E-Book, Deutsch, 180 Seiten
Reihe: Fischer Klassik Plus
Lessing Nathan der Weise
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-10-401899-7
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen
E-Book, Deutsch, 180 Seiten
Reihe: Fischer Klassik Plus
ISBN: 978-3-10-401899-7
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gotthold Ephraim Lessing, am 22. Januar 1729 in Kamenz geboren, studierte ab 1746 Theologie und ab 1748/49 Medizin in Leipzig und Wittenberg. Ab 1748 war er Theaterschriftsteller und Rezensent. 1750 begegnete er Voltaire, mit Moses Mendelssohn und Friedrich Nicolai war er eng befreundet. 1767 ging er als Dramaturg ans neu gegründete Nationaltheater nach Hamburg, 1770 wurde er Bibliothekar der Herzoglich-Braunschweigischen Bibliothek in Wolfenbüttel. Er starb am 15. Februar 1781 in Braunschweig. Lessing gilt als der wichtigste Dramatiker der deutschen Aufklärung.
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Erster Aufzug
Erster Auftritt
Szene: Flur in Nathans Hause.
NATHAN von der Reise kommend. DAJA ihm entgegen.
DAJA
Er ist es! Nathan! – Gott sei ewig Dank,
Dass Ihr doch endlich einmal wiederkommt.
NATHAN
Ja, Daja; Gott sei Dank! Doch warum ?
Hab ich denn eher wiederkommen wollen?
Und wiederkommen können? Babylon
Ist von Jerusalem, wie ich den Weg,
Seitab bald rechts, bald links, zu nehmen bin
Genötigt worden, gut zweihundert Meilen;
Und Schulden einkassieren, ist gewiss
Auch kein Geschäft, das merklich födert, das
So von der Hand sich schlagen lässt.
DAJA
O Nathan,
Wie elend, elend hättet Ihr indes
Hier werden können! Euer Haus …
NATHAN
Das brannte.
So hab ich schon vernommen. – Gebe Gott,
Dass ich nur alles schon vernommen habe!
DAJA
Und wäre leicht von Grund aus abgebrannt.
NATHAN
Dann, Daja, hätten wir ein neues uns
Gebaut; und ein bequemeres.
DAJA
Schon wahr! –
Doch Recha wär bei einem Haare mit
Verbrannt.
NATHAN
Verbrannt? Wer? meine Recha? sie? –
Das hab ich nicht gehört. – Nun dann! So hätte
Ich keines Hauses mehr bedurft. – Verbrannt
Bei einem Haare! – Ha! sie ist es wohl!
Ist wirklich wohl verbrannt! – Sag nur heraus!
Heraus nur! – Töte mich: und martre mich
Nicht länger. – Ja, sie ist verbrannt.
DAJA
Wenn sie
Es wäre, würdet Ihr von mir es hören?
NATHAN
Warum erschreckest du mich denn? – O Recha!
O meine Recha!
DAJA
Eure? Eure Recha?
NATHAN
Wenn ich mich wieder je entwöhnen müsste,
Dies Kind mein Kind zu nennen!
DAJA
Nennt Ihr alles,
Was Ihr besitzt, mit ebenso viel Rechte
Das Eure?
NATHAN
Nichts mit größerm! Alles, was
Ich sonst besitze, hat Natur und Glück
Mir zugeteilt. Dies Eigentum allein
Dank ich der Tugend.
DAJA
O wie teuer lasst
Ihr Eure Güte, Nathan, mich bezahlen!
Wenn Güt’, in solcher Absicht ausgeübt,
Noch Güte heißen kann!
NATHAN
In solcher Absicht?
In welcher?
DAJA
Mein Gewissen …
NATHAN
Daja, lass
Vor allen Dingen dir erzählen …
DAJA
Mein
Gewissen, sag ich …
NATHAN
Was in Babylon
Für einen schönen Stoff ich dir gekauft.
So reich, und mit Geschmack so reich! Ich bringe
Für Recha selbst kaum einen schönern mit.
DAJA
Was hilft’s? Denn mein Gewissen, muss ich Euch
Nur sagen, lässt sich länger nicht betäuben.
NATHAN
Und wie die Spangen, wie die Ohrgehenke,
Wie Ring und Kette dir gefallen werden,
Die in Damaskus ich dir ausgesucht:
Verlanget mich zu sehn.
DAJA
So seid Ihr nun!
Wenn Ihr nur schenken könnt! nur schenken könnt!
NATHAN
Nimm du so gern, als ich dir geb: – und schweig!
DAJA
Und schweig! – Wer zweifelt, Nathan, dass Ihr nicht
Die Ehrlichkeit, die Großmut selber seid?
Und doch …
NATHAN
Doch bin ich nur ein Jude. – Gelt,
Das willst du sagen?
DAJA
Was ich sagen will,
Das wisst Ihr besser.
NATHAN
Nun so schweig!
DAJA
Ich schweige.
Was Sträfliches vor Gott hierbei geschieht,
Und ich nicht hindern kann, nicht ändern kann, –
Nicht kann, – komm’ über Euch!
NATHAN
Komm’ über mich! –
Wo aber ist sie denn? wo bleibt sie? – Daja,
Wenn du mich hintergehst! – Weiß Sie es denn,
Dass ich gekommen bin?
DAJA
Das frag ich Euch!
Noch zittert ihr der Schreck durch jede Nerve.
Noch malet Feuer ihre Phantasie
Zu allem, was sie malt. Im Schlafe wacht,
Im Wachen schläft ihr Geist: halb weniger
Als Tier, bald mehr als Engel.
NATHAN
Armes Kind!
Was sind wir Menschen!
DAJA
Diesen Morgen lag
Sie lange mit verschlossnem Aug’, und war
Wie tot. Schnell fuhr sie auf, und rief: »Horch! horch!
Da kommen die Kamele meines Vaters!
Horch! seine sanfte Stimme selbst!« – Indem
Brach sich ihr Auge wieder: und ihr Haupt,
Dem seines Armes Stütze sich entzog,
Stürzt auf das Küssen. – Ich, zur Pfort’ hinaus!
Und sieh: da kommt Ihr wahrlich! kommt Ihr wahrlich! –
Was Wunder! ihre ganze Seele war
Die Zeit her nur bei Euch – und ihm. –
NATHAN
Bei ihm?
Bei welchem Ihm?
DAJA
Bei ihm, der aus dem Feuer
Sie rettete.
NATHAN
Wer war das? wer? – Wo ist er?
Wer rettete mir meine Recha? wer?
DAJA
Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage
Zuvor, man hier gefangen eingebracht,
Und Saladin begnadigt hatte.
NATHAN
Wie?
Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin
Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder
War Recha nicht zu retten? Gott!
DAJA
Ohn ihn,
Der seinen unvermuteten Gewinst
Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr.
NATHAN
Wo ist er, Daja, dieser edle Mann? –
Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen.
Ihr gabt ihm doch vors Erste, was an Schätzen
Ich euch gelassen hatte? gabt ihm alles?
Verspracht ihm mehr? weit mehr?
DAJA
Wie konnten wir?
NATHAN
Nicht? nicht?
DAJA
Er kam, und niemand weiß woher.
Er ging, und niemand weiß wohin. – Ohn alle
Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr
Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel,
Er kühn durch Flamm’ und Rauch der Stimme nach,
Die uns um Hülfe rief. Schon hielten wir
Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme
Mit eins er vor uns stand, im starken Arm
Empor sie tragend. Kalt und ungerührt
Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute
Er nieder, drängt sich unters Volk und ist –
Verschwunden!
NATHAN
Nicht auf immer, will ich hoffen.
DAJA
Nachher die ersten Tage sahen wir
Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln,
Die dort des Auferstandnen Grab umschatten.
Ich nahte mich ihm mit Entzücken, dankte,
Erhob, entbot,...