E-Book, Deutsch, Band 419, 64 Seiten
Reihe: Alpengold
Leitner Alpengold 419
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-6381-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Zu lange ohne Zärtlichkeit
E-Book, Deutsch, Band 419, 64 Seiten
Reihe: Alpengold
ISBN: 978-3-7517-6381-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Stolz und unnahbar wirkt die schöne Michaela Kaltenegg auf die meisten Menschen, denn selbstbewusst hat sie nach dem Tod ihres Mannes die Leitung des großen Gutes übernommen. Niemand ahnt, dass Michaela sich in langen, einsamen Nächten verzweifelt nach Liebe und Zärtlichkeit sehnt.
Und dann scheint sich plötzlich ihre Sehnsucht zu erfüllen, als der fesche Bauer Patrick Derkonig ihr begegnet. Mit seinem verführerischen Lächeln und dem Blitzen seiner dunklen Augen entfacht er in Michaela eine nie gekannte Leidenschaft. In diesem Rausch der Gefühle ist sie taub gegen alle Warnungen, sich diesem Mann mit Haut und Haaren auszuliefern ...
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Zu lange ohne Zärtlichkeit
Eine einsame Frau stürzt sich in ein Abenteuer
Von Monika Leitner
Stolz und unnahbar wirkt die schöne Michaela Kaltenegg auf die meisten Menschen, denn selbstbewusst hat sie nach dem Tod ihres Mannes die Leitung des großen Gutes übernommen. Niemand ahnt, dass Michaela sich in langen, einsamen Nächten verzweifelt nach Liebe und Zärtlichkeit sehnt.
Und dann scheint sich plötzlich ihre Sehnsucht zu erfüllen, als der fesche Bauer Patrick Derkonig ihr begegnet. Mit seinem verführerischen Lächeln und dem Blitzen seiner dunklen Augen entfacht er in Michaela eine nie gekannte Leidenschaft. In diesem Rausch der Gefühle ist sie taub gegen alle Warnungen, sich diesem Mann mit Haut und Haaren auszuliefern ...
Das Kreischen der Säge mischte sich in die übrigen vorabendlichen Geräusche im Hochtal. Milcheimer schepperten, da und dort riss eine Kuh an der Kette, andere muhten unwillig darüber, jetzt schon heim in den Stall getrieben zu werden, obwohl es auf der Weide immer noch genügend saftig grüne Leckerbissen für sie gab.
Tagsüber hatte es geregnet, jetzt ragten die Bergspitzen rein und klar in den blassblauen Himmel, und nur am obersten Zacken des Blauhorns hingen noch ein paar letzte Wolkenfetzen.
St. Ulrich wurde noch von der Abendsonne beschienen. Weiter unten jedoch, im Tal, hatten die Schatten das Tageslicht bereits verschluckt. Fast schwarz wirkten die Tannen, und selbst das frische Grün der Buchen verschwamm in der dort beginnenden Dämmerung.
Der heilige Ulrich, der sich nach mühsam langer Wanderung dieses Fleckchen Erde zur Rast ausgesucht hatte, wie es die Sage überlieferte, hatte gut gewählt.
Es lag geborgen vor der schützenden Wand des sich erstreckenden Wernstein-Massivs und dem alles überragenden Blauhorn.
Gegen Westen zu wurden die Berge niedriger und liefen zum parallel sich hinziehenden Nachbartal hügelig aus.
St. Ulrich hatte eine gesegnete Lage im Schutz der Berge. Aber da die Eisenbahn von Markt Velldach ins andere Tal und nicht nach St. Ulrich heraufschnaufte, war es hier verhältnismäßig still geblieben.
Viele waren froh darüber, andere aber schimpften, dass der große Touristenstrom und damit das dicke Geld ausblieben.
Zu den Letzteren gehörte Patrick Derkonig vom Leitenhof. Er hatte den Spitznamen Halbleitner bekommen, und das hatte eine besondere Bewandtnis, die zugleich seinem Vetter Hannes den Namen Holzleitner eingetragen hatte.
»Mir langt's für heute, ich möcht' auch endlich Feierabend machen«, rief Patrick jetzt seinem Vetter zu, der die Säge bediente. »Klaub deine Bretter selbst zusammen, ich mag nimmer!«
Patrick warf das zuletzt geschnittene Brett auf einen Stapel und versetzte ihm, weil es nicht richtig liegen bleiben wollte, einen Fußtritt. Mürrisch sah der große, dunkelhaarige Mann vor sich hin.
»Ist ein Eilauftrag, Patrick, und du weißt doch, der Veit ist krank. Da könntest mir schon noch ein bisserl helfen«, rief Hannes Brandauer, der Holzleitner.
Patrick schüttelte den Kopf und knöpfte sein nassgeschwitztes Hemd über der Brust auf.
»Ist dein Auftrag und net meiner, Hannes! Ich hab' heute noch was vor, und da brauch' ich noch ein wengl von meiner Kraft, die mir bei der Schinderei hier sowieso schon abhandenkommen ist!« Jetzt grinste er, seine blendend weißen Zähne leuchteten, und in die auffallend dunklen Augen stieg ein unmissverständliches Funkeln.
»Also, schleich dich, du scharrender Gockel, und geh zu deinen Hennen, die's wahrscheinlich schon gar nimmer erwarten können«, spottete Hannes gutmütig. Er hatte die Säge abgestellt und reinigte das Blatt mit einer Handvoll Werg.
Patrick lachte immer noch. »Was die Hennen angeht, so irrst du dich ausnahmsweise, Hannes. Es ist nur eine. Und keine Henne, sondern ein ganz besonderes schlankes Gänschen.«
Hannes konterte: »Ein dummes, wenn's auf dich hereinfällt!«
»Eins, das mich mag und mir so viele goldene Eier legen wird, wie ich will«, rief Patrick noch im Weggehen.
Hannes Brandauer blieb zurück. Nun lag auch auf seinem meist ernsten Gesicht ein Lächeln. Er wunderte sich, wie schon so oft, dass er diesem Hallodri Patrick nicht ernstlich böse sein konnte, soviel dieser an kleineren oder größeren Sünden auch auf sein Konto häufte.
Hannes sicherte die Säge. Dann ging er in sein kleines Kontor neben dem Lagerschuppen und sah die Aufstellung durch, die der Weber vom Oberhof ihm dagelassen hatte.
Der holzverarbeitende kleine Betrieb und die Landwirtschaft vom Leitenhof über St. Ulrich gehörten den beiden Vettern Hannes Brandauer und Patrick Derkonig gemeinsam. Ihr Großvater Anton, der schlitzohrige Bauer auf der Leiten, wollte einen männlichen Nachkommen auf dem Hof sehen. Da ihm ein Sohn aber versagt worden war und zwei Töchter, die Mütter von Hannes und Patrick, seine Blutlinie fortführten, hatte er die Enkel eingesetzt. Seine Töchter hatte er ausbezahlt.
Leider war er ein bisschen zu früh gestorben, und daher waren die Grenzen zwischen den beiden Vettern vom Großvater nicht genau abgesteckt worden. Alles gehört ihnen zusammen – und das gab Schwierigkeiten.
Es bot sich an, dass Hannes alles übernahm, was mit dem Holz und der Säge zu tun hatte. Hannes Brandauer hatte nicht nur ein Gespür dafür, sondern auch eine solide Ausbildung als Möbelschreiner gemacht.
Patrick hingegen war der Zweitgeborene auf einem Weingut in der Südsteiermark. Ihm kam es gerade recht, nun der Erste in der Landwirtschaft des Leitenhofes in St. Ulrich zu sein.
Aber Großvater Anton hatte so eigenartig gewirtschaftet, wie er auch gelebt hatte. Er hinterließ von allem etwas. Weder eine große, einträgliche Landwirtschaft, noch einen umsatzstarken Sägebetrieb. Er hatte gekauft und verkauft, spekuliert, gewonnen und verloren – und schließlich hatte er seinen beiden Enkeln einen Fleckerlteppich vererbt, aus dem die beiden erst etwas machen mussten.
Hannes seufzte, als er nun daran dachte. Wie oft hatte es schon Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen gegeben. Manches Mal schon war Patrick, der Hitzköpfige, aufgebraust und hatte den Verkauf seines Anteils verlangt, damit er sich endlich selbstständig machen konnte und niemandem mehr Rechenschaft schuldig war.
Häufig war Hannes dann drauf und dran gewesen, diesem Verlangen nachzukommen. Aber wenn er sah, wie Patrick, der vier Jahre jüngere, beim Kartenspiel, bei Wetten oder gar einem ausgedehnten Stadtbummel mit irgendeinem Mädchen sein Geld vertat, dann scheute er davor zurück, dem Vetter Verantwortung zuzutrauen oder aufzubürden.
»Machen wir halt erst mal so weiter. Selbst ein Wildwasser gewöhnt sich schließlich an das ihm vorbestimmte Bett«, murmelte Hannes jetzt, schlug sein Auftragsbuch zu und stand auf.
Vor dem Wohnhaus sprang ihm Brinka, die schöne Setterhündin, freudig entgegen. Sie war außer einigen Kleinigkeiten und persönlichen Dingen das Einzige, was er aus seiner Heimat im oberbayerischen Murnau mitgebracht hatte. Das Einzige und zugleich das Wichtigste für ihn, der sich nicht so leicht an fremde Menschen anschloss.
»Jaja, schon gut, Brinka, wir laufen dann noch zusammen«, sagte Hannes mit seiner wohltönenden Stimme, die nicht nur im Kirchenchor, sondern auch in der täglichen Umgangssprache angenehm auffiel. »Jetzt tu nur net grad' gar so wild, willst mich ja förmlich umschmeißen! Zu viel Liebe verbrennt, und nachher bleibt nix mehr übrig!«
»Wer sagt denn so was Dummes? Von der Liebe kann's doch gar nicht genug geben – je mehr, desto besser«, widersprach Patrick Derkonig, der gerade aus dem Haus trat, seinem Vetter.
Er hatte sich umgezogen, trug zum grauen Anzug mit den grünen Aufschlägen und den schönen Hirschhornknöpfen ein blütenweißes Hemd und die seidene, altrosa Trachtenkrawatte. Sein braunes Haar war noch feucht und ringelte sich in üppige Locken. Das gebräunte Gesicht glänzte nach der sorgfältigen Rasur.
»Du musst es wissen, bist ja ständig auf der Pirsch nach dem zweibeinigen Wild«, brummte Hannes. »Das heißt, du hast ja von Geflügel geredet und nicht von Wild, wenn ich mich recht erinnere. Ein Ganserl soll dir zuflattern.«
Patrick zuckte mit den Schultern, über die er lässig die Jacke des Anzugs geworfen hatte.
»Hm, Ganserl ist in dem Fall net richtig, eher ein besonders prächtiger Goldfasan.«
»Prächtig sind bei den Fasanen nur die Männchen. Die Weibchen sind gesprenkelt und unscheinbar.«
Patrick lachte. »Dieses Weiberl net, verlass dich drauf, Hannes. Die ist was ganz Besonderes.«
»Alsdann, Waidmannsheil, Patrick! Bis morgen!«
»Da muss ich um fünfe schon fort zum Viehmarkt, damit ich günstig kaufen kann und du mir net wieder vorhältst, was ich alles leichtsinnig verwirtschafte. Die Milchvieh-Stückzahl muss stimmen, sonst bekommen wir keine staatlichen Subventionen. Ist schon ein Kreuz, dass wir nicht auf eine solche Sache umstellen, die dann zuverlässig mehr abwerfen könnte!«
»Was die eine Sache...




