Lauer / Wagner / Kubitz | Auditive Verarbeitungsstörungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Forum Logopädie

Lauer / Wagner / Kubitz Auditive Verarbeitungsstörungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen

Grundlagen - Klinik - Diagnostik - Therapie
5. überarbeitete und erweiterte Auflage 2025
ISBN: 978-3-13-245496-5
Verlag: Thieme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen - Klinik - Diagnostik - Therapie

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Forum Logopädie

ISBN: 978-3-13-245496-5
Verlag: Thieme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Buch vermittelt fundierte Grundlagen, Diagnostik und Interventionsmöglichkeiten bei auditiven Verarbeitungsstörungen (AVS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Auf Basis des Modells der auditiven Verarbeitung und der zugrunde liegenden Hörverarbeitungsprozesse bietet es einen umfassenden Einblick in das Störungsbild AVS und dessen Auswirkungen. Es stellt gängige Diagnostikverfahren vor und diskutiert effektive Maßnahmen zur Beratung, Kompensation und Therapie.


Wichtige Neuerungen und Inhalte in der 5. Auflage:
- Überarbeitete Screeningverfahren mit einfacher Auswertung/Interpretation der Ergebnisse ermöglichen eine rasche Kurzdiagnostik und präzise und schnelle Entscheidungen
- Erweiterte Kapitel zur computergestützten Therapie und dem Einsatz von Apps
- Aktualisierte Evidenzlage und therapeutische Leitlinien
- Größerer Fokus auf beratenden und kompensatorischen Maßnahmen
- Ausführliche praxisnahe Tipps zur Therapie von AVS

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Zielgruppe


Medizinische Fachberufe

Weitere Infos & Material


3 Auditive Verarbeitungsstörungen


3.1 Definition


Definition

Auditive Verarbeitungsstörungen

Auditive Verarbeitungsstörungen (AVS) sind Störungen in der Verarbeitung auditiver Stimuli bei intaktem peripherem Hören. Dabei liegen audiologisch messbare Störungen auf der die akustischen Stimuli vorverarbeitenden Ebene der zentralen Hörbahn vor. Von einer AVS sollte nur dann gesprochen werden, wenn es sich um eine Störung handelt, die sich in mindestens 2 auditiven Teilfunktionen mit spezifischen standardisierten Testverfahren nachweisen lässt ? [92].

Der Begriff der AVS bezeichnet kein einheitliches Störungsbild, sondern eine heterogene Gruppe spezifischer auditiver Störungen, die sich in den unterschiedlichsten Teilfunktionsstörungen zeigen können ? [73]. Versuche einer Subtypen-Klassifizierung ? [28] konnten sich bislang nicht durchsetzen. Auch über Komorbiditäten wie Störungen der Sprachentwicklung (SES) und Lese-Rechtschreibstörungen (LRS) konnte die Heterogenität der AVS-Symptome bislang nicht erklärt werden ? [272]. Unterschiedliche konzeptionelle Herangehensweisen führten ebenfalls nicht zu einer allgemein akzeptierten klinischen Beschreibung von „AVS“. Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, von einer AVS-Spektrum-Störung zu sprechen ? [200] ? [440].

Abgrenzend besteht weitgehend Konsens darüber, dass bei einer Störung von nur einer auditiven Teilfunktion nicht von AVS gesprochen werden sollte. Vielmehr sollte diese bezogen auf die jeweils betroffene Teilfunktion, z.B. als Selektions- oder Diskriminationsstörung, benannt werden. Auch Aufmerksamkeits- oder Merkfähigkeitsstörungen sind nicht als auditive Teilfunktionen zu betrachten, sondern stellen Einflussfaktoren dar, die sich auf die auditive Verarbeitung und die Klassifikation akustischer Stimuli auswirken können. Nicht zuletzt ist die Ebene der Klassifikation von der Ebene der auditiven Verarbeitung zu trennen ? [61]. Die American Speech-Language-Hearing Association (ASHA) ? [13] zählt die auditive Aufmerksamkeit, das auditive Gedächtnis, die phonologische Bewusstheit, die auditive Synthese sowie das Verstehen und Interpretieren auditiver Information ausdrücklich nicht zur auditiven Verarbeitung ? [61] ? [318].

Laut ASHA umfasst die auditive Verarbeitung folgende Prozesse ? [13] ? [61] ? [318]:

  • auditive Lokalisation und Lateralisation

  • auditive Diskrimination

  • auditive Mustererkennung

  • temporale Aspekte, einschließlich Zeitauflösung, Diskrimination, Integration, Maskierung, Sequenzierung

  • auditive Leistung bei konkurrierenden (Sprach-)Signalen, inkl. dichotischem Hören

  • auditive Leistung bei beeinträchtigter akustischer Signalqualität

Ähnlich wird die AVS auch von der British Society of Audiology (BSA) ? [62] und der American Academy of Audiology (AAA) ? [1] beschrieben.

In der deutschen S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) ? [92] zu auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen werden diese wie folgt definiert:

Definition

Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen

Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) sind „Störungen zentraler Prozesse des Hörens, die u.a. die vorbewusste und bewusste Analyse, Differenzierung und Identifikation von Zeit-, Frequenz- und Intensitätsveränderungen akustischer oder auditiv-sprachlicher Signale sowie Prozesse der binauralen Interaktion (z.B. zur Geräuschlokalisation, Lateralisation, Störgeräuschbefreiung und Summation) und der dichotischen Verarbeitung ermöglichen“ ( ? [92]: 5).

Laut DGPP stellt „die auditive Wahrnehmung (…) die zu höheren Zentren hin zunehmend bewusste Analyse auditiver Informationen dar.“ ( ? [92]: 11). Damit wird die Definition der ASHA erweitert. Allerdings ergänzt auch die DGPP ihre Definition in Bezug auf Aufmerksamkeits-, Merkfähigkeits- und kognitive Störungen: „Kann die gestörte Wahrnehmung akustischer Signale besser durch andere Störungen wie z.B. Aufmerksamkeitsstörungen, allgemeine kognitive Defizite, modalitätsübergreifende mnestische Störungen o.ä. beschrieben werden, sollte nicht der Begriff ‚Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung‘ verwendet werden. Dies gilt insbesondere, wenn durch normierte und standardisierte psychoakustische Tests eine Störung der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung nicht nachgewiesen werden kann. Für das Vorliegen einer ‚Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung‘ spricht jedoch, wenn sich durch normierte und standardisierte psychoakustische Tests Einschränkungen der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung nicht-sprachgebundener Signale oder verbo-akustischer Signale (im Sinne linguistisch beladener akustischer Signale) nachweisen lassen.“ ( ? [92]: 12).

Die Annahme einer totalen Modalitätsspezifität, also der Vorstellung, dass z.B. auditive und visuelle Merkfähigkeit voneinander völlig getrennte Funktionen sind, wird infrage gestellt ? [197]. Nach Kiese-Himmel ? [197] ist die Multimodalität ein grundlegendes Merkmal neuraler Codierung und Aktivität. Es ist somit eher anzunehmen, dass bei Störungen der Speicherung und Sequenz ein übergeordnetes Merkfähigkeitsdefizit besteht und die Funktion der Merkfähigkeit nicht als Teilfunktion der auditiven Verarbeitung zu sehen ist.

3.2 Ätiologie


Es werden folgende medizinische Faktoren für AVS bei Kindern diskutiert ? [69] ? [165]:

  • Hirnreifungsverzögerungen

  • frühkindliche Hirnschädigungen

  • genetische Ursachen

  • chronische Mittelohrentzündungen im frühen Kindesalter

Bezüglich des Faktors frühkindlicher Hirnschädigungen stellt die AAA ? [1] fest, dass in der Regel keine Läsionen nachgewiesen werden können.

Der Faktor der chronischen Mittelohrentzündungen wurde in verschiedenen Studien genauer untersucht. Einige Autor*innen sehen chronische Mittelohrentzündungen im Kleinkindalter als Ursache von Defiziten in der Sprachkompetenz ? [336] ? [428], andere halten den Einfluss für weniger relevant. Von Suchodoletz ? [385] führt die Ergebnisse von Längsschnittstudien an (Meta-Analyse in ? [329]), in denen Kinder mit und ohne wiederkehrende Mittelohrentzündungen beobachtet wurden. Die betroffenen Kinder zeigten keine oder nur leichte Defizite ihrer sprachlichen Entwicklung. Auch eine Studie mit 7–9-jährigen Kindern, die im Alter von 2–4 Jahren länger andauernde Mittelohrentzündungen hatten und inzwischen erfolgreich behandelt waren, konnte mit sprachbasierten Tests in nur einem Test Unterschiede zur Kontrollgruppe feststellen ? [159]. Einschränkend schreiben die Autor*innen, dass „central auditory defects may be more inclined to occur in otitis-prone children who acquire MEE in the first few months of life when the auditory nervous system is still developing“.

Updike und Thornburg ? [410] untersuchten 6–7-jährige Kinder, die vor ihrem 2. Lebensjahr Mittelohrentzündungen hatten und fanden tatsächlich signifikant schlechtere Leistungen in Tests der auditiven Verarbeitung und in Lesetests. In einer anderen Studie wurden Kinder mit AVS verglichen, von denen die eine Gruppe im Alter bis zu 3 Jahren Mittelohrentzündungen hatte, die Kinder in der anderen Gruppe aber nicht. Die Kinder mit vorangegangenen Mittelohrentzündungen schnitten in Tests der auditiven Verarbeitung und des Lesens signifikant schlechter ab als die Kinder mit AVS aber ohne frühere Mittelohrentzündungen ? [456].

Schaut man nur auf die auditive Verarbeitung, sind die Evidenzen für einen Einfluss früher Mittelohrentzündungen auf die auditive Verarbeitung sehr deutlich: In einer Meta-Analyse, in die 10 Studien mit fast 650 Kindern (davon 289 Kontrollen) einflossen, zeigten sich deutliche Zusammenhänge zwischen frühen Mittelohrentzündungen und auditiver Verarbeitung ? [141]. In den einbezogenen Studien wurden kaum sprachbasierte Tests verwendet, sondern zeit- und frequenzbasierte Verfahren sowie elektrophysiologische Messungen. Diese Datenlage spricht dafür, dass (frühe) Mittelohrentzündungen ein Risikofaktor für die auditive Verarbeitung sind.

Weitere Ursachen für AVS – vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen – können u.a. neurotoxische Substanzen, Hirntumoren, neurodegenerative Erkrankungen sowie Alterungsprozesse sein ? [69] ? [76] ? [224]. Kontaktsportarten und militärische Einsätze gelten ebenfalls als Risikofaktoren ? [28] ? [395].

In der Praxis ist die Beurteilung der Ätiologie von auditiven Verarbeitungsstörungen schwierig, sodass man im Wesentlichen auf Vermutungen angewiesen ist. Dabei ist es relativ...



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