E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Lee Be Water, My Friend
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-492-60051-4
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Lehren des Bruce Lee
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-492-60051-4
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bruce Lee ist eine Ikone, weltbekannt für seine Kampfkünste und sein filmisches Vermächtnis. Aber er war auch ein zutiefst philosophischer Denker, der glaubte, dass Kampfsport mehr sei als nur eine Übung in körperlicher Disziplin - vielmehr sah er in ihm eine Metapher für persönliches Wachstum. In diesem Buch teilt Shannon Lee bisher unbekannte Anekdoten aus dem Leben ihres Vaters und all jene Ideen, die den Kern seiner Lehren bildeten. Jedes Kapitel enthüllt eine Lektion der legendären »Be Water«-Philosophie und nimmt uns so mit auf den Weg hin zu einer kraftvollen, ausgeglichenen Art des Seins.
Shannon Lee ist Schauspielerin und Unternehmerin. Als Kind lebte sie abwechselnd in Hongkong und L.A. Ihr Vater war der Martial-Arts-Filmstar Bruce Lee, er starb als seine Tochter gerade einmal vier Jahre alt war. Heute ist Shannon Lee Vorsitzende der Bruce Lee Foundation, die das Vermächtnis ihres Vaters verwaltet und ehrt.
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Einführung
Als ich heranwuchs, gab meine Mutter meinem Bruder und mir den Rat, niemandem zu erzählen, dass Bruce Lee unser Vater war. Sie sagte: »Die Leute sollen euch so kennenlernen, wie ihr seid, ohne dieses Wissen.« Es war ein toller Rat, und viele Jahre lang umschiffte ich das Thema auch so gut es ging in allen Gesprächen. Natürlich fanden meine Freunde es am Ende dann doch immer heraus, wenn sie zu Besuch kamen und die Familienbilder an den Wänden sahen. Allerdings hatte das bei den meisten kleinen Mädchen kaum mehr als ein interessiertes Schulterzucken zur Folge, bevor wir uns die Rollschuhe anzogen oder aufs Fahrrad stiegen. Doch als ich erwachsen wurde, hatte ich immer mehr das Gefühl, ich hätte etwas zu verbergen, und es wurde schwieriger, in Gesprächen auszuweichen, besonders nachdem ich die Verwaltung des Erbes meines Vaters übernommen hatte. Wenn ich mich den üblichen Einstiegsfragen wie »Und was machen Sie so?« oder »Wie sind Sie denn dazu gekommen?« entzog, kam ich mir vor, als würde ich bewusst irreführen, und das fühlte sich nicht gut an. Schließlich schäme ich mich ja nicht dafür, die Tochter von Bruce Lee zu sein – es ist mir eine Ehre. Ich muss allerdings sagen, die zum Teil überwältigenden Reaktionen der Leute zu erleben, das ist mitunter schon eine ganz schöne Herausforderung für mein Selbstwertgefühl. Vielleicht ist das ja der Grund, warum seine Philosophie der Selbstverwirklichung (ja, Bruce Lee war tatsächlich ein Philosoph!) in mir einen so starken Widerhall findet. Wie würdigt man angemessen die Gegebenheit seiner DNA und macht sich gleichzeitig bewusst, dass sie nichts über die eigene Seele aussagt? Oder doch? Nimmt man noch meinen Entschluss hinzu, einen Gutteil meines Lebens dem Schutz und der Förderung der Hinterlassenschaft eines Menschen zu widmen, der mir mein Leben geschenkt hat und der mir so unendlich viel bedeutet, dann werden Fragen nach Identität schon ziemlich verworren. »Was wissen Sie noch von Ihrem Vater?« Diese Frage höre ich immer wieder. Sie hat mich früher in arge Bedrängnis gebracht, weil ich sie nicht mit Bestimmtheit beantworten konnte. Als mein Vater starb, war ich erst vier Jahre alt, daher habe ich nicht viele eigene Geschichten oder umwerfende Lebensweisheiten, die er mir unmittelbar vermittelt hätte, so wie es die Menschen aus seinem Umfeld haben. Ich besitze auch keinen Brief, den er mir geschrieben hat. Wie könnte ich da begreiflich machen, dass ich trotzdem das Gefühl habe, ihn so durch und durch zu kennen? Wie sollte ich in Worte fassen, dass ich ihn auf eine Weise zu verstehen glaube, auf die selbst Menschen, die ihn »kannten«, ihn nicht verstanden haben? Ich bin allmählich dahintergekommen, dass diese Empfindungen – das Wissen um sein Wesen – meine Erinnerungen an ihn sind. Ich kenne ihn auf eine Weise, die ungetrübt ist von irgendwelchen Konflikten oder Verletzungen, Eifersüchteleien oder Rivalitäten oder auch von allzu schwärmerischen Vorstellungen. Ich weiß um seine Liebe, schlicht und ergreifend. Ich weiß darum, weil wir in unseren prägenden Jahren unsere Eltern über das erfahren, was wir mit unseren Sinnen aufnehmen. Bei den meisten Kindern ist ein ausgereiftes Erinnerungsvermögen erst sehr viel später als mit vier Jahren aktiv. Wir lernen erst mit der Zeit mithilfe unserer kulturellen Konstrukte das, was wir wahrnehmen, zu deuten und darauf zu reagieren. Deshalb schätzen wir Dinge als Kinder auch so oft falsch ein. Wir messen fälschlich Bedeutungen bei, weil wir gewisse Feinheiten nicht verstehen. Dazu fehlt uns noch die Lebenserfahrung. Doch die grundlegende Beschaffenheit der Dinge, die können wir sehr wohl ermessen, und das in mancherlei Hinsicht intensiver als unsere erwachsenen Gegenüber. Mein Vater hat mir all seine Liebe geschenkt, daran erinnere ich mich noch sehr deutlich. Ich erinnere mich an seine Wesensart. Ich erinnere mich an ihn. Mein Vater war auf vielerlei Weise ein wahrhaft außerordentlicher Mensch: intelligent, kreativ, gebildet, kompetent, ehrgeizig. Er arbeitete wirklich hart daran, alle Aspekte seiner Persönlichkeit zu verfeinern. Einmal sagte er: »Es mag nicht jeder glauben, aber ich habe Stunden darauf verwendet, alles, was ich tue, zu perfektionieren.« Er arbeitete nicht nur an der Ausformung seines Körpers, sondern auch daran, seinen Verstand zu formen, sich weiterzubilden, seine Techniken zu entwickeln, sein Potenzial auszubauen. Auch an den kleinen Dingen feilte er, etwa an einer schönen Handschrift oder einer grammatikalisch korrekten Sprache in Wort und Schrift; er versuchte, durch Witzeerzählen dem umgangssprachlichen Englisch näherzukommen; er lernte, Regie zu führen – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Damit legte er den Grundstein zu einem Vermächtnis, das auch siebenundvierzig Jahre nach seinem Tod noch von Bedeutung ist. Aber wenn ich durch die Anwendung seiner Philosophie eins gelernt habe, dann, dass man nicht Bruce Lee sein muss, um das Beste aus seinem Leben zu machen. Glaub mir. Für mich als seine Tochter war der selbst auferlegte Stress, auch nur zu einem Zehntel der Mensch zu sein, der er war, erdrückend, lähmend und beängstigend. Es hat mich schon mehr als einmal in meinem Leben an meine Grenzen gebracht. Aber in solchen Situationen hole ich tief Luft und rufe mir ins Gedächtnis: Bruce Lee will gar nicht, dass ich Bruce Lee werde. Gott sei Dank. Und auch du wirst in diesem Buch feststellen, dass Bruce Lees Wunsch für dich ist, die bestmögliche Ausprägung deiner selbst zu sein. Und das wird dann komplett anders aussehen als bei Bruce Lee, denn – na ja, du bist eben du. Und weißt du was? Auch Bruce Lee war in vielen Dingen überhaupt nicht gut. Er wusste kaum, wie man eine Glühbirne auswechselt oder Eier kocht. Ich möchte ihn mal gern bei dem Versuch sehen, IKEA-Möbel zusammenzubauen. (In meiner Fantasie ist das Teil am Ende völlig zersplittert, und der Inbusschlüssel ragt windschief aus der Wand heraus, gegen die er in tiefster Frustration geschleudert worden ist.) Aber davon mal abgesehen sollten seine Worte dich ermutigen, einen Prozess der Selbstverwirklichung zu erwägen, bei dem du ergründest, wer du eigentlich bist – bei dem du feststellst, wohin dein Potenzial dich zieht und wie du es ausbauen kannst. Daraus wird etwas zum Vorschein kommen, das genauso einzigartig, genauso strahlend, genauso erhebend und genauso energiegeladen sein wird, wie mein Vater es war, nur eben auf deine eigene Art. Und nicht nur das, am Ende wirst du ein zentriertes Gefühl der Bestimmung haben, das dir sehr viel mehr Seelenfrieden und Freude schenken wird. Genau deshalb habe ich schließlich mit der ganzen Sache angefangen. Es waren nicht die coolen T-Shirts (auch wenn die Shirts tatsächlich cool sind). Der Grund war, dass ich selbst von diesen Übungen und Worten tief berührt und geheilt wurde. Ich würde nicht einen so großen Teil meines Lebens dem Erbe meines Vaters widmen, wenn ich nicht ernsthaft der Meinung wäre, dass es meine Zeit und meinen Einsatz wert ist. Mir ist es wichtig, dass auch du diese zutiefst philosophische und inspirierende Seite meines Vaters so kennenlernst, wie ich sie kenne und erfahre. Und ich hoffe, dass du Gefallen findest an den Geschichten aus meiner Familie und dich vielleicht auch in der einen oder anderen selbst wiederfindest. Aber was qualifiziert mich überhaupt als deine Ratgeberin? Ich muss gestehen, dass ich weder Wissenschaftlerin bin noch Lehrerin oder Therapeutin, ja nicht mal ein Life Coach. Ich besitze keine Fachkenntnisse in irgendetwas außer Bruce Lee. Und selbst diese speziellen Kenntnisse basieren nicht auf einem umfassenden Wissen über Daten, Zeiten und Ereignisse. Meine Kompetenz besteht darin, dass ich ihn gekannt habe und von ihm geliebt wurde, dass ich dankbar dafür bin, dass es ihn gegeben hat, und auch darin, dass ich, so gut ich es vermag, nach seinen Worten lebe. Doch auch ohne jegliche Diplome und Fachkenntnisse habe ich dieses Buch als Mischung aus Anleitung, Allegorie und Offenbarung geschrieben. Denjenigen unter euch, die schon weit fortgeschritten sind auf ihrer spirituellen Reise, mag das Buch mitunter ein wenig schlicht vorkommen. Das ist Absicht. Meine Hoffnung ist, dass ein möglichst breites Spektrum von Menschen einen Zugang findet. Und je weiter du auf den Seiten voranschreitest, desto tiefgründiger werden die Botschaften. Ich hoffe, du wirst dranbleiben und ergründen, auf welchem Weg die Wasser fließen. Ich werde dir so gut ich kann die...