Lieder | Frühstück in den Dünen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Lieder Frühstück in den Dünen

Roman
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-8437-1746-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1746-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Große Gefühle zwischen Darß und Bodden Nora, 35, ist erfolgreiche Fotografin und lebt mit ihrem Freund Phil im schönen Ahrenshoop. Das einzige, was Nora zu ihrem Glück noch fehlt, ist ein Kind. Leider will es nicht klappen. Auf einem Klassentreffen trifft sie ihre Jugendliebe Marco wieder, es kommt zu einer folgenreichen Nacht an der Ostsee. Als wäre das nicht genug, gibt Noras Vater ihr die Briefe ihrer verstorbenen Mutter. Sie offenbaren eine bittere Wahrheit, und Noras Bild von Familie wird in den Grundfesten erschüttert ...

Susanne Lieder wurde 1963 in Ostwestfalen geboren. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann auf einem kleinen Resthof in der Nähe von Bremen. Wenn sie könnte, würde sie sofort auf den Darß ziehen.
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1.


Ahrenshoop auf Fischland

Vier Tage. Vier Tage voller Bangen, Hoffen und Wünschen. An diesem Morgen betrachtete Nora sich prüfend im Spiegel. Sah sie anders aus als sonst?

Sie putzte sich die Zähne, wusch ihr Gesicht und band ihre langen Haare zu einem Zopf.

Da! War das nicht ein Ziehen in ihrem Unterleib gewesen? Nein, das musste sie sich eingebildet haben. Genau wie das kurze Unwohlsein gleich nach dem Aufstehen.

Allmählich werde ich paranoid …

War das ein Wunder?

Auf Zehenspitzen lief sie ins Schlafzimmer und öffnete leise die Schublade ihres Nachtschranks. Sie nahm das Blatt mit ihrer Temperaturkurve heraus und starrte sekundenlang darauf. Vier Tage …

Phil hatte ihr den Rücken zugedreht und schien noch fest zu schlafen.

Nora schlüpfte in Jeans und Shirt und ging in die Küche, um Frühstück zu machen. Am Stuhl hing ihre Handtasche. Komm schon, du weißt die Daten inzwischen auswendig …

Trotzdem holte sie ihren Taschenkalender heraus und blätterte ein paar Seiten zurück und gleich wieder vor. Nein, sie hatte sich nicht verrechnet. Natürlich nicht.

Mit einem leisen Seufzen steckte sie den Kalender zurück in die Tasche und stellte sich ans Fenster. Es war gekippt, und lautes Vogelgezwitscher drang ins Zimmer, genau wie das leise Rauschen der nahen Ostsee.

Die Toilettenspülung war zu hören, Phil war offenbar aufgestanden.

Sie wollte aufspringen und zu ihm laufen.

Vier Tage, Phil, vielleicht hat es diesmal geklappt …

Nein, sie würde es ihm nicht sagen. Noch nicht. Ein, zwei Tage würde sie noch warten.

»Morgen, Schatz.« Er stand in der Tür, das braune, leicht gelockte Haar zerzaust, die linke Wange gerötet. »Gut geschlafen?«

Sie nickte und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss zu geben. »Und du?«

»Wie ein Baby.«

Sie schluckte. »Kommst du frühstücken?«

»Ich ziehe mir nur schnell was an.«

Es war Samstag, und sie freuten sich auf ein ausgiebiges, gemütliches Frühstück.

Gedankenverloren betrachtete Nora den gedeckten Tisch und stellte sich vor, dass auch ein Kinderteller darauf stehen würde. Gleich neben ihrem Teller.

Ach verdammt, sie hatte sich doch verboten, über so etwas nachzudenken! Das hatte Zeit bis …

Phil kam wieder herein, und sie fuhr zusammen.

»Du siehst so nachdenklich aus.« Er schenkte ihr Kaffee ein. »Alles in Ordnung?«

»Klar. Worauf hast du heute Lust? Wir könnten faul am Strand rumliegen«, schlug sie vor.

Er biss in sein Marmeladenbrötchen und nickte. »Klingt gut. Ich muss nur erst noch ein paar Hefte korrigieren. Bis zum Mittag müsste ich aber durch sein.« Er legte das Brötchen auf den Teller. »Wirklich alles okay?«

Er sieht es mir an. Er sieht es mir immer an …

»Ja, wirklich, Phil«, antwortete sie mit Nachdruck.

»Hast du Lust auf Musik?« Er stand auf und ging zur kleinen Stereoanlage, die im Regal stand. »Wie wär’s mit Jazz? Oder lieber Pop?«

»Am liebsten wäre mir Radio.«

Sie hörten dem Moderator zu, der berichtete, wie sommerlich das Wetter in den kommenden Tagen werden würde.

»Ein Mai, der eigentlich ein Juli ist.« Phil zerknüllte seine Papierserviette. »Und mein erster Mai auf Fischland.«

Er war Stadtmensch durch und durch, und dennoch hatte er keine Sekunde gezögert, mit ihr hierherzuziehen.

Ihre Mutter war vor knapp einem Jahr nach längerer Krankheit und für ihre Familie trotzdem völlig überraschend gestorben. Als ihr Vater begonnen hatte, mehr zu schweigen, als zu reden, hatte Nora beschlossen, wieder nach Fischland zu ziehen, um in seiner Nähe sein zu können.

Dabei hatte sie in Berlin beruflich gerade Fuß gefasst, und privat hatten sie und Phil eine Menge Pläne gemacht. Es gab den Traum von einem kleinen Haus am Stadtrand, und sie wollten eine Familie gründen. Nora hätte ihrer Mutter gern ein Enkelkind geschenkt. Kinder waren ein Symbol für das Leben, und genau das sollte auch ihre Mutter: leben, gesund werden.

Sie waren zuversichtlich und optimistisch gewesen. Doch dann der Anruf ihres Vaters: Mama ist heute Nacht gestorben, Nora.

Dieser eine Satz hatte alles auf den Kopf gestellt und sämtliche Pläne von jetzt auf gleich zunichte- und damit völlig bedeutungslos gemacht.

Phil drückte ihre Hand. »Warum sagst du mir nicht, was los ist?«

»Ich musste nur gerade an meine Mutter denken.« Sie stand hastig auf. »Ich sehe mal nach meinem Vater.«

»Tu das.« Er seufzte. »Und ich erledige brav meine Pflichten als Lehrer.«

Ihr Vater wohnte nur ein paar Straßen entfernt.

Das Haus war inzwischen eigentlich viel zu groß für ihn allein, aber er hatte darauf bestanden, dass sie sich eine eigene Wohnung suchten. Ihr braucht Zeit und Platz für euch, hatte er gemeint, es wäre nicht gut, wenn wir drei ständig aufeinanderhocken.

Noch immer gab es Momente, wo Nora nicht glauben konnte, dass ihre Mutter nicht mehr da war. Es passierte, dass sie ihr Smartphone nahm, um sie anzurufen, oder dass ihr durch den Kopf ging: Das muss ich unbedingt Mama erzählen.

Die Sonne schien, es würde wieder ein warmer Tag werden.

Eine längere Autokolonne schob sich die Straße entlang.

Für gewöhnlich begannen die Touristenströme Mitte Mai und ebbten Ende September wieder ab.

Als Nora auf ihr Elternhaus zuging, wurde ihr bewusst, dass sie eine Hand auf ihren Bauch gelegt hatte. Ein vages, sehr flüchtiges Gefühl von Hoffnung vermischt mit Vorfreude durchströmte sie. Vielleicht hatte es diesmal ja wirklich geklappt.

Ihr Handy klingelte. Holger ruft an.

Sie hatten dieselbe Schule besucht, er war eine Klasse über ihr gewesen. Damals waren sie nicht befreundet gewesen, mittlerweile schon.

»Hallo, Nora. Alles klar?«

»Ja, und bei dir?«

»Alles bestens. Wo bist du gerade?«

»Auf dem Weg zu meinem Vater.«

»Ich würde gerne was mit dir besprechen. Kannst du vorbeikommen, dann können wir in Ruhe darüber reden?«

»Einverstanden. Sagen wir in zwei Stunden?«

»Gut, dann bis später.«

Ihr Vater stand bereits in der Tür, als sie den Weg entlangkam. »Morgen, Nora, wie schön.«

Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Tag, Paps. Gut geschlafen?«

»Einigermaßen. Zwei Katzen haben sich unter dem Fenster gebalgt. Irgendwann hab ich das Fenster aufgemacht und gebrüllt, dass ich ihnen die Ohren langziehe, da sind sie weggelaufen.«

Sie ging in die Küche. Offensichtlich war er gerade beim Frühstück. Wie immer war sie erleichtert, dabei hätte sie ruhig ein bisschen zuversichtlicher sein können. Er trauerte nach wie vor, das würde sich wahrscheinlich auch nie ändern, aber er blickte endlich wieder nach vorn. Optimistisch und zuversichtlich.

»Geht’s dir gut?«, fragte er sie.

Als Kind hatte sie geglaubt, er könne ihr direkt in den Kopf schauen und ihre Gedanken lesen.

»Ja, mir geht’s gut, Paps.«

Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Der Rasen war frisch gemäht, sogar die Terrasse war gefegt und zwei Töpfe mit roten Blumen standen darauf. »Hast du die selbst eingepflanzt?«

Er stellte sich neben sie. »Natürlich, oder dachtest du, dein alter Vater kann so was nicht?«

»Du kannst doch alles«, erwiderte sie und zwinkerte ihm zu. Als kleines Mädchen hatte sie auch das geglaubt. »Was sind das für Pflanzen?«

»Geranien. Halten einem die Fliegen vom Leib.«

»Dann will ich auch welche.«

»Ich habe noch zwei oder drei, die pflanz ich dir ein.«

»Das kann ich doch selbst machen, Paps.«

Er blickte sie belustigt an. »Ach ja? Ich dachte, bei dir gehen sogar die Kakteen ein.«

»Das stimmt. Den grünen Daumen hab ich leider nicht von Mama geerbt.«

»Warum kommt ihr morgen Abend nicht zum Grillen vorbei?«, schlug er vor. »Du könntest deinen berühmten Kartoffel-Gurken-Salat machen.«

Sie musste lachen. »Auch kochen konnte sie besser. Aber ich gebe nicht auf.«

Sie öffnete die Terrassentür und atmete den Duft von gemähtem Gras ein. Es erinnerte sie jedes Mal an ihre Kindheit.

Sie ging zu dem Kräuterbeet, das ihre Mutter vor ein paar Jahren angelegt hatte. Es wimmelte nur so von Hummeln und Bienen, auch ein paar Tagpfauenaugen flatterten umher.

»Der Borretsch blüht.« Ihr Vater hatte sich hinter sie gestellt. »Sonja hat manchmal kleine Sträuße gepflückt und im Haus verteilt.«

Nora bückte sich, um ein paar Stängel abzupflücken. Was schwierig war, die ersten hatte sie bereits völlig verbogen.

»Warte, ich hole ein Messer.« Ihr Vater verschwand im Haus.

Hier an diesem Kräuterbeet fühlte sie sich ihrer Mutter näher als irgendwo sonst. Sie ging zwar regelmäßig zum Friedhof, spürte dort aber nicht dieses intensive Gefühl.

Ihr Vater kam zurück und legte ihr ein kleines Messer in die Hand. »Pass auf, dass du dich nicht schneidest. Es ist frisch geschliffen.«

Sie schnitt vier kleine Stängel ab und roch daran. Auch dieser Geruch erinnerte sie an ihre Mutter.

»Wie geht’s Phil?«

Sie drehte sich zu ihrem Vater um. »Er korrigiert gerade Mathearbeiten.«

Er schmunzelte und legte ihr die Hand...


Lieder, Susanne
Susanne Lieder wurde 1963 in Ostwestfalen geboren. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann auf einem kleinen Resthof in der Nähe von Bremen. Wenn sie könnte, würde sie sofort auf den Darß ziehen.



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