Lentz | Muckefuck / Molle mit Korn / Weiße mit Schuss | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 820 Seiten

Lentz Muckefuck / Molle mit Korn / Weiße mit Schuss

Die komplette Berlin-Trilogie
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95530-922-0
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Die komplette Berlin-Trilogie

E-Book, Deutsch, 820 Seiten

ISBN: 978-3-95530-922-0
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die bekannte Berlin-Trilogie von Georg Lentz erstmals in einem Band! Muckefuck Der erste Roman der grandiosen Berlin-Trilogie! Eine Jugend im Berlin der Nazi-Zeit: Karl Kaiser, von seiner Mutter liebevoll 'Menschlein' genannt, wächst in der Berliner Laubenkolonie 'Tausendschön' auf. Statt in Pfützen oder bei den Kaninchenställen zu spielen, sollen er und seine Freunde als Pimpfe Wichtiges für kriegerische Zeiten lernen, die angeblich bevorstehen. Zum Glück gibt es da den nicht ganz so linientreuen Vater von Karl, der ihn von den NS-Aktivitäten fernhält... Molle mit Korn Der zweite Roman der grandiosen Berlin-Trilogie! Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs sind zwar überstanden, doch Berlin liegt in Trümmern. Trotzdem pulsiert in der Laubenkolonie 'Tausendschön' das Leben. Denn mit viel Witz und Fantasie kann das 'Menschlein' Karl Kaiser den schweren Zeiten entkommen. Freundschaften, Liebesgeschichten und rauschende Feste bescheren ihm eine glückliche Zeit. Er weiß eben zu leben - und nicht bloß zu überleben... Weiße mit Schuss Auch dieser dritte Roman der grandiosen Berlin-Trilogie ist herrlich witzig und ein ganz klein wenig melancholisch! Die wilden Fünfziger haben endlich auch Berlin erreicht. Karl Kaiser und seine Kumpels aus der Laubenkolonie 'Tausendschön' genießen nun die 'Segnungen' des Wirtschaftswunders. Doch der Mauerbau, die Teilung Berlins gehört ebenso zu dieser Zeit ....

Georg Lentz wuchs in Berlin auf. Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung zum Verlagskaufmann. Er war im Verlagswesen und Kunsthandel tätig. 1952 gründete er in Stuttgart den auf Bilder- und Jugendbücher spezialisierten Georg-Lentz-Verlag. Lentz leitete den Verlag bis 1964. Danach arbeitete er als Verlagsleiter in Zürich und beim Verlag Carl Ueberreuter in Wien; daneben verfasste er einige Sachbücher. Lentz war seit 1971 Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland. Georg Lentz veröffentlichte ab 1976 eine sehr erfolgreiche autobiografische Romantrilogie, die aus den Bänden 'Muckefuck', 'Molle mit Korn' und 'Weiße mit Schuß' besteht und vor dem Hintergrund der Berliner Geschichte zwischen 1933 und 1959 spielt. Basierend auf den Büchern 'Muckefuck' und 'Molle mit Korn' wurde 1988 eine zehnteilige Fernsehserie mit dem Titel 'Molle mit Korn' produziert.
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Eines Tages gerieten wir in eine Zwangslage, weil neue Gesetze den Nachweis einer lückenlosen Ahnenkette verlangten. Und irgendwo, leider, befand sich da eine Lücke. So zog Minnamartha mir eine Rüschenbluse an und grüne Hosen, ließ mir die Ponys stutzen und führte mich ins fotografische Atelier. Viele Treppen waren zu erklimmen. Im Vorzimmer mit hellen Landhausmöbeln lagen Alben auf, Posen anbietend für Einzel- und Familienfotos. Herren stützen behandschuhte Hände auf kleine Tische. Damen saßen, Dutt oben auf dem Scheitel, kerzengerade in Lehnstühlen. Studenten gruppierten sich in vollem Wichs mit langen Pfeifen, vorn lagerten zwei auf ihren Ellbogen, und in der Mitte zeigte ein Wappenschild, dass es sich um Akademiker der Vereinigung Frankonia handelte. Wir aber, wir wollten Bestimmtes. Kopf im Halbprofil nämlich, zum Nachweis, dass kein Ohrläppchen angewachsen war, was immerhin auf unerwünschte Abstammung hingewiesen hätte.

Der Meister, im dunklen Anzug, führte uns unters Glasdach seines Ateliers, probierte Hintergründe, setzte mich auf einen Drehschemel. Legte Platten in den altmodischen Apparat ein. Unters schwarze Tuch verschwand der Operateur, verweilte dort merkwürdig lange. Dann aber kroch er wieder hervor, und mit der Hand auf jene Stelle deutend, wo ein ledernes Käppchen das Objektiv verschloss, behauptete er, dort komme ein Vögelchen heraus. Minnamartha lächelte mir ermutigend zu. Es kam kein Vögelchen, als der Meister die Kappe fortnahm und bis vier zählte. Aber ich hatte auch nicht ernsthaft damit gerechnet. Das Halbprofil, darauf kam es doch an!

Zwei Tage später bekamen wir die Abzüge, oval geschnitten, auf Passepartout geklebt und geschützt von einem Blatt feinsten Seidenpapiers. Das Ohrläppchen zeigte sich deutlich frei.

Ein zweiter Besuch folgte, bei einem Herrn, der mir riesige Zirkel an Stirn, Hinterkopf und Schläfen setzte, dann rechnete, und den Beweis mitgab, dass Karl Kaisers Schädelindex sich im Rahmen arischer Möglichkeiten bewegte.

In diesen Wochen trübte eine dumpfe Atmosphäre die sonst so fröhliche Stimmung in unserer Laube. Auch Minnamartha, erfuhr ich, hatte sich ähnlichen Prozeduren unterziehen müssen, denn bei ihr fehlte der Ahne. Sie nahm fünf Pfund ab, vergaß ihre Eieruhr aufzuziehen und litt unter tausend Augen, die in der Kolonie Tausendschön beobachteten, ob die Angelegenheit gut oder schlecht für uns ausgehen würde. Denn schnell hatte sich herumgesprochen, dass die Möglichkeit bestünde, Minnamartha und mich als nicht rasserein einzuordnen. Doch fotografische Platten und Zirkel rehabilitierten uns, wir bekamen unsere arische Anerkennung.

Ich kam in das Alter, in dem Kinder nützlich zu sein haben. Auch Jungen. Mädchen sind nützlicher. Sie spülen ab und polieren staubige Fußböden mit dem Mop. Mich hielt Ede an, im Garten Unkraut zu jäten, und weil ich das ungern tat, gab es darüber einige Auseinandersetzungen. Auf die Dauer blieb ich Sieger.

Doch kam die Zeit der Ernte heran, plumpste erst das Obst, so halfen keine Ausreden wie beim Unkraut. Hier hagelte es Landsberger Renetten. Dort wollten dicke, saftige Williams-Christ-Birnen dem Zugriff genäschiger Wespen entzogen sein. Die schlimmste Geißel jedoch, und damit begann die Erntezeit, waren drei Schattenmorellenbäume.

Sauerkirschen! Man kann ein Pfund davon essen oder zwei, oder auch zehn. Die Bäume aber lieferten Zentner. Minnamartha stellte ihre Uhr auf sechzig Minuten, Menschlein baggerte im Keller diesmal nicht Husarenstiefel aus, sondern ein gutes Dutzend Spankörbe, die im letzten Herbst dort unten verstaut worden waren, liftete die leicht verschimmelten, von Jahr zu Jahr mehr zertrümmerten, mit Strippe geflickten Behältnisse ans Tageslicht, und auf ging es zu den Bäumen, an denen die Sauerkirschen durchs Laub leuchteten. Bevor wir aber in die Bäume klommen, marschierte Alfons Reh ein, die zahme Dohle Jakob auf der Schulter.

»Mann«, sagte Ede, »später, später. Die Schattenmorellen sind reif. Wir müssen …«

»Weiß ich, weiß ich«, krächzte Herr Reh, und auch die Dohle sagte »weiß ich«, und dann meinte Herr Reh, Schattenmorellen gäbe es gar nicht.

Minnamarthas Uhr tickte, ich stand da mit den Körben und offenem Mund, die Dohle schaute unschuldig ins Gelände, und Herr Reh schnarrte los: »Was ihr meint, is ’ne Späte Amarelle, habe ick ooch, zwei Bäume. Ist noch massig Zeit zum Pflücken, da gehen doch die Stare nicht ran. An die sauren. Ich habe ja auch noch Büttners späte rote Knorpelkirsche, könn’se sich nich vorstellen, der Baum schwebt ja in de Luft, so viel Stare. Ick hebe immer den Tesching, denn haunse meistens ab. Aber kann ick den janzen Tach untern Kirschbaum sitzen? Ick dreh mir um, füttere Jakoben, der mach keine Kirschen, schon sind die Biester wieder da. Denn beißense in die Kirschen und schmeißen die mir ooch noch uffn Kopp. Son Ärger hat man mit späte Knorpelkirschen sage ick Ihnen. Ooch große Prinzessinkirsche habe ick, is derselbe Ärger. Nur früher. Allet schon jefressen. Wat machense denn mit de späte Amarelle?«

»Schattenmorelle«, korrigierte mein Vater sanft. Aber Herr Reh wollte davon nichts wissen, »Amarelle«, krächzte er, und »Amarelle« krächzte auch die Dohle Jakob.

Ede gab sich geschlagen. »Einwecken«, sagte er. »Aber nun müssen wir wirklich.«

»Einwecken, jut, jut«, meinte Herr Reh, oder jedenfalls verstanden wir seine Grobhobelgeräusche so. Dann ging er. Wir in die Bäume, eine Stunde sollten wir ja schon oben sein, Minnamarthas Uhr musste gleich klingeln.

Wenn wir mal beim Kirschenpflücken waren, gabs keine Ruhe, bis die Körbe voll oder die Bäume leer waren. Wir pflückten, zwanzig Minuten hingen wir im Grün, da bildete sich jenseits vom Zaun eine Volksversammlung. Wanda Puvogel stand da wie der Bismarckturm an der Havelchaussee, einen Finger in der Nase, und grinste. Drum herum Gigi, Häschen, sogar Irmchen, die nur selten ihren Garten verließ, aus Angst, es könnte donnern. Schließlich kam auch Ingrid, wie immer eine Hand unter dem Rock, und auch ein paar Erwachsene standen im Hintergrund.

Und alle grinsten. Oder lachten laut. Ingrid sang ihr Zitronenlied in passender Abwandlung, indem sie Zitrone durch Kirsche ersetzte. Sie sang: »Kürsche, Banane …«

Sie grinsten, sie lachten, tanzten auf dem Sandweg umher, und amüsierten sich wie Bolle aufm Milchwagen. Warum?

Schamrot, wie ich damals zwischen den Zweigen hing, erntend, erlebte ich Minnamarthas zweiten Tick. Wahrscheinlich hatte sie ihn durch jahrzehntelange Lektüre jener Kleingärtnerbibel entwickelt, die Das grüne Jahr hieß: Sie meinte, die Fruchtansatzknoten der Kirschbäume würden beschädigt, wenn man die Kirschen mit Stumpf und Stiel herunterriss. Ließ man andererseits die Stiele am Baum, hatte man Matsch im Körbchen.

Also verfiel meine Mutter auf die sinnreiche Idee, uns jedem eine – Schere in die Hand zu drücken, mit dem Befehl, die Kirschenstiele mittendurchzuschneiden! Solcherlei sprach sich herum, kaum zu glauben, das musste man gesehen haben! Und so ernteten wir Jahr für Jahr vor großem Publikum, schnapp, die Kirschen ins Körbchen, Gelächter draußen, Minnamartha ungerührt, manchmal klingelnd, Äste gefährdend, wenn sie sich trotz Übergewicht Kirschen schneidend in die Äste schwang, die blitzende Schere im Anschlag, Ede grinste, auf Hilfskräfte lauernd, die er zu locken suchte mit dem Satz: »Wir haben noch ’ne Schere.« Mit Erfolg fast immer, nach einiger Zeit, meistens schon kurz nach dem ersten Klingeln von Minnamarthas Zeitzerhacker, saßen ein paar Nachbarskinder mit in den Zweigen, Reservescheren schwingend, die nur einmal im Jahr benutzt wurden, bei der Kirschenernte eben, der Schattenmorellenabschneidung oder Einbringung der Späten Amarelle, falls Herr Reh recht hatte.

Diesmal bekamen wir Ingrid dazu, die ausnahmsweise beide Hände für eine ihr wenig normal erscheinende Tätigkeit benutzte. Ingrid schmückte ihre Ohren mit roten Kirschenohrringen, verschmierte sich den Mund mit rotem Saft und rotem Mus. Und auch das in etwa weiße Makohöschen Ingrids bekam rote Flecken, denn sie zerdrückte mit ihrem Mädchenpopo manche überreife Kirsche. Ingrid klomm von Ast zu Ast, blieb am Kirschbaumharz hängen, aus dem sich wundervolle weiche Bernsteinkugeln formen lassen, ihre langen braun gebrannten Beine und Arme stachen durchs grüne Laub, ihre Lippen schmausten Rotes und sie fragte: »Warum klingelt es denn hier?«

Minnamartha vermied es, diese Frage zu beantworten, von mir bekam sowieso niemand Auskünfte, schon gar nicht, wenn ich damit beschäftigt war, Schamröte zu bekämpfen oder wenigstens zu verbergen, Ede trug gerade volle Körbe zur Veranda. Ingrids Frage blieb im Kirschbaum hängen.

Wanda Puvogel stand vorm Gartenzaun, jetzt auf einem Bein, den gehobenen Fuß rieb sie an der Wade, und grinste dumm. Eine Doppelpackung Persil! Das stand noch auf dem Konto Wanda. Ich schmiss ihr eine faule Kirsche an den Kopf. Wanda tat, als habe sie es nicht bemerkt.

Weckgläser klaubte Minnamartha aus dem unergründlichen Keller unter der Veranda, der Weckapparat mit dem Thermometer, das oben im Deckel steckte, schnaubte und puffte, und gefüllt wanderten die Gläser wieder in den Keller. Auf Papierbögen häuften sich die Kirschkerne, denn selbstverständlich wurden die Schattenmorellen – lassen wir es nun einmal dabei, trotz Herrn Reh – entstielt und entsteint, bevor sie in die Gläser kamen. Wenn man die Kirschkerne knackte, fand man innen ganz kleine weiße Kerne, die angenehm bitter schmeckten. »Nach Blausäure«, sagte Ede. In Mengen genossen, soll das giftig sein.

Kirschen runter,...



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