E-Book, Deutsch, 376 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
Liffler Der Allergie-Code
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8437-2023-6
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neurodermitis, Asthma und Allergien verstehen und überwinden
E-Book, Deutsch, 376 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-8437-2023-6
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Peter Liffler, geb. 1941, ist Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin und leitet als Chefarzt die Kinderfachklinik Bellevue auf Fehmarn. Er studierte 1975 bis 1981 Humanmedizin an der Philipps-Universität Marburg. Danach erfolgte die Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Kassel. Von 1988 bis 1990 erfolgte Planung, Aufbau und ärztliche Leitung des Kinder-Rehabilitationszentrums auf Fehmarn, 1992 bis 1994 Entwicklung und ärztliche Leitung des Therapeutikums Westfehmarn, 1995 bis 2017 Betrieb und ärztliche Leitung der Fachklinik Bellevue. Dr. Liffler entwickelte eine innovative, sektionen- und fachbereichsübergreifende Versorgungsform für Kinder mit schweren Erkrankungen des atopischen Formenkreises. 2012 bis 2016 erfolgte dann eine Pilot-Studie mit Eltern neurodermitiserkrankter Kinder. Durchführung von Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäts-Kliniken, u. a. Validierung eines Senibilitäts-Tests.
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EINLEITUNG
Deutschland gehört auf der einen Seite zu den 15 reichsten Ländern der Welt und erwirtschaftet das höchste Bruttoinlandsprodukt Europas. Die Deutschen besitzen das dichteste Autobahnnetz, bauen mitunter die schnellsten Autos und die besten Maschinen. Sie verkaufen die beliebtesten Panzer und brauen das süffigste Bier. 2017 verdiente der Durchschnittsdeutsche jährlich 37.103 Euro Mehr als 40 Prozent wohnten in den eigenen vier Wänden, und in jedem dritten Haushalt standen zwei oder mehr Fernsehgeräte. Jede vierte Familie verfügte oft über einen Zweitwagen.
Auf der anderen Seite scheint das Volk der Dichter und Denker im Vergleich zu anderen Ländern jedoch bemerkenswert schlecht gebildet zu sein. Den PISA-Studien entsprechend liegen die jungen Deutschen auf Plätzen, die den abstiegsbedrohten Rängen der Bundesliga entsprechen. Der Durchschnittsdeutsche vertilgt jährlich 65 Kilogramm Fleisch, 45 Fertiggerichte, 36 Kilogramm Zucker, trinkt umgerechnet 11,5 Liter reinen Alkohol, sitzt täglich mehr als vier Stunden vor dem Fernsehgerät, ist fast ebenso lang »online« und hat zweimal wöchentlich 17 Minuten Sex. Fast die Hälfte der Über-Dreißigjährigen ist übergewichtig und leidet unter Bluthochdruck, Arthrosen, Diabetes, Herzkrankheiten und Asthma. Kein Europäer sitzt häufiger beim Arzt als der Deutsche, und drei Viertel der Gesamtkosten im deutschen Gesundheitswesen entfallen mittlerweile auf die Behandlung chronischer Krankheiten.
Die Deutschen werden immer älter und sind inzwischen nach Italien und Japan das Volk mit dem höchsten Durchschnittsalter weltweit. Man ist geneigt anzunehmen, dass die hohen Krankheitskosten in diesem Durchschnittsalter begründet seien. Natürlich nehmen die Krankheitskosten in einer überalterten Gesellschaft zu, aber doch nicht in dem gegenwärtigen Maße. Denn nach Einschätzung der Krankenversicherer leben immer mehr ältere Menschen gesünder als die jungen. Bewusste Ernährung, regelmäßiger Sport, Teilzeitbeschäftigungen, ehrenamtliche Tätigkeiten und sinnvolle Freizeitgestaltung sind heute für viele ältere Menschen völlig normal. Es sind heutzutage vor allem die jungen Deutschen, die den Krankenkassen Sorgen bereiten.
30 MILLIONEN DEUTSCHE SCHNIEFEN,
KEUCHEN UND KRATZEN SICH
Ungefähr 30 Prozent der Deutschen leiden inzwischen an allergischen Erkrankungen. Waren es 1960 nur 1 Prozent der Deutschen, die im Verlauf ihres Lebens eine Allergie entwickelten, klagt heute fast jeder Zweite irgendwann über irgendeine Unverträglichkeit. 30 Millionen Deutsche schniefen, keuchen, husten und kratzen sich bis aufs Blut. Ähnlich wie bei den psychischen Störungen verzeichnen die Epidemiologen am Robert-Koch-Institut eine dramatische Zunahme der sogenannten Erkrankungen des atopischen Formenkreises. Diese Krankheitsgruppe umfasst Allergien, Neurodermitis, Asthma bronchiale, Heuschnupfen, Nesselsucht und Kontaktallergien; ihr gemeinsames Merkmal ist die Überempfindlichkeit der Haut und der Schleimhäute. Daran erkranken immer mehr überwiegend junge Menschen, und es konnten bislang keine zuverlässigen Erklärungen dafür gefunden werden. Allgemein wird diese Zunahme mit verschiedenen Aspekten unseres »westlichen Lebensstils« in Verbindung gebracht. Ein Beweis für diese Hypothese fand sich nach der Wiedervereinigung in Deutschland bei einem Ost-West-Vergleich. In den neuen Bundesländern war die Häufigkeit allergischer Erkrankungen trotz höherer Luftverschmutzung mit sechs Prozent der Bevölkerung deutlich niedriger als in den alten Bundesländern, in denen in den Achtzigerjahren schon über 14 Prozent unter einer allergischen Erkrankung litten. Mit der Angleichung der Lebensstile seit der Wiedervereinigung haben die Deutschen im Osten diesen Prozentsatz nicht nur ausgeglichen, sondern ihre Landsleute im Westen sogar noch überholt. Heute erkranken in den neuen Bundesländern signifikant mehr Kinder an Allergien als in den alten. Eine Erklärung für diese Entwicklung gibt es bislang nicht.
Epidemiologen des Robert-Koch-Instituts fanden 2014 jedoch auffällige Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit der Neurodermitis und sozioökonomischen Voraussetzungen. So erkrankten Kinder aus Familien mit höherem sozialen Status deutlich häufiger an Neurodermitis als Kinder aus Familien in niedrigen sozialen Verhältnissen. Der Zusammenhang der Erkrankungen des atopischen Formenkreises mit soziodemografischen Daten und sozialen Faktoren ist tatsächlich auffallend.
Nach der aktuellen Berichterstattung des Bundes zur Gesundheit der Deutschen erkranken in Deutschland 20,8 Prozent der Männer und 36,8 Prozent der Frauen, im Gesamtdurchschnitt 28,8 Prozent der Erwachsenen, im Laufe ihres Lebens an einer Krankheit aus dem atopischen Formenkreis. Am häufigsten leiden Erwachsene unter Heuschnupfen (14,8 Prozent), es folgen das Asthma bronchiale mit 8,6 Prozent und die Neurodermitis mit 3,5 Prozent. Im Gegensatz zu den erwachsenen Deutschen erkranken bei den 0 bis 17 Jahre alten Kindern beziehungsweise Jugendlichen 27,8 Prozent der Jungen und 24,1 Prozent der Mädchen, das heißt im Gesamtdurchschnitt 26 Prozent, im Laufe ihres Lebens an einer allergischen Krankheit. Diese jungen Menschen leiden am häufigsten unter Neurodermitis (14,3 Prozent), es folgen der Heuschnupfen mit 12,6 Prozent und das Asthma bronchiale mit 6,3 Prozent.
Die Auffassung, dass es sich bei den Erkrankungen des atopischen Formenkreises um psychosomatische Krankheiten handelt, ist weit verbreitet, obwohl 75 Jahre Forschung diesen kausalen Zusammenhang nicht bestätigen konnten. Den vorläufigen Schlusspunkt bildete 2015 eine europaweite, multizentrische Studie von F. J. Dalgard und anderen, deren Ergebnisse an die breite Öffentlichkeit kommuniziert wurden. (So erschien daraufhin beispielsweise in der Welt der Artikel: »Warum die Haut kein Spiegel der Seele ist«.)
Sieht man von edukativen und verhaltenstherapeutischen Ansätzen ab, die den Juckreiz-Kratz-Zyklus unterbrechen sollen, spielen psychotherapeutische Ansätze in den Empfehlungen bei der Behandlung der Erkrankungen des atopischen Formenkreises jedoch heute leider keine Rolle. Die einschlägigen medizinischen Leitlinienempfehlungen beschränken sich seit Jahrzehnten auf mehr oder weniger unsinnige Vermeidungsempfehlungen.
Im Vordergrund der klassischen Behandlungsmethoden steht die medikamentöse Unterdrückung der Krankheitssymptome mit nebenwirkungsreichen Wirkstoffen. Die Akzeptanz dieser Behandlungsweise ist aber gering. Mehr als die Hälfte der Patienten, beziehungsweise deren Eltern, bevorzugen inzwischen komplementärmedizinische Verfahren, aber auch alternative Methoden mit oft völlig ungesicherter Wirksamkeit.
Inzwischen zeigt sich eine neue Generation von »Atopikern«, die alles bisher Dagewesene übertrifft: Säuglinge mit hochgradigen Allergien gegen alles, was für eine bedarfsgerechte Ernährung unverzichtbar ist. Jeder Versuch eines normalen Nahrungsaufbaus scheitert, selbst Muttermilch erbrechen sie. Wenn sich die Kleinen im Elternbett schreiend blutig kratzen, werden die Nächte zum Albtraum.
Die Therapien und Ratschläge der Dermatologen ändern daran nichts. Viele dieser Kinder werden nie einen normalen Kindergarten oder eine Regelschule besuchen können und degenerieren zu Dauerpatienten eines überforderten Gesundheitswesens.
38 PROZENT DER DEUTSCHEN LEIDEN UNTER PSYCHISCHEN STÖRUNGEN
Parallel zu dieser Entwicklung schlagen die Krankenversicherungen seit Jahren Alarm: Mit einem Anteil von 23,4 Prozent haben sich die psychischen Störungen vor die Herz-Kreislauferkrankungen an die Spitze der krankheitsbedingten Fehlzeiten gesetzt. Der Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz zählte 2012 bereits 59 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen, was einer Steigerung um 80 Prozent in 15 Jahren entspricht. 41 Prozent der Frühberentungen erfolgen mittlerweile aufgrund psychischer Erkrankungen.
Der AOK-Bundesverband teilte in seinem Fehlzeiten-Report 2017 in Berlin mit, dass die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen in den vergangenen zehn Jahren bei den AOK-Versicherten um 79,3 Prozent auf 100 Millionen Fehltage am Arbeitsplatz angewachsen sind. Psychische Erkrankungen führten außerdem zu langen Ausfallzeiten: Mit 25,7 Tagen je Fall dauerten sie mehr als doppelt so lang wie die der Durchschnittskranken mit 11,7 Tagen je Fall.
Doch nicht nur Arbeitnehmer sind von psychischen Krankheiten betroffen: Schon Kinder leiden unter ADHS, Jugendliche unter Angststörungen, die jungen Erwachsenen unter Depressionen unter anderem als Folgen von Alkoholmissbrauch. In diesem Zusammenhang weisen die aktuellen Daten der Krankenkassen auf eine alarmierende Zunahme des Alkoholkonsums hin. Die Häufigkeit...