Leroux / Held | Die Königin des Sabbats | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 1, 248 Seiten

Reihe: Die Königin des Sabbats

Leroux / Held Die Königin des Sabbats

Band I

E-Book, Deutsch, Band 1, 248 Seiten

Reihe: Die Königin des Sabbats

ISBN: 978-3-7597-0908-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Fanatischer politischer Hass, kriminelle Energien und politisches Kalkül prägen den autoritär regierten Vielvölkerstaat "Austrasien". Unter Führung einer mysteriösen"Königin des Sabbats" bereiten ethnische Minderheiten einen Aufstand vor. Ausgangspunkt des Romans ist der im Prolog geschilderte Mord an dem moldawischen Fürsten Réginald Rakovitz-Yglitza: ein persönlicher Racheakt und zugleich eine politisch motivierte Hinrichtung, die verhindern soll, dass im Südosten Europas ein autonomer Staat der "bohémiens" (im Französischen synonym "Zigeuner" und "Böhmen") ausgerufen wird. Es entsteht ein weit gespanntes Netz undurchsichtiger Intrigen und Gegenintrigen. Groteske Gestalten und skrupellose Geschäftsreisende, unscheinbare Handwerksleute und gewissenlose Spitzel sind in die unheimlichen Begebenheiten verstrickt. Wie in seinem Erfolgsroman "Das Phantom der Oper" gelingt es Gaston Leroux, seine Leserschaft schon auf den ersten Seiten in den Bann zu schlagen. Mit der ihm eigenen Lust am Fabulieren hat der Autor einen fantastischen Mikrokosmos aus Sonderlingen, Außenseitern, gemeingefährlichen Militärs, Künstlern und Heroinen geschaffen. Zwischen Paris und Wien, zwischen Camargue und Schwarzwald, auf unterschiedlichen Schauplätzen und in wechselnden Konstellationen agieren zwielichtige Charaktere wie der "Uhrmacher" Baptiste, der namenlose "Regenschirmhändler", die uralte "Bäuerin des Schwarzwalds" oder auch der "parallelepipedische Zwerg" Magnus mit seinen fünf Gliedmaßen und der kleptomanisch veranlagte Petit-Jeannot. Die "Königin des Sabbats" ist eine Parabel auf die Habsburger Monarchie wie auf das zaristische Russland um 1900. Der Autor, der mit den politischen Verhältnissen in beiden Reichen gut vertraut war, beschreibt in fantasievoller Einkleidung die ethnischen Konflikte in Mittel- und Osteuropa, die das überkommene monarchische Gefüge zum Einsturz bringen werden. Entsprechend fehlt es der Erzählung nicht an historischen Schlüsselfiguren oder Anspielungen auf konkrete Begebenheiten wie etwa die Skandale um die Erzherzöge Friedrich und Albert, die Kaiserin Sissy, das "Verbrechen" in Mayerling u.a.m. Der multi-kulturelle Reigen, den die "Königin des Sabbats" anführt, ist ein Tanz auf dem Vulkan, der zu einem allgemeinen Totentanz zu eskalieren droht. Der Roman ist ein unterhaltsames Meisterwerk der französischen Literatur. Er liegt hiermit erstmals in deutscher Übersetzung vor.

Gaston Leroux (1868-1927), Studium der Rechtswissenschaft in Paris, bis 1893 als Anwalt tätig, zeitgleich literarische und journalistische Arbeiten, engagierter Kriminalberichterstatter für L'Écho de Paris und Le Matin (etwa über den Gerichtsprozess gegen den Anarchisten Auguste Vaillant oder über die Dreyfuss-Affäre), vehementer Gegner der Todesstrafe. Von 1896 bis 1906 Korrespondent in verschiedenen Ländern Europas, Afrikas und Asiens. Reportagen u.a. über die schwedische Antarktisexpedition von Nordenskjöld, den russisch-japanischen Krieg sowie über die Unruhen in Odessa, St. Petersburg und Marokko. 1907 erscheint mit "Le Mystère de la Chambre jaune" (dt. Das Geheimnis des gelben Zimmers) ein Kriminalroman, der zum Klassiker seines Genres avanciert. Dem deutschsprachigen Publikum ist Gaston Leroux vor allem durch seinen 1910 erschienenen Roman "Le Fantôme de l'Opéra" (dt. Das Phantom der Oper) bekannt geworden. Im selben Jahr publiziert Le Matin in 161 Folgen seinen Fortsetzungsroman "La Reine du Sabbat". Dieser "roman noir fantastique" ist "das absolute Meisterwerk" (Alain Fuzellier) des 1927 verstorbenen Autors, dessen Romane seit einigen Jahren in Frankreich eine Renaissance erleben.
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1. Kapitel
Réginald
Das Palais Royal schien geradezu menschenleer. Es war zwei Uhr nachmittags, und die klaren Strahlen der Herbstsonne vergoldeten die Stille des weitläufigen und zu dieser Stunde vollkommen verlassenen Gartens. Ein Schatten glitt an der Galerie der Rue des Bons-Enfants entlang, als auf dem Steinpflaster, das die kleine Geschäftsstraße säumte, die festen Schritte eines Mannes erklangen. Es war die Stunde der Mittagsruhe. Nicht ein einziges neugieriges Gesicht zeigte sich hinter den Fensterscheiben, um diesen einsamen Passanten in Augenschein zu nehmen, obwohl man seinen Aufzug als durchaus ungewöhnlich bezeichnen durfte. Ein schwerer, sorgfältig plissierter und mit scharlachrotem Futter versehener Mantel aus schwarzem Velours umhüllte ihn von Kopf bis Fuß; ein schwarzer Filzhut, dessen Vorderseite ein Veloursknoten und eine Silberschnalle im Stil des Directoire zierten, bedeckte einen Kopf, wie man ihn sich edler kaum hätte vorstellen können: ein Profil von königlicher Aristokratie, ein Gesicht, dessen matt-blasser Teint vom Feuer eines leuchtenden Blicks erhellt wurde. Es schien, als sei die ganze Gestalt des mysteriösen Unbekannten von einer äußerst heftigen Erregung erfasst. Er öffnete die Lippen und stieß seltsame Worte halblaut hervor, während seine Hände ein Papier zerknüllten, das er schließlich zerriss; die Fetzen warf er verächtlich in den Wind. Er hatte die Ecke zur Galerie d’Orléans erreicht; dort hielt er sich links und blieb schließlich in einem Gang des Palais vor der Auslage eines Uhrmachers stehen. Es war ein bescheidener Laden. Auf dem Schild stand: ›Monsieur Baptiste, Uhrmacher‹. Hinter dem Schaufenster erblickte man »Monsieur Baptiste« bei seiner Arbeit. Eine Lupe vor das eine Auge geklemmt, hatte er sich über einen Uhrenkasten gebeugt, der seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Auf einer Werkbank neben ihm lagen die Instrumente, die er für sein Handwerk benötigte: Radiernadeln, Eisenspitzen und Feilen. Im Schaufenster hingen einige Silberketten, einige Uhren sowie einige ›Zwiebeln‹. Die Auslage war armselig und keineswegs die eines Juweliergeschäfts. Der Mann stieß die Ladentür auf und trat ein. In diesem Moment war es genau zwei Uhr und zehn Minuten. Monsieur Baptiste blickte auf und zeigte dem Besucher sein ruhiges, von Falten durchzogenes und allem Anschein nach frühzeitig gealtertes Gesicht, das von einem mächtigen grauen Bart vollständig gerahmt wurde. »Guten Tag, Monsieur Baptiste«, sagte der Mann, indem er sich mit einer vornehmen Gebärde gleichwohl tief verbeugte. »Ihr seid nach wie vor bei guter Gesundheit?« »Bei bester Gesundheit ...«, antwortete der Uhrmacher, indem er seine Lupe ablegte und sich in seinem langen schwarzen Kittel aufrichtete. »Es geht mir ausgezeichnet ... und gerade heute, zu dieser Stunde, geht es mir ganz besonders gut ... Monseigneur kommen gewiss aufgrund seiner kleinen Bestellung? Wenn Monseigneur mir bitte folgen wollen ...« Während sie auf den hinteren Teil des Ladens zuschritten, hob ein Lehrling seinen Kopf, der die ganze Zeit in einem schattigen Eckchen über einen Tisch gekrümmt kleine stählerne Instrumente gereinigt hatte. Zweifelsohne war er neugierig, einen Kunden in diesem Laden zu erblicken, der in der Tat nur selten Kundschaft sah. »Willst du wohl arbeiten, du Taugenichts, du Faulenzer, du Bandit!«, rief der Uhrmacher und versetzte dem Kopf des Jünglings einen leichten Schlag, damit er sich wieder über seine Arbeit beugte. Der Besucher konnte sich eines mitleidigen Blicks auf den jungen Lehrling nicht erwehren, der nun unversehens ein überaus seltsames Schauspiel bot: Unter dem Schlag, der ihn traf, war er vom Sitz emporgeschnellt und streckte sich kerzengerade in die Luft wie einer jener federnden Hampelmänner, die, wenn man sie mit einem Faustschlag auf den Kopf traktiert, einen Satz aus ihrem Kasten machen und dabei in diabolische Zuckungen verfallen. Häufig strecken diese spiralförmigen Korkenzieherpuppen auch noch dreist die Zunge heraus; und tatsächlich zeigte auch der Lehrling dem Uhrmacher seine Zunge, deren kräftiges Scharlachrot seine vollkommene Gesundheit unter Beweis stellte, und nachdem er sich zu einer unglaublichen Länge gereckt hatte, wobei sein kleiner Jünglingskopf beinahe gegen das Deckengebälk gestoßen wäre, krümmte er sich wieder oder vielmehr: schrumpfte er regelrecht in sich zusammen und fiel auf seinen Sitz zurück. »Was ist denn das für ein seltsamer Mechanismus?«, fragte ›Monseigneur‹. »Ach, Monseigneur, das ist mein neuer Lehrling; er heißt Jeannot, ist keine sechzehn Jahre alt, misst zwei Meter fünfzehn und treibt seine Eltern zur Verzweiflung. Er wird zweifelsohne auf dem Schafott enden.« Genannter Jeannot beschränkte sich darauf, zum Zeichen seines Protestes mit den Ohren zu wackeln. Doch waren die beiden Männer bereits vor einer Tür angelangt, auf die offenbar ihr ganzes Interesse gerichtet war. Monsieur Baptiste öffnete sie mit einem Schlüssel, den er aus seiner Tasche zog. Daraufhin wurden einige Höflichkeiten ausgetauscht, doch war der Fremde partout nicht dazu zu bewegen, vor Monsieur Baptiste einzutreten. Sodann wurde die Tür wieder geschlossen. Sie befanden sich nun in einem engen Raum, der nur von einem einzigen Fenster erhellt wurde, einer Art Dachluke, die sehr hoch angebracht war und die ihre wenigen Lichtstrahlen auf ein großflächiges Gemälde fallen ließ, das die gegenüberliegende Wand nahezu vollkommen einnahm. Die restlichen drei Wände waren von oben bis unten mit Uhren von der Größe eines Fünf-Francs-Stücks bedeckt, die einander vollkommen zu gleichen schienen: Insgesamt waren es sicherlich dreihundert. Das Gemälde stammte aus einer guten Werkstatt und zeigte einen Exerzierplatz: Truppen einer ausländischen Nation in Paradeaufstellung, Generalstabsoffiziere, die in weiße Waffenröcke gekleidet an den Reihen entlanggaloppierten, an ihrer Spitze eine Persönlichkeit, die ihrer eindrucksvollen Erscheinung wegen und aufgrund des Respekts sowie der begeisterten Hochrufe der dargestellten Zuschauer zumindest den Rang eines Erzherzogs bekleiden musste. Im Vordergrund dieses hurrapatriotischen und zugleich sentimentalen Gemäldes war eine junge Schönheit dargestellt, welche die Augen starr auf den vorbeiziehenden Prinzen gerichtet hielt, dabei in Ohnmacht und geradewegs in die Arme ›ihrer in Tränen gebadeten Eltern‹ fiel. Sowie sie den Raum betreten hatten, vertiefte sich Monsieur Baptiste in die Betrachtung des Bildes, während der Besucher die Uhren in Augenschein nahm, die alle dieselbe Zeit – nämlich die korrekte Uhrzeit – anzeigten: Es war Viertel nach Zwei. Und genau in diesem Augenblick begannen alle gleichzeitig Zwölf zu schlagen. Weder Monsieur Baptiste noch sein Kunde zeigten sich jedoch im mindesten davon überrascht, diese Uhren unisono die Mittagszeit schlagen zu hören, obwohl es eigentlich Viertel nach Zwei war. Als das Getöse verstummte, nahm der Fremde eine der Uhren zur Hand und studierte sie aufmerksam. In die weiße Emaille des Ziffernblattes war eine rote Inschrift eingraviert: Jesus sei wie zu allen Stunden um Viertel nach Zwei deinem Herzen verbunden! Der Unbekannte steckte die Uhr in seine Tasche und fragte, indem er auf die anderen Uhren wies, welche dieselbe Inschrift in Blau trugen: »Liegt die Rechnung bei?« Monsieur Baptiste bejahte mit einem kurzen Kopfnicken. Er sah seinem Besucher jetzt direkt ins Gesicht, und in seinem traurigen Blick lag die Ahnung eines drohenden Unheils. »Réginald, sagte er, sind deine Leute bereit?« »Sie sind bereit und warten nur auf ein Zeichen.« »Sie sollen sich gedulden ... und du – sei vorsichtig.« Bei dieser Warnung fuhr der Mann zusammen, doch er erwiderte nichts. Monsieur Baptiste schüttelte den Kopf. Mit einem Seufzer fragte er: »Wirst du heute Abend hingehen?« »Ja«, antwortete Réginald mit belegter Stimme, »ja, ich gehe. Obwohl ich eine anonyme Warnung erhalten habe. Man lässt mich wissen, dass ich dort ermordet werden soll.« »Ja, du weißt, sie sind zu allem fähig! Nimm dich in Acht!« »Aber warum denn? Sie werden mich wohl nicht mitten im Salon ermorden.« »Sei auf der Hut und gehe bewaffnet hin!« »Aber gewiss doch: mit meiner Geige bewaffnet!«, entgegnete der Angesprochene stolz. Liebevoll ergriff Monsieur Baptiste seine Hände. Er unternahm einen letzten Versuch: »Réginald, wenn du nicht hingingest ...« Sein Gegenüber verfärbte sich wachsbleich. »Ihr wisst, dass ich sie seit zwei Jahren nicht gesehen habe«, erwiderte er, »lieber würde ich sterben.« Nunmehr verloren sie kein weiteres Wort. Sie begannen damit, die Uhren von den Wänden zu nehmen und in zwei auf dem Boden liegende Kisten...


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