E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Lembcke Aeskulaps Sudelbuch
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7481-0439-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vierter Band der Trilogie
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-7481-0439-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dass Unbekömmliches keine leichte Kost ist, versteht sich von selbst. Dass das hintergründige Ergründen gesellschaftlicher Verdauungsstörungen aber lohnend, bisweilen amüsant sein kann, beweist Bernhard Lembcke mit dieser essayistischen, nachdenklichen wie skurrilen Collage einmal mehr. Er schreibt. Über Moral und Morast und das bisweilen im gleichen (Ab)Satz, auf der Suche nach Substanz auch über deren Abnutzung und Risse. Eine subjektive wie subtile Beschreibung pittoresker Veduten gesellschaftlicher, politischer und menschlicher (Auf)Brüche, -diagnostisch, analytisch, vorwiegend assoziativ und nicht ohne das eine oder andere gedankliche Pflaster. Beileibe keine Therapie, sondern Hinweise auf deren Notwendigkeit. So ist der vierte Band der Trilogie, Aeskulaps Sudelbuch, denn auch vorwiegend ein konzentriertes, sprachliches Vollbad mit lakonischen Essenzen aus Philosophie, Erfahrung, Kultur und Kunst, eine Suada, die aktuelle Verkrustungen aufweicht und abträgt, mental-muskuläre Verspannungen lockert und emotionale Entspannung bei durchaus anstrengender Lektüre in der Kategorie des unsachlichen Sachbuchs verspricht. Streckenweise ernsthaft.
Bernhard Lembcke, Jahrgang 1953, blickt auf ein Leben als Arzt und Wissenschaftler zurück. Er war 1999 bis 2014 Chefarzt im Ruhrgebiet und steht als Professor für Innere Medizin am Universitätsklinikum Frankfurt in akademischer Verantwortung. Aufgewachsen in Niedersachsen, Studium der Humanmedizin in Göttingen (mit dem praktischen Jahr in Oldenburg). Wissenschaftlicher Assistent am Universitätsklinikum Göttingen, dort Promotion und Habilitation. Anschließend leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Frankfurt, dort 1994 apl. Professor. Als Managing Coeditor 1991-99 Mitherausgeber der Zeitschrift für Gastroenterologie. Auszeichnung durch das Asche-Forschungsstipendium der DGVS 1991 sowie den Silbernen Ehrenbecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe 2016. Bernhard Lembcke lebt und schreibt in Frankfurt; Aeskulaps Sudelbuch ist sein viertes Buch in seiner Kategorie als unsachliches Sachbuch: ein amüsantes ärztliches Bulletin zum Weltgeschehen und Haltung, Sinn und Unsinn.
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Inkunabeln meiner Schriftstellerei
Schriftsteller. Das sind jene Menschen mit den komplexeren Brüchen in ihren Biographien, die unsere Kultur geprägt haben, die unser Weltbild erweitern konnten, aber damit sicher auch die Rotationsachse unsere Weltanschauung veränderten. Das exzentrisch zu nennen, ist jedenfalls präzise. Bei der Musik ist es nur wenig anders. Begnadete Talente einerseits, manisch-depressive oder halluzinatorische Steigerung andererseits, Nerds der Musik. Schließlich auch zerstörte Existenzen durch Alkohol und Drogen. Die Liste der 27jährig am eigenen Lebenswandel zugrunde gegangenen, kontemporären Musiker ist lang, sehr lang. Heißt es deshalb Lebenswandel, weil es im Tod mündet? Für den Arzt beinhaltet diese Synchronie des Ablebens mit 27 Jahren, dass der Mensch solcher Intensität und Dauer der gewählten Zerstörungsmodalitäten einen Rest an Vitalität nur bis zu diesem Zeitpunkt (also etwa 10 Jahre) entgegenzusetzen vermag. Ihre Musik transportiert(e) ein tonales Vermächtnis ihrer Emotionen und Träume. Bücher, jedenfalls die nicht poetisch-träumerischen, transportieren demgegenüber noch deutlich mehr: das literarische Vermächtnis von Wissen und Erfahrungen. »Die halbe Wahrheit ist nichts wert«. (Stefan Zweig, 1881-1942). Wer den Eindruck gewinnt, ich schriebe über so viel, zu viel Negatives, möge sich mit zweierlei Sichtweisen anfreunden. Erstens: es könnte sein, dass es so sehr viel Negatives gibt. Dies zu ändern, setzt voraus, dass es ein Bewusstsein dafür gibt. Das setzt dann schriftstellerisches Hervorheben voraus, und das ist schon mal etwas Positives. Zweitens: wenn die Publikation negativer Befunde und Entwicklungen in einer Zivilgesellschaft zwischen zwei Buchdeckel passt, ist der gesamte Raum drumherum nicht oder weit weniger negativ oder aber sogar positiv besetzt. Und das ist mal eine formidable Erkenntnis, die es überdies erlaubt, sich mit dem vergleichsweise kurzen Buchtext als einem Extrakt des Negativen souverän auseinanderzusetzen. Berührung erfolgt dabei nicht durch den Verstand, Berührung erfolgt durch das Wort. Damit wäre eigentlich geklärt, dass „das Wort“ nicht gleichbedeutend mit „dem Verstand“ sein kann. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich Schriftsteller so abmühen, abmühen müssen, Worte und Verstand einander anzunähern. Schreiben, das ist dabei eine Metapher für das Gespräch mit der Universitas, ein kommunikatives Angebot an den großen irdischen Raum um den Schriftsteller, mit unendlichen, paradiesischen Freiheitsgraden, damit auch eine Offenbarung für Leser, für potentielle Leser, explizit auch eine Offerte für Nichtleser. Schreiben, das sind Gedanken zum Sein, die zum Bleiben bestimmt sind. Hormone des Lebens, deren Rezeptoren nach den Gesetzmäßigkeiten der Physiologie im Mangel an Angeboten eine besondere Affinität für derart botenförmige Mitteilungen entwickeln sollten, in der Überflutung aber durch eine Downregulierung an Sensibilität verlieren. So wurde aus dem Besonderen eine Reizüberflutung, weil wir uns durch Bücher, eBooks und vielfältige mediale Gewerke anderer Art in einen Rausch versetzen konnten, dessen bleibender Eindruck allein die Orientierungslosigkeit ist. So wurden wir unempfindlich für die Fülle eines guten Buches, empfinden Leere, wo wir die Lehren nicht mehr verstehen. Das inhaltlich Besondere wurde zur Äußerlichkeit allgemeiner Banalität. Orientierung setzt hier eine Persönlichkeit voraus, die womöglich aber erst die Folge einer persönlichkeitsbildenden Bildung sein kann. Und so, wie Glauben sich eines Papstes als Wegweiser und felsengleichen Petrus bedient, haben wir deshalb Literaturpäpste. Eine gewünschte Übertreibung, gewiss, sind sie doch mehr Wegweiser, nicht absoluter, sakrosankter Maßstab (auch wenn sich der eine oder andere so empfinden könnte und historisch der eine oder andere tatsächliche Papst dem mit ihm verbundenen Anspruch nicht gerecht geworden ist); Literatourguides, durchaus auch streitbarpluralistisch, und wohl deshalb treten sie auch im Plural auf. Für das Einhalten von Vorschriften haben wir die Polizei. Ansonsten, in der Musik, der bildenden Kunst und der Literatur, die hier mal das Genre des unsachlich erscheinenden Sachbuchs einschließen soll, haben wir Kritiker, die mal die Form, mal dem Inhalt, mal den Plot, dann wieder den Stil beargwöhnen und letztlich oft genug ihr eigenes Maßband des Verstehens und Geschmacks als Maß der Dinge betrachtend das Spektrum zwischen himmelhoch und bodenlos tief bedienen. Objektiv dargebotene Subjektivität, wahrgenommen als subjektiv dargebotene Objektivität. Das ist nun keineswegs eine bittersüße oder auch nur zarte Kritik meinerseits, es ist wahres Empfinden in womöglich wahren Worten eines mitunter wahren Sachverhalts, den ich als völlig normal betrachte, sogar als vorgegeben, solange nicht der Eindruck erzeugt und eingefordert wird, der lesende Kritiker wüsste mehr über die Intentionen des Autors als dieser selbst. Und selbst das kann vorkommen, schließlich ist das Erschließen innerer Geheimnisse durch die Betrachtung von außen und beiläufige Äußerungen der Zugang, dessen sich die Psychoanalyse bedient, aber das ist dann wohl doch eine Dimension, in die sich eine Rezension vielleicht zwar verstricken mag, die sie aber nicht beherrscht. Um etwas zur Persönlichkeit des Urhebers aus einem Werk herauszulesen, ist es für belastbares, psychoanalytisches Einfühlen ratsam und wohl auch Voraussetzung, die Person der Persönlichkeit zunächst einmal kennenzulernen. Ich schreibe, also bin ich. Gut, das mit dem Denken (cogito, ergo sum) sollte nicht vergessen werden, sonst wird das Buch zu einer Buchstabensuppe mit Einbanddecke, Blasphemie gegenüber Bildung, Hölle statt Paradies. Aber auch unsere Bildung ist nicht sakrosankt, und ich muss hier „unsere“ schreiben, weil Bildung eine feste Verankerung in Tradition und Historie aufweist. Es gibt weder volatile noch -abgesehen von der Herzensbildung- globale Bildung. Deshalb kann sie auch beständiger Erosion unterliegen, wie sie auch alltäglichen Angriffen durch Stumpfsinn und Bequemlichkeit ausgesetzt ist. Unsere Bildung blutet infolge (Blut)Verdünnung durch Verdummung, und dieser Blutverlust ist größer, als die Bemühungen, ihn zu kompensieren. In ihrer Anämie (Blutarmut) mag unsere Bildung bei oberflächlicher, historisierender Betrachtung vielleicht noch elegisch oder anmutig wirken, faktisch ist sie zweifellos schutz- und therapiebedürftig. Die kontemporär eindrucksvolle Blässe geht über jenen vornehmen Charakter hinaus, der Bildung viele Jahrhunderte kennzeichnete. Wohnte Anämie-bedingter Blässe einst ein steter Hauch subtiler Attraktivität inne, die Pheromon-frei Freigeister, freie Köpfe und offene Herzen erreichen konnte, formuliert das Diktat des Banalen heute in der Anämie die schattenhafte Adynamie präfinaler Morbidität. Das Verletzliche wurde zum Verletzten. Aber Lazarus (über)lebt. Es geht ihm nicht gut; unverstanden in den „bildungsfernen Schichten“ die einst ein hessischer Kultusminister Friedeburg zwar so zu benennen, aber nicht hilfreich zu konvertieren vermochte, und ungelitten in den Palästen des ökonomischen oder politischen Establishments. Beide präferieren den Anschein der bildenden Kunst wie auch das autochthon stimmig Erscheinende der Musik. Tragödien wie Dramen oder das reale Sein der Gegenwart reflektieren kaum hinreichend jenes Licht, in dessen Glanz sie sich sonnen könnten. Bildung braucht den Bauch des Bürgerlichen. Les Halles, die ehemals wunderschönen Markthallen der französischen Hauptstadt nannte man „den Bauch von Paris“. Und so, wie die hier zum Verbraucher, zu den Menschen gelangende Nahrung eine Voraussetzung für deren Existenz ist und Vitalität durch verführerische Sinnlichkeit vielfältiger Spezialitäten entstehen lässt, sind Kultur und Bildung eine Notwendigkeit, der Bauch humanistischer Existenz des Menschen. Sola dosis facit venenum, erkannte Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, dabei das Prinzip wie das Problem der Downregulierung. Er selbst war übrigens äußerst korpulent. Verlage verweisen seit geraumer Zeit auf eine existierende oder drohende ökonomische Schieflage, die ihre Existenz gefährdet. Gesellschaftlich nehmen wir gegebenenfalls eine Konzentration durch Aufkäufe, evtl. auch Pleiten wahr. Was wir nicht wahrnehmen, ist ihre inflationäre Zunahme durch Neu- und Ausgründungen über Jahrzehnte zuvor. Nicht nur bei Publikumsverlagen, auch und gerade bei Fachverlagen. Besonders deutlich wird dies in der Medizin. Es sind nicht 5 oder 10 Zeitschriften, die bedeutsam sind, es sind 20 bis 50, die innerhalb eines Fachgebietes wahrgenommen werden sollten unter etwa 1000, die für eine Publikation innerhalb dieses Fachgebiets ggfs. infrage kämen. Schon vor 50 Jahren gab es deshalb „Current...