le Carré | Der Schneider von Panama | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

le Carré Der Schneider von Panama


Version 1.V01
ISBN: 978-3-8437-0842-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0842-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alle Romane von John le Carré jetzt als E-Book! - In Panama bahnt sich eine Verschwörung an, um den Panama-Vertrag zunichte zu machen. Dieser sieht vor, die Kontrolle über den Kanal 1999 den Panamaern zu überlassen. Der gutmütige Herrenschneider Harry Pendel wird von dem britischen Spion Andy Osnard gezwungen, für den Geheimdienst zu arbeiten. Er soll das amerikanische Militär ködern, die schmutzige Arbeit zu tun - nämlich Panama erneut zu besetzen und den Vertrag für null und nichtig zu erklären. Pendel verfolgt jedoch ein ganz anderes Ziel. Der Weltbestseller vom Meister des Spionagethrillers Große TV-Doku 'Der Taubentunnel' 20. Oktober 2023 auf Apple TV+

John le Carré wurde 1931 in Poole, Dorset geboren. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. 1963 veröffentlichte er Der Spion, der aus der Kälte kam. Der Roman wurde ein Welterfolg und legte den Grundstein für sein Leben als Schriftsteller. Die Veröffentlichung von Tinker, Tailor, Soldier, Spy markiert den nächsten Höhepunkt seiner Karriere. Seine Figur des Gentleman-Spions George Smiley ist legendär. Nach Ende des Kalten Krieges schrieb John le Carré über große internationale Themen wie Waffenhandel, die Machenschaften der Pharmaindustrie und den Kampf gegen den Terror. Der in Deutschland hochgeschätzte Autor wurde mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020. johnlecarre.com
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1


Es war ein vollkommen gewöhnlicher Freitagnachmittag im tropischen Panama, doch dann stapfte Andrew Osnard in Harry Pendels Laden, um sich Maß für einen Anzug nehmen zu lassen. Als er hereinkam, war Pendel noch der alte. Als Osnard dann wieder ging, war Pendel ein anderer. Dazwischen vergingen siebenundzwanzig Minuten auf der Mahagoni-Uhr von Samuel Collier, Eccles, einem der vielen historischen Gegenstände im Hause Pendel & Braithwaite Co., Limitada, Hofschneider, ehemals Savile Row, London, derzeit Via España, Panama City.

Beziehungsweise ganz in der Nähe. Der Via España so nahe, daß es keine Rolle mehr spielte. Der Kürze halber P & B genannt.

Der Tag begann pünktlich um sechs, als der Lärm von Bandsägen, Baustellen und Verkehr und der zackige Sprecher des Armeesenders Pendel aus dem Schlaf rissen. »Ich war nicht da, das waren zwei andere, sie hat mich zuerst geschlagen, und zwar mit ihrem Einverständnis, Herr Richter«, erklärte er dem Morgen aus einem vagen Gefühl drohender Bestrafung heraus. Dann fiel ihm der für halb neun angesetzte Termin mit seinem Bankdirektor ein, und er sprang im selben Augenblick aus dem Bett, als seine Frau Louisa »Nein, nein, nein« jammerte und sich die Decke über den Kopf zog, weil die Morgenstunden für sie am schlimmsten waren.

»Warum nicht zur Abwechslung mal ›ja, ja, ja‹?« fragte er sie im Spiegel, während er wartete, daß das Wasser warm wurde. »Ein bißchen mehr Optimismus könnte nicht schaden, Lou.«

Louisa stöhnte, doch ihr Leib unter dem Laken rührte sich nicht; also gönnte sich Pendel zur Hebung seiner Laune einen schnoddrigen Schlagabtausch mit dem Nachrichtensprecher.

»Der Oberbefehlshaber des US-Kommandos Süd hat gestern abend erneut betont, daß die Vereinigten Staaten ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Panama in Wort und Tat nachkommen werden«, verkündete der Nachrichtensprecher mit männlicher Majestät.

»Alles erstunken und erlogen, Lou«, gab Pendel zurück, während er sich das Gesicht einseifte. »Wenn’s nicht gelogen wäre, würden Sie’s nicht so oft wiederholen, stimmt’s, General?«

»Der Präsident von Panama ist heute in Hongkong eingetroffen, der ersten Station seiner zweiwöchigen Reise durch mehrere Hauptstädte Südostasiens«, sagte der Nachrichtensprecher.

»Achtung, jetzt kommt dein Boß!« rief Pendel und hob eine seifige Hand, um seine Frau aufmerksam zu machen.

»Er reist in Begleitung einer Gruppe von panamaischen Wirtschafts- und Handelsexperten, darunter sein Berater für die Zukunftsplanung des Panamakanals, Dr. Ernesto Delgado.«

»Gut gemacht, Ernie«, sagte Pendel beifällig und warf seiner ruhenden Frau einen Blick zu.

»Am Montag reist die Präsidentendelegation nach Tokio weiter, wo wichtige Gespräche über eine Ausweitung japanischer Investitionen auf der Tagesordnung stehen«, sagte der Nachrichtensprecher.

»Und diese Geishas werden gar nicht wissen, was da plötzlich über sie gekommen ist«, sagte Pendel mit gedämpfter Stimme, während er sich die linke Wange rasierte. »Wenn dein Ernie auf Beutezug geht …«

Mit einem Schlag war Louisa wach.

»Harry, ich will nicht, daß du so von Ernesto redest, nicht mal im Scherz, bitte.«

»Gewiß, meine Liebe. Tut mir schrecklich leid. Es soll nicht wieder vorkommen. Niemals«, versprach er, während er die schwierige Stelle unmittelbar unter den Nasenlöchern bearbeitete.

Aber Louisa war noch nicht zufrieden.

»Warum soll Panama nicht in Panama investieren können?« schimpfte sie, schlug die Decke zurück und richtete sich kerzengerade in dem weißen Leinennachthemd auf, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte. »Warum müssen das Asiaten für uns tun? Sind wir nicht reich genug? Haben wir nicht allein in dieser Stadt einhundertundsieben Banken? Warum können wir nicht unser Drogengeld nehmen und unsere Fabriken und Schulen und Krankenhäuser selber bauen?«

Das ›wir‹ war nicht wörtlich gemeint. Louisa war Bürgerin der Kanalzone, dort aufgewachsen, als die Zone durch den damals geltenden Knebelvertrag als für alle Zeiten amerikanisches Gebiet galt, auch wenn das Gebiet nur zehn Meilen breit und fünfzig Meilen lang war und links und rechts von den verachteten Panamaern bewohnt wurde. Ihr verstorbener Vater war bei einer Pioniereinheit gewesen und, als er an den Kanal versetzt wurde, vorzeitig aus dem Dienst geschieden, um als Angestellter der Kanalgesellschaft zu arbeiten. Ihre ebenfalls verstorbene Mutter hatte an einer der konfessionsgebundenen Schulen in der Zone als liberale Religionslehrerin gewirkt.

»Lou, du weißt doch, was man sagt«, antwortete Pendel; er zog ein Ohrläppchen hoch und schabte die Stoppeln darunter ab. Er rasierte sich, wie andere Leute Bilder malen, er liebte seine Tuben und Pinsel. »Panama ist kein Land, sondern ein Kasino. Und wir kennen die Kerle, die es führen. Du arbeitest schließlich für einen von denen.«

Er hatte es wieder getan. Wenn er ein schlechtes Gewissen hatte, war er ebenso charakterschwach wie Louisa, wenn es ums Aufstehen ging.

»Nein, Harry, das ist nicht wahr. Ich arbeite für Ernesto Delgado, und Ernesto ist nicht einer von denen. Ernesto ist ein anständiger Mensch, er hat Ideale, er kämpft für Panamas Zukunft als freies und souveränes Mitglied im Kreis der Nationen. Im Gegensatz zu denen ist er nicht auf Beute aus, er will nicht das Erbe seines Landes verschachern. Und deshalb ist er etwas Besonderes, ein sehr, sehr ungewöhnlicher Mensch.«

Heimlich beschämt, drehte Pendel die Dusche an und prüfte mit einer Hand das Wasser.

»Der Druck ist mal wieder weg«, sagte er munter. »Das haben wir davon, daß wir auf einem Hügel wohnen.«

Louisa stieg aus dem Bett und zerrte sich das Nachthemd über den Kopf. Sie war groß und schmalhüftig, hatte langes, widerspenstiges Haar und die hoch angesetzten Brüste einer Sportlerin. Wenn sie sich einmal vergaß, war sie eine Schönheit. Aber sobald sie sich ihrer selbst wieder bewußt wurde, ließ sie die Schultern hängen und machte ein mürrisches Gesicht.

»Ein einziger guter Mann, Harry«, fuhr sie fort, während sie ihr Haar in die Duschhaube stopfte. »Mehr ist gar nicht nötig, um dieses Land in Schwung zu bringen. Ein einziger guter Mann von Ernestos Kaliber. Wir brauchen keine Redner mehr, keine Egomanen, sondern bloß einen einzigen moralisch handelnden Christen. Einen einzigen anständigen, fähigen Verwalter, der nicht korrupt ist, der Straßen und Kanalisation erneuert, der etwas gegen Armut und Verbrechen und Drogenhandel unternimmt und den Kanal instandhält und nicht an den Meistbietenden verhökert. Ernesto möchte aufrichtig dieser Mann sein. Es steht dir nicht zu, es steht niemandem zu, schlecht von ihm zu reden.«

Rasch, aber mit der ihm eigenen Sorgfalt, zog Pendel sich an und eilte in die Küche. Die Pendels hatten zwar wie alle anderen gutbürgerlichen Bewohner Panamas mehrere Dienstboten, aber das Frühstück mußte nach strenger alter Sitte vom Oberhaupt der Familie zubereitet werden. Pochiertes Ei auf Toast für Mark, Bagel mit Rahmkäse für Hannah. Dazu sang Pendel gutgelaunt Stellen aus dem Mikado, denn er liebte die Musik. Mark saß schon angezogen am Küchentisch und machte seine Hausaufgaben. Hannah mußte aus dem Bad gelockt werden, wo sie besorgt einen Makel an ihrer Nase untersuchte.

Dann Hals über Kopf gegenseitige Vorwürfe und Abschiedsrufe, als Louisa angekleidet, aber reichlich spät zur Arbeit bei der Panamakanal-Kommission aufbricht und zu ihrem Peugeot rennt, während Pendel und die Kinder in den Toyota steigen und die Hetzjagd zur Schule antreten, links, rechts, links den steilen Hang zur Hauptstraße hinunter, wobei Hannah ihr Bagel verspeist und Mark in dem holpernden Geländewagen mit den Hausaufgaben kämpft und Pendel sich wegen der Hektik entschuldigt, aber Kinder, ich habe einen frühen Termin mit den Jungs von der Bank, und insgeheim wünscht, er hätte sich seine abfälligen Bemerkungen über Delgado verkneifen können.

Dann ein Spurt auf der falschen Fahrspur, zu verdanken dem morgendlichen operativo, der den stadteinwärts fahrenden Pendlern die Benutzung beider Spuren erlaubt. Dann in lebensgefährlichem Gekurve durch aggressiven Verkehr in engere Straßen hinein, vorbei an amerikanisch anmutenden Häusern, die ihrem eigenen sehr ähnlich sehen, und hinein in das aus Glas und Plastik gebaute Dorf mit seinen Charlie Pops und McDonald’s und Kentucky Fried Chickens und dem Rummelplatz, wo Mark sich am vorigen 4. Juli nach der Attacke eines feindlichen Autoskooters den Arm gebrochen hatte – und als sie ins Krankenhaus gekommen waren, hatte es dort von Kindern mit Brandwunden von Feuerwerkskörpern gewimmelt.

Dann ein Pandämonium, als Pendel nach einem Vierteldollar für den schwarzen Jungen sucht, der an einer Ampel Rosen verkauft, dann wildes Winken aller drei, als sie den alten Mann passieren, der seit sechs Monaten an derselben Straßenecke steht und mit demselben Schild für zweihundertfünfzig Dollar einen Schaukelstuhl zum Verkauf anbietet. Dann wieder durch Nebenstraßen, Mark wird heute als erster abgesetzt, und weiter durch das stinkende Inferno der Manuel Espinosa Batista, vorbei an der National-Universität, wehmütige Blicke auf langbeinige Mädchen in weißen Blusen und mit Büchern unterm Arm, Pendel grüßt die kitschige Pracht der Kirche del Carmen – guten Morgen, lieber Gott –, überquert todesmutig die Vía Espana, verschwindet mit einem Seufzer der Erleichterung in der Avenida Federico Boyd, gelangt durch die Vía Israel auf die San...


le Carré, John
John le Carré, 1931 geboren, schrieb über sechs Jahrzehnte lang Romane, die unsere Epoche ausloten. Als Sohn eines Hochstaplers verbrachte er seine Kindheit zwischen Internat und Londoner Unterwelt. Mit sechzehn ging er an die Universität Bern (Schweiz), später dann nach Oxford. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. Während seiner Dienstzeit veröffentlichte er 1961 seinen Erstlingsroman Schatten von Gestern. Der Spion, der aus der Kälte kam, sein dritter Roman, brachte ihm weltweite Anerkennung ein, die sich durch den Erfolg seiner Trilogie Dame, König, As, Spion, Eine Art Held und Agent in eigener Sache festigte. Nach dem Ende des Kalten Krieges weitete le Carré sein Themenspektrum auf eine internationale Landschaft aus, die den Waffenhandel ebenso umfasste wie den Kampf gegen den Terrorismus. Seine Autobiografie Der Taubentunnel erschien 2016, Das Vermächtnis der Spione, der abschließende Roman um George Smiley, 2017. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020.

John le Carré, 1931 geboren, studierte in Bern und Oxford. Er war Lehrer in Eton und arbeitete während des Kalten Kriegs kurze Zeit für den britischen Geheimdienst. Seit nunmehr fünfzig Jahren ist das Schreiben sein Beruf. Er lebt in London und Cornwall.



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