Leimgruber / Spielberg | Lebendige Seelsorge 6/2024 | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 88 Seiten

Reihe: Lebendige Seelsorge

Leimgruber / Spielberg Lebendige Seelsorge 6/2024

Wie von Gott reden?
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-429-06690-1
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie von Gott reden?

E-Book, Deutsch, 88 Seiten

Reihe: Lebendige Seelsorge

ISBN: 978-3-429-06690-1
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung zeigt, dass sich immer mehr Menschen von einem traditionellen Gottesbild distanzieren oder damit nichts (mehr) anfangen können. Zugleich werden die ‚klassischen Codes‘ in Liturgie und Glaubenskommunikation genutzt. Wie also von Gott reden? Wie Erfahrungen als Erfahrungen mit Gott deuten? Explizit, um profiliert und erkennbar zu sein? Fluide, poetisch, weil es Gott und den Menschen eher entspricht? Oder besser von Gott schweigen? Darum geht es im neuen Heft der Lebendigen Seelsorge

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Die großen Wörter verflüssigen – oder: Von Gott reden in religiös indifferenten Zeiten Die aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hat gezeigt, dass sich immer mehr Menschen innerhalb wie außerhalb der Kirchen von einem personalen Gottesbild verabschieden. Mit dem schwindenden Verständnis der traditionellen Glaubenssprache und ihrer substanziell-behaftbaren Symbole, Metaphern und Bilder geraten auch deren performative Anwendungsformen in Liturgie, Verkündigung und persönlichem Gebet unter Druck. Was man seit langem weiß, lässt sich immer weniger verdrängen: Die Luft, die wir atmen, ist entgöttlicht, und unsere Organe passen sich dieser veränderten Atmosphäre an – bis tief in die Kirchen hinein. Joachim Negel Wie kann man da auf erhellende Weise von ‚Gott‘ sprechen, wie von ‚Gnade und Erlösung‘, ‚Auferstehung und Himmelfahrt‘, ‚Dreifaltigkeit‘, ‚Jungfrauengeburt‘, ‚unsterblicher Seele‘ und ‚Ewigem Leben‘? Soll man hiervon überhaupt noch reden, wo man doch selbst kaum versteht, was diese merkwürdigen Wörter meinen? Soll man von Gott nicht vielleicht besser schweigen, da kein menschliches Wort ‚Ihm‘ angemessen ist? Aber läuft man dann nicht Gefahr, ‚Ihn‘, ‚den Heiligen‘, zu verschweigen und damit am Ende auch vom Menschen nicht mehr viel zu sagen zu haben? Schließlich sind der christlichen Tradition zufolge die Rede von Gott und die Rede vom Menschen aufs Engste miteinander verzahnt. Wenn man von Gott nichts mehr zu sagen weiß, bleibt einem am Ende auch vom Menschen, diesem Bild und Gleichnis Gottes, nur noch eine Handvoll ausgelaugter Banalitäten zu sagen. FRESH X, RITUALDESIGN UND KINDERTAUFE OHNE GEBET
Kein Wunder, dass in dieser Situation überall nach neuen Formen der Glaubensverkündigung (sog. Fresh Expressions) gesucht wird: ‚Art in Church‘, ‚Kletterkirche‘, ‚Caféthrale‘ und ‚Social Baking‘, Politischem Nachtgebet, ‚ThomasMessen‘, ‚Working-Out Prayer‘, ‚Feierabendmahl‘ und was es der Ideen mehr gibt. Gerade die wachen und kreativen unter den Pfarrpersonen wissen um die Schwierigkeiten heutiger Glaubensverkündigung: „Schon jetzt wollen viele Menschen zwar kirchliche Rituale, dabei aber explizit keine Gebete mehr“ (Walti im Gespräch mit Buff 2024, 12), so Christian Walti (Jahrgang 1982), designierter Pfarrer auf der bedeutendsten Pfarrstelle der reformierten Schweiz, dem Zürcher Großmünster. Nur wie soll man eine Kindstaufe feiern, wie eine sakramentale Trauung und wie ein christliches Begräbnis, wenn man nicht beten will? Laufen die Kirchen zuletzt Gefahr, es ihrer Konkurrenz gleichzutun: den freischaffenden Riten-Designern, Hochzeitsgestaltern, Neugeborenenbewillkommnern und Trauerpredigern, die professionell jedem Kundenwunsch nachkommen und dies nicht selten besser machen als die Pfarrpersonen und Katecheten? Pfarrer Walti ist sich dieser Konkurrenz bewusst. „Er wolle den Menschen Zugang zu einer höheren Macht ermöglichen – selbst wenn sie nicht christlich seien“ (ebd.). Und so spricht er von „Seelsorge als sozialer Vernetzung“, „Trauerfeiern im Clownsgewand“ und dem Großmünster als „einzigartigem spirituellem Kraftort“ (Walti im Gespräch mit dem Kommunikationsteam der Altstadtkirchen Zürich 2024). Was dabei bis zur Unkenntlichkeit verblasst, sind die Inhalte des christlichen Bekenntnisses. Auf die Frage, wie es ihm gelinge, postmodernes Lebensgefühl und traditionelle Glaubenslehre „unter einen Hut“ zu bringen, gerät Christian Walti ins Schwimmen: „Die Lehre vom Sühnopfer zum Beispiel, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist […], will nicht recht zu meinen Glaubenserfahrungen passen. Ich will es aber auch nicht einfach wegschmeißen, nur weil ich selbst nicht dahinterkomme, was es bedeutet. Deshalb stottere ich halt lieber und suche für mich alternative Zugänge zum Kreuzestod, zum Beispiel, dass Jesus furchtbarste Qualen und Demütigungen kennengelernt hat und sich so mit den vielen Gequälten und Gefolterten solidarisiert. Das ist keine endgültige Antwort. Aber vielleicht sind bei vielen Dogmen Fragen ohnehin wichtiger als Antworten“ (ebd.). Joachim Negel Dr. theol. habil., Prof. für Fundamentaltheologie und Direktor des Instituts für Ökumenische Studien an der Universität Freiburg (Scheiz). AFFIRMATIVE VS. NEGATIVE THEOLOGIE
Auf der einen Seite ist das völlig richtig. Theologie treiben bedeutet, dass jede endlich und glücklich gefundene Lösung hundert neue Fragen hinter sich herzieht. Mit Gott kommt man eben an kein Ende, niemand wusste das besser als der heilige Augustinus: „Si comprehendis, non est Deus“ (Wenn du’s begriffen hast, ist es nicht Gott; Augustinus, Sermo 117, 3.5). Und doch gilt auf der anderen Seite, dass der Glaube nicht nur von Fragen leben kann; ab und zu hätte man ganz gerne eine Antwort, die trägt. Denn auch in der Theologie gilt: „Finden macht das Suchen leichter“ (Benyoëtz 2004). Und damit geraten wir vor eine grundsätzliche Problematik, die nur leider viel zu selten bedacht wird: Alle Theologie lebt aus der Dialektik von Affirmation und Negation, positivem Bekenntnis und ikonoklastischer Relativierung des im Bekenntnis Formulierten; letzteres aber nicht um der Destruktion willen, sondern aus einem elementar theologischen Anliegen: Quer durch die Relativierung beziehungsweise Bestreitung hindurch soll das positiv Affirmierte in seiner ganz anderen, göttlichen Qualität an den Tag kommen. Eben deswegen ist die bloße Affirmation zu bestreiten, da man ansonsten riskiert, auf naive Weise in ihr hängen zu bleiben. Um das, was hier gemeint ist, gleich am prominentesten Beispiel zu verdeutlichen: Das im Blick auf das Christusgeschehen formulierte Bekenntnis „Gott ist Liebe“ (1Joh 4,8) hat nur Sinn, wenn zugleich gilt, dass die in Christus offenbar gewordene Liebe Gottes noch einmal von ganz anderer Qualität ist als jene Liebe, die Menschen einander schenken; sonst wird es einfach nur kitschig. Kurzum: In aller noch so großen Ähnlichkeit zwischen Schöpfer und Geschöpf ist festzuhalten, dass die Unähnlichkeit zwischen ihnen immer noch einmal größer ist. Dietrich Bonhoeffer hat diese Zusammenhänge auf die griffige Formel gebracht: „Einen Gott, den ‚es gibt‘, gibt es nicht“ (Bonhoeffer 1988, 112). Bonhoeffer trifft hier den Punkt: Als Urgrund und Horizont aller Wirklichkeit kommt Gott in der Welt nicht vor. Gott isteinerseits kein empirisch bestimmbares Objekt, so wie etwa das Matterhorn oder der Bodensee empirisch bestimmbare Objekte sind. Andererseits (und Bonhoeffer als jemand, der auf geradezu bestürzende Weise geglaubt und gebetet hat, weiß dies genau) gilt auch: Ein Gott, der nicht existiert, ist völlig uninteressant! Wenn Gott nicht adressierbar ist; wenn da niemand ist, der, wenn ich bete, mich hört, dann mag Gott vielleicht eine interessante Idee sein, eine chimärische Ausblühung menschlichen Denkens oder eine Art transzendentaler Horizont. Aber vor ihm die Knie beugen kann man nicht, und etwas von ihm erwarten sollte man auch nicht. Was soll man von einer personifizierten Unbegreiflichkeit auch erwarten? Man muss die Fragen bis in diese Aporie getrieben haben, um ganz neu auf jene Frage zu stoßen, die da lautet: Wie überhaupt hat es zur Gottesidee kommen können? Wie zur einer ‚Idee‘, die nicht nur irgendwie ideal, transzendental, supranatural das menschliche Denken umrahmt, sondern der, wie die biblischen Zeugnisse einhellig bekennen, eine Wirklichkeitsdichte zu eigen ist, welche den Lebensgeschichten jener, die sich auf diese ‚Idee‘ einlassen, ihrerseits zu einer Wirklichkeitsdichte verhilft, die sich Menschen aus eigener Kraft nicht verschaffen können? – Kurzum: Was gibt ‚Gott‘ den Menschen zu denken? Wofür steht diese ‚Idee‘? Und was ändert sich, wenn Menschen sich von ihr und der Wirklichkeit, für welche sie steht, ergreifen lassen? JESUS VON NAZARETH ALS DURCHBRUCHSSTELLE DER GEGENWART GOTTES
Mit solchen Fragen gerät man auf die andere Seite des modernen Agnostizismus. Denn so sehr gilt: „Deus comprehendi nequit“, Gott kann nicht begriffen werden, weil er jenseits allen Begreifens ist (Augustinus, Enn. in Ps. 85, 12), so sehr gilt auch und zugleich das genaue Gegenteil: „Incomprehensibilis voluit comprehendi“ (Tomus Leonis cap. 4 (DH 294)), der Unbegreifliche wollte begriffen werden. Zentrum des christlichen Glaubens ist es, dass der unbegreifliche, unberührbare und unnennbare Gott, der alles, was ist, übersteigt, sich begreiflich, berühr- und benennbar gemacht hat, und dies auf eine Weise, die dem Menschen die angemessenste ist: in einer unverwechselbaren Lebensgeschichte, nämlich in der des Jesus von Nazareth (vgl. 1Joh 1,1-4; Joh 1,18;...


Ute Leimgruber, Dr. theol., Professorin für Pastoraltheologie und Homiletik
an der Universität Regensburg.

Bernhard Spielberg, Dr. theol., Professor für Pastoraltheologie und Homiletik
an der Universität Freiburg.



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