E-Book, Deutsch, 190 Seiten
Linger / Bard Imperfect Match
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7393-2838-6
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Liebe ist eigenwillig
E-Book, Deutsch, 190 Seiten
ISBN: 978-3-7393-2838-6
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Alles könnte für Emma so wundervoll sein. Sie fährt mit ihrem besten Freund und Mitbewohner Colin, in den sie heimlich verliebt ist, für fünf Tage nach London und trifft sich dort auch noch mit ihrer Internet-Freundin Anna, alias Midnightrider, um diese endlich mal persönlich in die Arme schließen zu können. Jedoch gibt es da ein kleines Problem: Emma hat sich bei Anna als Mann ausgegeben und wagt es nicht, diesen Betrug zuzugeben, weil sie ihre momentan beste Freundin nicht verlieren will. Ihr bleibt somit keine andere Wahl, als auf Colins großzügiges Angebot, sich für sie auszugeben, einzusteigen und ihren Plan ihn auf der Reise zu verführen, den neuen Umständen anzupassen. So richtig kompliziert wird alles allerdings erst, als Colin deutliches Interesse an Anna zeigt und Annas Bruder Ben zusätzlich nicht nur ständig Emmas sorgsam ausgefeilte Pläne durchkreuzt, sondern auch noch ihre Gefühlswelt gehörig durcheinanderwirbelt.
Ina Linger und Cina Bard sind beide in Berlin geboren und aufgewachsen und schreiben schon seit ihrer Kindheit, seit ihrer Schulzeit auch schon an gemeinsamen Werken. Seit 2011 haben sie drei Romane gemeinsam veröffentlicht.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Der Wolf im Schafspelz
Nur drei Tage später befanden wir uns auf dem Weg nach London oder auch hinein in die Katastrophe, wie ich mittlerweile vermutete, ohne etwas an meinem Schicksal ändern zu können. Gottseidank lebten Night und ich nicht so weit voneinander entfernt, dass sich ein Flug gelohnt hätte – wenn Colin auch ein wenig eingeschnappt deswegen war; wenn möglich, würde er sogar einen Jet zur Uni nehmen. Ich dagegen war zum Fliegen einfach nicht geboren – oder eher nicht zum Landen. Der Start war stets okay, ich bekam keine Panikattacken, wenn es ab und an mal etwas ruckelte, mir wurde nicht schlecht – aber sobald es in den Landeanflug ging (also etwa eine halbe Stunde lang) spielten meine Ohren verrückt. Ich hatte alles ausprobiert und sowohl die Pharmaindustrie als auch die Naturheilkundler hatten es bis jetzt versäumt, mir für einen finanziellen Aufschwung persönlich zu danken. Ich war bei vier Ärzten gewesen, hatte unzählige Stunden in Wartezimmern und Behandlungsräumen verbracht und immer wieder die gleiche Antwort bekommen: „Das ist eben bei Ihnen so. Nehmen Sie ein hochdosiertes Schmerzmittel“. Nach jahrelangen Migräneanfällen hasste ich nichts mehr als Tabletten, doch letztendlich verbrachte ich Flüge unter dem Einfluss von sehr viel Ibuprofen und wurde nach der Landung erst durch gefühlte vier Liter starken Kaffees wieder lauffähig. So fuhren wir also eines schönen Vormittages von unserem Apartment in Horfield nach Temple Meads und bestiegen dort den Zug nach London, St. Pancras. „Nervös?“, fragte Colin grinsend. „Wieso? Weil ich zur größten Lüge meines Lebens unterwegs bin?“ giftete ich ihn an. Zu sagen, ich sei aufgeregt, war die Untertreibung des Jahres. Auch wenn es erst März war. Er zuckte die Schultern. Colin war vieles, aber nicht nachtragend und wenn das nicht größtenteils daran gelegen hätte, dass er mich oft nicht ernstnahm, wäre das ein recht liebenswerter Charakterzug gewesen. Ich ließ den Kopf hängen. Normalerweise hätte ich mich in einer solch vertrackten Situation in meinem Chat eingeloggt und geschaut, ob Night da war, um mich bei ihr auszuheulen, aber das ging ja jetzt schlecht. ‚Heeey, ein Freund von mir trifft sich demnächst mit seiner Internetfreundin, die er jahrelang angelogen hat. Wärst du sauer an ihrer Stelle? Waas? Neiiiin! Echt! Es geht nur um einen Freund …‘ – wäre wohl nicht die glaubhafteste Einleitung. Ich fuhr mir mit einer Hand über das Gesicht. Seit ich Kontaktlinsen hatte, war das endlich auch möglich, ohne dabei seltsam aussehende halbe Kreisbewegungen um das zugehörige Gestell herum zu machen. „Sorry“, wandte ich mich wieder an Colin, doch er winkte nur mit seinem typischen ‚Pfff‘ ab, ein Laut, der mir zeigen sollte, für wie bedeutungslos er das Ganze hielt. „Onkel Colin holt dich da schon wieder raus, lass mich mal machen“, fügte er hinzu und legte mir großvät… onkelig eine Hand auf die Schulter. „Mach nicht zuviel“, ermahnte ich ihn sofort und erntete einen echauffierten Blick. „Du erinnerst dich an den tosenden Applaus während meiner Schauspielzeit, ja? Ich war ein umjubelter Star, von allen geliebt und bewundert!“ „Du warst fünf und hast einen Baum gespielt.“ Ich rollte mit den Augen. Er blätterte unbeeindruckt eine Seite seines Sportmagazins um. „Kunstbanause.“ Ich schüttelte den Kopf und legte ihn dann an Colins Schulter, woraufhin er mir liebevoll-ruppig das Haar verwuschelte. „Wieso stöpselst du nicht deine Kopfhörer ein und genießt eine Folge ‚Outnumbered‘?“, schlug er vor und deutete auf die kleinen Bildschirme, die jeweils am Rückenteil des Vordersitzes angebracht waren. Ich war in meiner Kindheit und Jugend nicht so häufig mit einem der Züge dieser Linie gefahren und als ich die Bildschirme das erste Mal gesehen hatte, hatte ich ganz verschüchtert einen der anderen Passagiere gefragt, ob ich versehentlich in der ersten Klasse gelandet sei. Es hatte mir ein kopfschüttelndes Lachen und die ersten unzähliger Stunden, in denen ich beinahe das gesamte angebotene Programm rauf und runter schaute und hörte, eingebracht. Doch irgendwie wollte es mir diesmal nicht gelingen, mich auf eine der Episoden zu konzentrieren, dazu war ich viel zu aufgeregt, und auch die schöne Landschaft, die draußen vorbeiflog, konnte mich nicht ablenken. Night war mir wichtig, sie war mir sogar verdammt wichtig. Ich wollte sie auf keinen Fall verlieren und von daher durfte nichts – rein gar nichts – schiefgehen. Patzer waren nicht erlaubt, von keiner Seite. „Wie heißt du noch mal im Chat?“, fragte ich Colin, der gerade eine Tüte Chips hervorkramte: Shrimps Cocktail. Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Er liebte diese Sorten, die Gerichten nachempfunden waren. Sein absoluter Favorit war eine neue Sorte à la Chili con Carne. Increíble. „Wer if fett?“, fragte er abwesend und beäugte mich dann kritisch. „Du bift dof niff fett. Wirft du jäks dof wo’n“, er schluckte, „richtiges Mädchen mit Diätknall oder was? Damit sie keinen Verdacht schöpft?“ Die nächste Ladung Chips wanderte in seinen Mund und er hielt mir die Tüte hin. „Iff ma, du würft öff braum.“ Ich knuffte ihn ob seiner klischeehaften Ansichten in den Arm, doch er lachte nur. „Wie ‘n Mädpfn“, nuschelte er. „Fämpt schom am.“ „Colin!!“, rief ich und betonte, wie immer, wenn ich ärgerlich oder frustriert seinetwegen wurde, die zweite Silbe seines Namens. „Emma!“, machte er mich nach und lachte dann. „Du hast den perfekten Namen: mit vollem und mit leerem Mund gut auszusprechen, egal ob man zu ist, breit, müde oder einfach nur am Essen.“ Ich rollte schon wieder die Augen – etwas, was ich in Colins Gegenwart oft und nur allzu gerne tat. Gleich würde er kommen, mein Lieblingssatz … „Bist halt der perfekte Kumpel.“ Damit fuhr er mir durch die Haare und zerstrubbelte sie erneut auf diese liebevoll-raue Art, die junge Hunde unter sich pflegen. „Was ich mich allerdings schon immer gefragt habe, ist, wie er wohl beim Sex klingt.“ Er seufzte und begann dann leise zu stöhnen. „Emma … oh Em, yeah Baby … yeah, genau so … Emma, fuck, yeah …“ Ich rammte ihm mit hochrotem Kopf den Ellenbogen in den (leider stahlharten) Oberarm. Er zuckte jedoch nur die Schultern. „Besser als Stacey oder Dana in jedem Fall. Finden Sie nicht?“, fragte er ein Pärchen mittleren Alters, das sich von zwei Sitzen schräg vor uns zu uns umgedreht hatte und jetzt schleunigst wieder in seinen jeweiligen Lesestoff vertiefte. Colin legte eine Hand unter mein Kinn und hob meinen Kopf an. Es wäre eine recht liebevolle Geste gewesen, wenn da nicht dieser mitleidige Ausdruck in seinen Augen gelegen hätte, der meine Bauch-Schmetterlinge sogleich wieder ins Puppenstadium verfallen ließ. „Das war ein klares zwei zu Null gegen dich, Schnubbelchen, aber Onkel Colin mag dich trotzdem noch. Ach ja und übrigens: Shallow Chaser.“ Er grinste und zwinkerte mir stolz zu. Nach siebzehn Jahren Freundschaft (mit kleinen Unterbrechungen) überraschte mich an seinem Verhalten kaum noch etwas. Ich hatte mich daran gewöhnt, mit ihm im sozialen Rampenlicht zu stehen, dennoch versuchte ich es gerne zu vermeiden. „Shadowhunter, Colonel“, erwiderte ich seufzend. Colonel war ein selten genutzter Spitzname für ihn, der vor zirka zehn Jahren entstanden war. Auch wenn er seinen Sport oft mit militärischer Disziplin durchführte, so kam der Name nicht daher, sondern von der Abkürzung seines Namens, der der des militärischen Ranges entsprach: Col. „Jaaa, schon klar“, erwiderte er und griff wieder nach seinen Knabbereien. „Shadowhunter und Morning Glory.“ Er zog eine Augenbraue hoch, als ich wiederholt den Kopf schüttelte. „Champagne Supernova? Wonderwall? Angel Child? The Girl in the Dirty Shirt?“ „Hör auf, Oasis-Titel zu zitieren! Du magst die Band nicht mal. Shadowhunter und Midnightrider, Colin. Shaaadooooowhuuunteeer und Miiiidniiightriiideeer. Los, wiederhol es zehn Mal!“ „Bist du irre?“ Er sah mich empört an. „Ich mach mich doch nicht hier vor allen Leuten lächerlich!“ Natürlich nicht. Blamiert wurden nur die Leute um ihn herum – oder eher ich im Speziellen. „Ich nehme dich doch nur ein bisschen auf den Arm“, grinste er ein paar Sekunden später. „Kann mir das schon merken – keine Sorge. Und du nennst sie doch eh nur Night, oder?“ Ich nickte und versuchte, mich wieder zu entspannen. „Eigentlich heißt sie Anna. Anna Finchley.“ „Klar. Auch das hast du mir schon ein paar Mal gesagt.“ Er streckte sich und gähnte herzhaft. Dabei rutschte sein ohnehin viel zu eng anliegendes Shirt etwas höher und entblößte sein gebräuntes Sixpack. Ich sah rasch aus dem Fenster, weil mir ein wenig heiß wurde. Warum nur musste Colin so verdammt gut in Form sein? Genügte es nicht, dass er ein klassisch schönes Gesicht hatte, einen von Natur aus gebräunten Teint und dieses dicke, dunkle Haar, das sich leicht lockte, wenn es nass wurde? Seine Oma war Italienerin, die sich im zweiten Weltkrieg in einen irisch-stämmigen Soldaten verliebt hatte und mit ihm nach Großbritannien gezogen war. Von dieser munteren, temperamentvollen alten Dame hatte Colin seine dunkelbraunen, lebhaft funkelnden Augen und diese verboten langen, dichten, schwarzen Wimpern. Er sah manchmal beinahe geschminkt aus – auf sehr natürliche Weise versteht sich – und...