le Carré | Der heimliche Gefährte | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 8, 399 Seiten

Reihe: Ein Smiley-Roman

le Carré Der heimliche Gefährte

Roman
Version 1.V01
ISBN: 978-3-8437-0851-7
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 8, 399 Seiten

Reihe: Ein Smiley-Roman

ISBN: 978-3-8437-0851-7
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alle Romane von John le Carré jetzt als E-Book! - Das besondere Lesevergnügen für alle le Carré-Fans: In dieser Abrechnung mit der Zeit des Kalten Kriegs kommt auch der legendäre Geheimdienstchef George Smiley wieder zum Einsatz. Als der britische Agent Ned sich durch die politischen Umwälzungen nach dem Fall der Mauer gezwungen sieht, sich der eigenen Verantwortung zu stellen, taucht er ab in die Schattenwelt des Kalten Krieges, in der er mit George Smiley zusammengearbeitet hat. Bei ihren Nachforschungen fördern die beiden alten Kämpen Erstaunliches zu Tage. »Der Höhepunkt des Agententhrillers.« New York Times Große TV-Doku 'Der Taubentunnel' ab 20. Oktober 2023 auf Apple TV+

John le Carré wurde 1931 in Poole, Dorset geboren. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. 1963 veröffentlichte er Der Spion, der aus der Kälte kam. Der Roman wurde ein Welterfolg und legte den Grundstein für sein Leben als Schriftsteller. Die Veröffentlichung von Tinker, Tailor, Soldier, Spy markiert den nächsten Höhepunkt seiner Karriere. Seine Figur des Gentleman-Spions George Smiley ist legendär. Nach Ende des Kalten Krieges schrieb John le Carré über große internationale Themen wie Waffenhandel, die Machenschaften der Pharmaindustrie und den Kampf gegen den Terror. Der in Deutschland hochgeschätzte Autor wurde mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020. johnlecarre.com
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2


Es gibt Leute«, erklärte Smiley behaglich und schenkte dem hübschen Mädchen vom Trinity College in Oxford, das ich mit Bedacht ihm gegenüber am Tisch plaziert hatte, ein Lächeln, »die, wenn ihre Vergangenheit bedroht wird, Angst bekommen, alles zu verlieren, was sie gehabt zu haben glaubten, und womöglich auch noch alles, was sie gewesen zu sein glaubten. Ich empfinde das ganz anders. Der Zweck meines Lebens hat darin bestanden, der Zeit, in der ich lebte, ein Ende zu machen. Sollte demnach meine Vergangenheit noch heute bestehen, könnte man sagen, ich sei gescheitert. Aber sie besteht nicht mehr. Wir haben gewonnen. Nicht daß der Sieg auch nur einen Pfifferling wert ist. Und womöglich haben wir auch gar nicht gewonnen. Vielleicht haben die anderen bloß verloren. Oder vielleicht fangen unsere Schwierigkeiten erst an, nachdem wir jetzt die Fesseln des ideologischen Konflikts abgestreift haben. Aber was soll’s. Wichtig ist nur, daß ein langer Krieg vorbei ist. Wichtig ist die Hoffnung.«

Er nahm sich die Brille von den Ohren und fummelte zerstreut an seiner Hemdbrust herum; er schien etwas zu suchen, aber was, erkannte ich erst ein wenig später: das breite Ende seiner Krawatte, an dem er seine Gläser zu putzen pflegte. Doch eine linkisch gebundene Frackschleife hat dergleichen Annehmlichkeiten nicht zu bieten, also benutzte er statt dessen das seidene Tüchlein aus seiner Brusttasche.

»Wenn ich überhaupt etwas bedaure, dann auf welche Art wir unsere Zeit und Fähigkeiten vergeudet haben. All diese Sackgassen, diese falschen Freunde, diese Verschwendung unserer Energie. All die Selbsttäuschungen, denen wir uns hingegeben haben.« Er setzte die Brille wieder auf und lächelte, wie ich mir einbildete, nun mich an. Und plötzlich kam ich mir vor wie einer meiner Schüler. Die sechziger Jahre waren wieder da. Ich war ein gerade flügge gewordener Spion, und George Smiley – der tolerante, geduldige, schlaue George – wachte über meine ersten Flugversuche.

Damals kamen einem die Tage länger vor, und wir waren gute Kameraden. Wahrscheinlich nicht bessere als meine Schüler heute, aber unsere patriotischen Vorstellungen waren weniger nebelhaft. Am Ende meines Einführungslehrgangs war ich bereit, die Welt zu retten, und wenn ich sie von einem Ende zum anderen hätte ausspionieren müssen. Bei meiner Rekrutierung waren wir zu zehnt, und nach zwei Jahren Ausbildung – im Kindergarten von Sarratt, in den Schluchten von Argyll und auf den Übungsplätzen von Wiltshire – warteten wir auf unsere ersten Einsätze wie Vollblutpferde kurz vor dem Rennen.

Auch wir hatten in einem großen Augenblick der Geschichte unsere Reife erlangt, auch wenn er genau das Gegenteil von heute war. Aus allen Winkeln des Globus starrten uns Stagnation und Feindseligkeit an. Überall drohte die Rote Gefahr, nicht zuletzt an unserem eigenen heiligen Herd. Die Berliner Mauer stand seit zwei Jahren, und es sah danach aus, als würde sie noch weitere zweihundert Jahre stehenbleiben. Der Mittlere Osten war ein Pulverfaß, genau wie heute, nur daß in jenen Tagen Nasser der ausgesuchte Gegenstand unseres britischen Hasses war, nicht zuletzt, weil er den Arabern ihre Würde wiedergab und zudem mit den Russen Hockey spielte. In Zypern, Afrika und Südostasien erhoben sich die kleineren rechtlosen Völker gegen ihre alten Kolonialherren. Und wenn wir wenigen tapferen Briten gelegentlich das Gefühl hatten, all das könnte über unsere Kräfte gehen – nun, dann hatten wir noch immer unseren Vetter Amerika, der uns wieder ins Spiel der Welt hineinbringen konnte.

Als künftige heimliche Helden hatten wir daher alles, was wir brauchten: eine gerechte Sache, einen bösen Feind, einen nachsichtigen Verbündeten, eine brodelnde Welt, Frauen, die uns, wenn auch nur von der Seitenlinie, anfeuerten, und vor allem die große Tradition als Erbschaft, denn damals konnte sich der Circus noch in seinem Kriegsruhm sonnen. Fast alle unsere führenden Leute hatten sich die Sporen durch Spionieren in Deutschland verdient. Wenn sie in unseren gewichtigen, nichtöffentlichen Seminaren gefragt wurden, waren sich alle einig, daß, wenn es darum ginge, die Menschheit vor ihren eigenen Exzessen zu schützen, der Weltkommunismus eine noch finsterere Bedrohung sei als der Hunne.

»Sie haben einen gefährlichen Planeten geerbt, Gentlemen«, pflegte Jack Arthur Lumley, unser legendärer Ausbildungsleiter, uns zu sagen. »Und wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen: Sie haben verdammtes Glück.«

Und ob wir seine Meinung hören wollten! Jack Arthur war ein verwegener Mann. Er war drei Jahre lang immer wieder im nazibesetzten Europa aufgetaucht, als wäre er dort ein regelmäßiger Hausgast gewesen. Er hatte ganz allein Brücken gesprengt. Er war gefangen worden, geflohen, wieder gefangen worden; niemand wußte, wie oft. Er hatte Männer mit bloßen Händen getötet und dabei ein paar Finger eingebüßt, und als der Kalte Krieg an die Stelle des Heißen trat, nahm Jack den Unterschied kaum wahr. Als Fünfundfünfzigjähriger konnte er noch immer mit einer Neun-Millimeter-Browning auf zwanzig Schritt Entfernung ein Grinsen in eine kopfgroße Zielscheibe schießen, ein Türschloß mit einer Büroklammer öffnen, in dreißig Sekunden aus einer Toilettenkette eine Sprengfalle basteln oder einen mit einem einzigen Wurf hilflos auf die Matte knallen. Jack Arthur hatte uns an Fallschirmen aus Stirling-Bombern springen und in Gummibooten an den Stränden von Cornwall landen lassen und uns nachts im Kasino unter den Tisch getrunken. Wenn Jack Arthur sagte, das sei ein gefährlicher Planet, glaubten wir ihm aufs Wort.

Aber das machte das Warten nur schlimmer. Und hätte ich es nicht mit Ben Arno Cavendish teilen können, wäre es noch schlimmer gewesen. Man darf nur wenig Verbindung zur Zentrale haben, damit einem der Enthusiasmus nicht in Verbitterung umschlägt.

Ben und ich waren unter dem gleichen Stern geboren. Wir waren gleich alt, gleich gebaut und praktisch gleich groß und hatten die gleiche Schulausbildung. Typisch für den Circus, uns zusammenzustecken – das stellten wir aufgeregt fest; wahrscheinlich haben die das alles schon vorher gewußt! Wir beide hatten ausländische Mütter, wenn seine auch bereits gestorben war – der Arno kam von seiner deutschen Seite –; und wir beide gehörten, vielleicht um das zu kompensieren, zu der ausgesprochen extrovertierten Klasse von Engländern – sportliche, hedonistische, männliche Public School-Absolventen, zum Regieren, wenn nicht zum Herrschen geboren. Aber wenn ich mir die Gruppenfotos unseres Jahrgangs betrachte, sehe ich, daß Ben die Rolle besser gespielt hat als ich, denn er hatte ein reifes Benehmen, das mir in jenen Tagen noch abging – er hatte Geheimratsecken und ein entschlossenes Kinn, ein Mann, der älter wirkte, als er war.

Und das war meines Erachtens der Grund dafür, daß Ben statt meiner den begehrten Posten in Berlin bekam, wo er mitten in Ostdeutschland Agenten aus Fleisch und Blut zu führen hatte, während ich wieder einmal warten durfte.

»Wir leihen Sie für ein paar Wochen an die Observationsabteilung aus, mein Junge«, sagte der Personalchef mit seiner onkelhaften Selbstgefälligkeit, die mir langsam auf die Nerven ging. »Wird eine gute Erfahrung für Sie sein, Ned, und die können ein paar zusätzliche Hände brauchen. Massenhaft Mantel-und-Degen-Aktionen. Wird Ihnen gefallen.«

Hauptsache Abwechslung, dachte ich und setzte eine tapfere Miene auf. Den Monat zuvor hatte ich meinen Scharfsinn darauf verwendet, von einem finsteren Schreibtisch in der Dritten Etage aus die Weltfriedenskonferenz in – sagen wir mal – Belgrad zu sabotieren. Unter der Anleitung eines maulfaulen Vorgesetzten, der zum Lunch für mehrere Stunden in der Offiziersbar zu verschwinden pflegte, hatte ich mit wahrem Enthusiasmus Delegiertenzüge umdirigiert, Hoteltoiletten verstopft und dem Konferenzsaal anonyme Bombendrohungen zukommen lassen. Und davor hatte ich einen Monat lang jeden Morgen um sechs tapfer in einem stinkenden Keller neben der ägyptischen Botschaft gekauert und auf eine korrupte Putzfrau gewartet, die mir gegen Zahlung von fünf Pfund den Inhalt des Botschafter-Papierkorbs vom Vortag brachte. An solch bescheidenen Maßstäben gemessen, kamen mir ein paar Wochen bei den besten Spionen der Welt wie der reinste Urlaub vor.

»Sie werden der Operation Fat Boy zugewiesen«, sagte der Personalchef und gab mir die Adresse eines sicheren Hauses in einer Nebenstraße der Green Street im West End. Beim Eintreten hörte ich Tischtennisgeräusche, und von einer gesprungenen Schallplatte erklang Gracie Fields. Der Mut verließ mich, und wieder einmal schickte ich ein neidisches Gebet an Ben Cavendish und seine heldenhaften Agenten in Berlin, der ewigen Stadt der Spione. Am gleichen Abend wurden wir von Monty Arbuck, unserem Abteilungsleiter, eingewiesen.

Gestatten Sie mir, eine Entschuldigung in eigener Sache vorauszuschicken. Ich wußte damals nur sehr wenig von anderen Dienstgraden. Ich selbst gehörte der Offizierskaste an – buchstäblich, denn ich hatte in der Royal Navy gedient – und fand es vollkommen natürlich, daß ich ins obere Ende des Gesellschaftssystems hineingeboren war. Und da der Circus nichts anderes ist als ein kleines Spiegelbild des Englands, das er beschützt, schien es mir ebenso logisch, daß unsere Beobachter und verwandte Branchen, wie Einbrecher und Lauscher, aus der Gruppe der Handwerker genommen wurden. Mit einem Bowler auf dem Kopf kann man nicht lange einen Mann verfolgen. Eine geschliffene BBC-Stimme trägt nicht zu einem unauffälligen Erscheinungsbild bei, sobald man sich außerhalb von Londons goldener Meile befindet, vor allem dann nicht, wenn man als Straßenhändler, Fensterputzer oder Posttechniker auftritt. Betrachten Sie...


le Carré, John
John le Carré, 1931 geboren, schrieb über sechs Jahrzehnte lang Romane, die unsere Epoche ausloten. Als Sohn eines Hochstaplers verbrachte er seine Kindheit zwischen Internat und Londoner Unterwelt. Mit sechzehn ging er an die Universität Bern (Schweiz), später dann nach Oxford. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. Während seiner Dienstzeit veröffentlichte er 1961 seinen Erstlingsroman Schatten von Gestern. Der Spion, der aus der Kälte kam, sein dritter Roman, brachte ihm weltweite Anerkennung ein, die sich durch den Erfolg seiner Trilogie Dame, König, As, Spion, Eine Art Held und Agent in eigener Sache festigte. Nach dem Ende des Kalten Krieges weitete le Carré sein Themenspektrum auf eine internationale Landschaft aus, die den Waffenhandel ebenso umfasste wie den Kampf gegen den Terrorismus. Seine Autobiografie Der Taubentunnel erschien 2016, Das Vermächtnis der Spione, der abschließende Roman um George Smiley, 2017. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020.

John le Carré, 1931 geboren, studierte in Bern und Oxford. Er war Lehrer in Eton und arbeitete während des Kalten Kriegs kurze Zeit für den britischen Geheimdienst. Seit nunmehr fünfzig Jahren ist das Schreiben sein Beruf. Er lebt in London und Cornwall.



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