen Kinnbart wie Pfarrer Eppelmann. Das blaue Jeanshemd relativierte die Strenge und ließ ihn ein wenig hemdsärmelig wirken. Er hätte auch ein Pädagoge sein können, ein Revolutionspfarrer, ein Aktivist der Chile-Solidarität. Er schenkte uns starken Kaffee ein. Er war mir sympathisch. Wir duzten uns.

Welche Messeparty ist die beste? Christoph Links und Frank Nordhausen testen gerade die des Ullstein-Verlages (2008).

Christoph Links kam gleich zur Sache. Er sprach über Scientology, den Psychokult aus Amerika. »Ein hoch spannendes Thema«, sagte er. Ob wir uns vorstellen könnten, ein Buch über die Organisation zu schreiben, eine kurze, aber umfassende Darstellung des Sektenkonzerns mit brisanten aktuellen Reportagen? Er kannte unsere Artikel über Scientology in der und der er hatte sich vorbereitet.

»Kein Problem!«, sagte ich. »Wann sollen wir liefern?«

Am 4. Dezember 1992 unterzeichnete ich meinen ersten Buchvertrag mit dem Links-Verlag. Damals haben wir mit Champagner angestoßen. Aber wir hatten auch Bammel. Mächtigen Bammel. Denn wir wussten schließlich, worauf wir uns einließen mit einem Enthüllungsreport über Scientology – dem ersten, der sich ganz auf deren mafiaähnliche Geschäfte konzentrieren sollte. Der Verleger aber, er konnte es nur ahnen.

Dass wir uns damals mit Scientology befassten, war reiner Zufall. In einem Florida-Urlaub waren wir 1991 am Golf von Mexiko über das »spirituelle Hauptquartier« der Psychosekte »gestolpert«, das journalistische Interesse war geweckt und wurde nach unserer Rückkehr von den Zeitungsredaktionen geteilt. Es war die Zeit, als Scientology zum öffentlichen Thema aufstieg. Nur war das Feld in den Medien so gut wie unbeackert – eine Chance für freie Journalisten, wie sie sich selten bietet. Schnell machten wir uns mit investigativen Reportagen einen Namen. Wir halfen, ein Sektenzentrum auf Usedom zu verhindern, deckten dubiose Deals von Scientologen mit der russischen Mafia auf, publizierten die erste große Enthüllungsgeschichte einer ehemaligen deutschen Topscientologin.

Dass der wahre publizistische Schatz aber erst noch zu heben sei – zu dieser Erkenntnis führte erst der Instinkt von Christoph Links. Was macht den Sachbuchverleger perfekt? Wie gute Investigativjournalisten muss er die Themen erkennen, die funkeln und zünden. Aber er muss sich auch festbeißen können. Nicht mehr lockerlassen. An die Sache glauben, auch wenn sie völlig vertrackt und aussichtslos wirkt. Genau wie mein Opa Richard, der bekannt war für seine Ausdauer. Er war nicht nur Schriftsteller, Journalist und Preuße, sondern auch Begründer des Märkischen Rudervereins und Erfinder des Wanderruderns. Bei einem Sturm auf dem Wolziger See drohte das Boot mit ihm und seinen drei Söhnen zu kentern. Er trieb seine Jungs zum Äußersten und erreichte glücklich das rettende Ufer.

Wir ruderten erst mal drauflos. Natürlich war es gewagt, ein Buch über Scientology zu publizieren, das »Namen und Hintermänner« nennen, »die gesamte Geschichte« erzählen und »umfassend aufklären« sollte. Doch gehört ein Schuss Naivität zum Wagnis dazu wie der Apfel zur Armbrust. Das Manuskript mit dem Titel »Der Sekten-Konzern. Scientology auf dem Vormarsch« sollten wir bis zum Jahresende liefern, schließlich gab es reichlich Vorarbeiten.

Die Zeit war trotzdem knapp bemessen, um 200 Seiten abzufassen, jeder Absatz musste gründlich recherchiert und belegt werden. Wir hatten den Verleger gewarnt: Mit Scientology sei nicht zu spaßen. Das Manuskript müsse von mindestens zwei Anwälten geprüft werden. Juristische Angriffe seien das Mindeste bei einer Organisation, deren sechs Jahre zuvor verstorbener Chef L. Ron Hubbard einst die Devise ausgab: »Es geht nicht darum, die Verhandlungen zu gewinnen. Der Zweck einer Klage ist es, den Gegner zu zermürben und zu entmutigen. Falls möglich, sollte sie ihn auch vollständig ruinieren.«

Jetzt waren wir der Gegner, und für einen Moment dachte ich, kann der Bart-Mann das überhaupt? Viel Mühe für viel Ärger auf sich nehmen? Der Name Links war durchaus passend. Immerhin ging es gegen faschistoide Sektierer. Aber hatte ein Jungverleger, der bis dahin vor allem Bücher über die alte DDR publizierte, Atem genug, es mit einer weltumspannenden Organisation aufzunehmen, die Kritiker bedrohte, einen eigenen Geheimdienst besaß und über scheinbar unendliche Geldmittel verfügte?

Christoph Links bewies Standvermögen. Zuerst kamen die anonymen Anrufe. Dann wurden Dossiers über uns »Scientology-Jäger« an ihn geschickt. Das Verlagsauto vor der Tür hatte plötzlich über Nacht zerstochene Reifen: Schließlich rückten Fanatiker in sein Büro ein, um auf ihn einzureden und von dem angekündigten Buch abzubringen. Zum Glück waren alle Unterlagen des »Sekten-Konzerns« ausgelagert worden. Sicherheit war oberstes Gebot. Nichts durfte vorzeitig durchsickern. Aber die Recherchen brauchten auch Zeit. Erst kurz vor der Leipziger Buchmesse ging das Manuskript, nun 360 Seiten stark, in den Druck – nach vier Monaten mit Siebentagewochen und Fünfzehnstundentagen und ohne Fernsehen.

Das Ergebnis überrollte alle Beteiligten – die Autoren, den Verleger, die Buchhändler. Kurz nach dem Erscheinen Ende März 1993 begann die erwartete Auseinandersetzung. Der Postbote stellte Drohbriefe und Klageankündigungen zu. Die Sekten-Juristen schickten gepfefferte Schriftsätze. Der Scientology-»Geistliche« Peter-Uwe Krumholz, »Roncalli«-Gründer Bernhard Paul, der süddeutsche Scientologe Dr. P., die Hamburger Scientology-Sprecherin, die Frau des Scientologen und Schockmalers Gottfried Helnwein – sie alle wünschten Unterlassungserklärungen, forderten Schwärzungen, Schadenersatz, Auslieferungsstopp. Renate Helnwein wollte sogar »alle noch im Besitz des Verlages befindlichen Exemplare vernichten« lassen.

Wenn Christoph Links damals anrief, in den Tagen nach der Buchpremiere, ging ich am liebsten in Deckung und nicht mehr ans Telefon. Jedes Klingeln verhieß neues Unheil. »Schickt mir sofort die Dokumente!«, sagte er mit gepresster Stimme. »Bis morgen Mittag muss unsere Erwiderung beim Anwalt sein.« Anfangs klang er noch kämpferisch, später auch verzweifelt. Plötzlich schien die Existenz des kleinen Verlages in der Zehdenicker Straße auf dem Spiel zu stehen. Und wir waren schuld. Ich machte mir Vorwürfe. Was um Himmels willen hatten wir getan?

Am 14. Mai 1993 erschien die Hamburger mit einer großen Schlagzeile: »Einschüchtern, zermürben, zerstören«, illustriert mit unserem Buchcover aus dem Links-Verlag, das von einem schwarzen Keil mit der Aufschrift »Scientology« gespalten wurde. Es war der Aufmacher des »Modernen Lebens«. Der Aufmacher! In dem Artikel schilderte Dieter E. Zimmer, wie die Scientology-Sekte Kritiker mundtot zu machen und die publizistische Aufklärung zu verhindern sucht. Als Beispiel wurde unser Buch genannt. Am Schluss stand: »Wohl haben auch Sektenangehörige Anspruch darauf, dass keine Unwahrheiten über sie verbreitet werden. (…) Dürfte aber niemand mehr namentlich Scientologe genannt werden, so würde jede Berichterstattung über die Umtriebe der Sekte unmöglich.« Die habe ich damals gleich dreimal gekauft, die Exemplare aufbewahrt. Bis heute.

Es war auch ein Befreiungsschlag. Wir verkauften 7000 Bücher in sieben Wochen, bald wurde nachgedruckt, sechs Auflagen insgesamt. Jedes Mal konnte mit kleinen Änderungen einem Angriff pariert werden. Der »Sekten-Konzern« wurde einer der ersten Erfolgstitel des Links Verlages und unter Sektenexperten bekannt als »die gelbe Bibel«. Es war wirklich eine...


Jahrgang 1954, geboren in Caputh/Potsdam, 1975-1980 Studium der Philosophie und Lateinamerikanistik in Berlin und Leipzig, 1980-1986 Lateinamerika-Redakteur bei der "Berliner Zeitung", nebenberuflich Sachbuchautor und Literaturrezensent für die Kulturzeitschrift "Sonntag", 1986-1989 Assistent der Geschäftsleitung im Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, Dezember 1989 Gründung des Ch. Links Verlages mit dem Schwerpunkt Politik und Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts, Mitglied im P.E.N.-Club (seit 1991), 1992-2002 Mitglied des Aufsichtsrates der Frankfurter Buchmesse, 1998-2005 Mitglied des Mittelstandsbeirates des Bundeswirtschaftsministeriums, 2008 Promotion am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität Berlin, zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen sowie Herausgaben zur Literatur- und Zeitgeschichte.



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