Leopold | Anne Frank | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2939, 146 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Leopold Anne Frank


1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-406-79030-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 2939, 146 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-79030-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Anne Frank vertraute vom 12. Juni 1942, ihrem dreizehnten Geburtstag, bis zum 1. August 1944 ihrem Tagebuch an, wie sich ihre Familie zwei Jahre lang in einem Amsterdamer Hinterhaus vor den deutschen Besatzern versteckte. Sie erzählt von Ängsten, Hoffnungen und Plänen für die Zeit danach, vom spannungsreichen Alltag und der Not der Untergetauchten und beobachtet sich selbst, wie sie unter ganz besonderen Umständen erwachsen wird. Die anschauliche Einführung schildert auf dem neuesten Forschungsstand das kurze Leben der Anne Frank, die Umstände des Untertauchens und was wir über den Verrat, die Deportation und den Tod Anne Franks im Konzentrationslager Bergen-Belsen wissen. Nicht zuletzt erklärt das kleine Standardwerk die Bedeutung des Tagebuchs als historische Quelle, als ein Stück Weltliteratur und vor allem als ein Vermächtnis für uns alle.

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1. Frankfurt am Main, 1929–?1933
Die Familie
Das kurze Leben der Annelies Marie Frank begann am 12. Juni 1929 in Deutschland, in Frankfurt am Main. In den ersten Jahren lebte Anne mit ihren Eltern Otto und Edith und ihrer drei Jahre älteren Schwester Margot in einer geräumigen Wohnung am Marbachweg im Norden der Stadt. Beide Eltern kamen aus dem Milieu des liberalen Judentums. Annes Vater Otto Frank war 1889 geboren worden und in einer wohlhabenden Bankiersfamilie aufgewachsen. Seine Eltern wohnten im vornehmen Frankfurter Westend, einem Stadtteil, in dem etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung Juden waren. Frankfurt hatte nach Berlin die größte jüdische Gemeinde Deutschlands. 1930 lebten dort ungefähr 31.000 Juden, die rund sechs Prozent der 540.000 Einwohner ausmachten. Religion und jüdische Traditionen waren im Leben der Familie Frank nicht besonders präsent. Die Familie, in der Otto zusammen mit seinen Brüdern Robert und Herbert und seiner Schwester Helene («Leni») aufwuchs, beging jüdische Feiertage, aber auch das christliche Weihnachtsfest. Die Jungen feierten keine Bar Mizwa, und Otto besuchte auch nicht das Philanthropin, eine angesehene liberale jüdische Schule in Frankfurt, sondern wie sein Bruder Robert das öffentliche Lessing-Gymnasium. Die Franks fühlten sich jedoch der jüdischen Gemeinschaft zugehörig, und ihr religiöser Hintergrund spielte sicherlich auch innerhalb der Familie eine Rolle. Im Lessing-Gymnasium erhielten alle Schüler Religionsunterricht in ihrer Konfession. Otto Frank nahm am jüdischen Religionsunterricht des führenden Reformrabbiners der Frankfurter Hauptsynagoge, Caesar Seligmann, teil, der auch ein guter Freund seines Vaters war. Ansonsten aber fühlte sich Otto Frank in erster Linie als Deutscher. Er identifizierte sich mit dem deutschen Bürgertum und legte großen Wert auf deutsche Musik und deutsche Literatur, auch später bei der Erziehung seiner Töchter. In Interviews nach dem Krieg betonte er, dass die deutsche Identität vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten wichtig für ihn gewesen sei: «Sonst wäre ich ja sicher nicht im Ersten Weltkrieg deutscher Offizier geworden und hätte für Deutschland gekämpft.» Nach dem Abitur studierte Otto Frank ein Semester Kunstgeschichte in Heidelberg, darauf folgte eine Lehrzeit im Bankhaus Ferdinand Sander, und danach arbeitete er ein halbes Jahr lang als Volontär im Bankhaus L. M. Prince und im Warenhaus Macy’s in New York. Das Volontariat bei Macy’s hatte sich durch seine Freundschaft mit Nathan Straus Jr. ergeben, dem Sohn des Eigentümers von Macy’s, der wie er in Heidelberg studiert hatte und den er 1941 noch um Hilfe bitten würde bei seinem Versuch, in die Vereinigten Staaten zu emigrieren. Im Mai 1925 heiratete Otto Frank Edith Holländer aus Aachen. Kennengelernt hatte sich das Paar drei Jahre zuvor auf der Verlobung von Ottos Bruder Herbert, der 1922 eine Freundin Ediths aus Aachen geheiratet hatte. Die Familie von Anne Franks Mutter Edith war nicht orthodox jüdisch, doch erheblich religiöser und traditioneller als Ottos Familie. Ediths Vater und ihre Brüder Walter und Julius gehörten dem Synagogenvorstand an, die Familie besuchte jede Woche das Gebetshaus. Sie begingen den Schabbat und die jüdischen Feiertage und hielten sich an die jüdischen Speisegesetze. Bei der Trauung wurden die jüdischen Traditionen gewürdigt. Der achtundsiebzigjährige liberale Rabbiner Heinrich Jaulus aus Aachen, der auch Ediths Religionslehrer in der Oberschule gewesen war, segnete das Paar und hielt eine Ansprache. Edith gab nach der Hochzeit zwar einige jüdische Traditionen und Bräuche auf, darunter das koschere Essen, besuchte aber weiterhin jede Woche die Synagoge. Nach der Hochzeitsfeier in Aachen und einer Hochzeitsreise nach San Remo zogen Otto und Edith in die große Villa von Alice Frank, Ottos Mutter, im Frankfurter Westend. In Frankfurt führten Otto und Edith Frank anfangs ein komfortables Leben und gehörten zur wohlhabenden Mittelschicht. Otto war seit 1919 in der Leitung des von seinem Vater gegründeten und nach ihm benannten Bankhauses Michael Frank tätig. Außerdem leitete er ab 1927 die Sodener Mineralprodukte Gesellschaft, ein Unternehmen, das die Mineralquellen von Bad Soden nutzte und mit Hustenpastillen handelte. Auch diese Firma war längere Zeit im Besitz seines Vaters gewesen. 1926 wurde ihre erste Tochter Margot Betti geboren. Ein Jahr später zog die junge Familie in eine Doppelhaushälfte am Marbachweg 307 im heutigen Stadtteil Dornbusch um. Das am Stadtrand gelegene Neubauviertel war wesentlich weniger nobel als das Westend. Zudem gab es hier keine nennenswerte jüdische Gemeinschaft und nur wenige Unternehmer. Das Viertel war heterogen: Hier wohnten Katholiken, Protestanten und einige Juden, oft Angehörige der unteren Mittelschicht wie Beamte und Lehrer. Die Familie Frank lebte sich schnell in der neuen Umgebung ein und freundete sich mit den beiden katholischen Familien Naumann und Stab an. Die Familie Naumann war eine Lehrerfamilie, die im Nachbarhaus wohnte. Ihre Tochter Gertrud, die neun Jahre älter war als Margot Frank, hütete oft Margot und die 1929 geborene Anne. Gertrud korrespondierte später, nach der Emigration der Familie Frank in die Niederlande, regelmäßig mit Edith Frank und blieb ihr Leben lang eng mit Otto Frank befreundet. Auch zu den Nachbarn im Obergeschoss der anderen Haushälfte, der Familie Stab, hatten die Franks ein gutes Verhältnis. Margot spielte oft mit den älteren Nachbarstöchtern Hilde und Marianne. Hilde erinnerte sich, dass sie bei ihr zu Hause «Kirche» spielten und Margot dann als «Messdiener» auftrat. 1931 zog die Familie Frank in eine kleinere und günstigere Fünfzimmerwohnung im Erdgeschoss einer Villa an der Ganghoferstraße im sogenannten Dichterviertel um, doch die Freundschaft mit den alten Nachbarn blieb bestehen. Otto mit Margot und Anne, August 1931 Anne und Margot wuchsen in einem warmherzigen familiären Klima auf. In Interviews nach dem Krieg erinnerten sich ihre Freundinnen an Edith als eine etwas zurückhaltende, aber sanfte und freundliche Frau. Otto war ein engagierter Vater, der gern mit seinen Kindern spielte, ihnen vorlas und Geschichten erzählte. Vor allem zu Anne, erklärte er später, hatte er von Anfang an eine sehr intensive Beziehung. Ihr Vater und andere Familienmitglieder beschreiben Anne als ein fröhliches, lebhaftes Mädchen, wesentlich quirliger und kecker als ihre ältere Schwester Margot. In einem Interview nach dem Krieg betonte auch Kati Steger, die ehemalige Haushaltshilfe der Franks, den Unterschied zwischen den beiden Schwestern: «Margot war die Prinzessin. Sie war akkurat und nahm sich in acht, und wenn es nicht wegen der Wäsche gewesen wäre, so hätte sie ihre Kleidchen gut und gerne eine Woche lang tragen können (…) Doch die Anne war das gerade Gegenteil von Margot. Man mußte sie jeden Tag umziehen, mitunter zweimal am Tage.» Kati erinnerte sich, dass Anne an einem regnerischen Tag fröhlich mitten in einer Pfütze auf dem Balkon saß. Auch als Kati mit ihr schimpfte, machte sie keine Anstalten, aufzustehen. Sie war erst dazu bereit, als Kati versprach, ihr eine Geschichte zu erzählen. Ihr Vater Otto Frank beschrieb Anne später als «einen kleinen, eigenwilligen Rebellen». Von den Problemen und Sorgen, mit denen ihre Eltern und Verwandten konfrontiert waren, bekam Anne als kleines Mädchen nichts mit. Eine doppelte Krise
Anne Franks Geburtsjahr 1929 sollte ein wichtiger Wendepunkt in der deutschen Geschichte werden. Als Folge des Börsenkrachs an der Wall Street und verstärkt durch die noch immer fortwirkenden wirtschaftlichen Strafmaßnahmen des Versailler Vertrags geriet Deutschland Ende 1929 in eine schwere Wirtschaftskrise. Eine desaströse Geldpolitik führte zu massiver Inflation, die Ersparnisse von Millionen Deutschen lösten sich in kurzer Zeit in nichts auf. Zwischen 1929 und 1932 verlor jeder dritte Deutsche seinen Arbeitsplatz, Beamte mussten eine starke Kürzung ihrer Bezüge hinnehmen, ein Unternehmen nach dem anderen ging in Konkurs. Auch das Leben der Familie Frank wurde durch die wirtschaftliche Misere stark beeinflusst. Das durch den Börsenkrach von 1929 schwer getroffene Bankhaus Michael Frank befand sich 1932 am Rande des finanziellen Abgrunds. Dem Hustenpastillen-Unternehmen in Bad Soden erging es nicht anders. Am 2. April 1932 schrieb Otto Frank in einem Brief an seine Schwester und seinen Schwager in der Schweiz, Leni und Erich Elias, er sei kaum noch in der Lage, die täglichen Kosten aufzubringen. «Das Geschäft ist schlecht, man sieht nicht wohin...


Ronald Leopold, Historiker, ist Generaldirektor des Anne-Frank-Hauses in Amsterdam.



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