E-Book, Deutsch, Band 728, 64 Seiten
Larsen Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 728
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-7115-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Zwischen Mitternacht und Morgen
E-Book, Deutsch, Band 728, 64 Seiten
Reihe: Die Welt der Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-7517-7115-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Seit Kurzem arbeitet der Journalist Robert West bei einem Provinzblättchen als Lokalreporter. Doch in dem idyllischen kleinen Ort geschieht so gut wie nichts. Sein Chef hofft auf Sensationen, denn für die Zukunft seiner Zeitung sieht es nicht rosig aus. Und dann ereignet sich in dem verschlafenen Städtchen tatsächlich eine ungeheuere Sensation. Die Leiche eines jungen Mannes, bei dem es sich um den Sohn des reichen Konsuls handelt, wird am Wildsee gefunden. Nun muss die Polizei ermitteln, und Robert hat für das Käseblatt mehr als genug zu berichten. Und zudem hat er auch noch sein Herz verloren, und zwar an die Schwester des Toten, doch die ist plötzlich spurlos verschwunden ...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Zwischen Mitternacht und Morgen Meisterlich erzählter Roman um die Allmacht der Liebe Seit Kurzem arbeitet der Journalist Robert West bei einem Provinzblättchen als Lokalreporter. Doch in dem idyllischen kleinen Ort geschieht so gut wie nichts. Sein Chef hofft auf Sensationen, denn für die Zukunft seiner Zeitung sieht es nicht rosig aus. Und dann ereignet sich in dem verschlafenen Städtchen tatsächlich eine ungeheuere Sensation. Die Leiche eines jungen Mannes, bei dem es sich um den Sohn des reichen Konsuls handelt, wird am Wildsee gefunden. Nun muss die Polizei ermitteln, und Robert hat für das Käseblatt mehr als genug zu berichten. Und zudem hat er auch noch sein Herz verloren, und zwar an die Schwester des Toten, doch die ist plötzlich spurlos verschwunden ... »Wir brauchen Sensationen«, sagte Noah Lohmann, während er umständlich seine Pfeife mit Virginiatabak stopfte. »Und was haben wir zu verbraten?«, fragte er bitter und deutete verächtlich auf den Stapel Notizen, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. »Wettermeldungen, Familienregister, bestenfalls einen Fahrraddiebstahl und schlimmstenfalls nicht einmal den. Wen wundert's, dass der Pleitegeier mit den Flügeln rauscht?« »Kann er das?«, fragte Robert. »Ich meine, kann er mit den Flügeln rauschen?« »Der kann noch ganz was anderes, junger Mann«, antwortete Vater Noah düster. »Er kann beispielsweise Sie und mich von diesem Redaktionstisch wegfegen, er kann die Rotationsmaschinen zum Stillstand bringen und rund hundert Menschen brotlos machen, ganz abgesehen von unseren Autoren, das sind nämlich auch Menschen.« »Sehr verbunden«, murmelte Robert. Als Journalist zählte er letztlich auch zu der Gattung Autoren. Er zündete sich eine Zigarette an und steuerte das Gespräch vorsichtig dahin, wo er es gern haben wollte. »Aber es brauchen doch nicht hundert Menschen brotlos zu werden, wenn der Pleitegeier weiterhin mit den Flügeln rauschen oder noch Schlimmeres tun sollte.« »Ach, und was für eine Patentlösung haben Sie parat?« Unter dem durchdringenden, etwas spöttischen Blick der hellen Veilchenaugen Vater Noahs wurde Robert etwas unsicher. Er mochte den Alten, den alle nur »Vater Noah« nannten, gern. Er empfand mehr Sympathie für ihn, als für den »geheimen Auftrag«, der ihn letztlich in die Redaktion geführt hatte, gut war. Robert war Journalist, das stimmte schon, und er hatte sich als Journalist auch schon einen guten Namen gemacht. Robert West, das war so etwas wie ein Gütezeichen. Vater Noah war ohnehin etwas misstrauisch geworden, als dieser Robert West sich ausgerechnet bei ihm beworben hatte. »Was wollen Sie in meiner kleinen Klitsche?«, hatte er gefragt, als Robert sich vorgestellt hatte. »Ihnen stehen doch ganz andere Türen offen.« »Ich möchte aber gern durch diese Tür gehen«, hatte Robert geantwortet. Das war nun ungefähr drei Monate her. Ursprünglich hatte Robert nicht vorgehabt, seine Zeit so lange bei diesem Provinzblatt zu vergeuden. Aber dann hatte er sein Herz für Vater Noah entdeckt. Das hatte alles komplizierter gemacht. »Ihre Patentlösung, junger Mann«, forderte Vater Noah ihn ungeduldig auf. Robert räusperte sich. »Ich denke beispielsweise an eine Fusion. Ich meine eine Fusion mit irgendeinem großen Konzern.« Vater Noah lachte dröhnend. »Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt, junger Freund, dann lassen Sie sich Ihr Schulgeld auszahlen.« Der Herausgeber der Zeitung beugte sich ein wenig vor und fasste Robert fest ins Auge. Er war immer noch eine imponierende Erscheinung, dieser Noah Lohmann, obwohl er schon nahe der siebzig war. Er hatte dichtes schlohweißes Haar, das ihm unordentlich in die kantige Stirn seines kantigen Gesichts mit den eigenwilligen Zügen fiel. Sein Kinn verriet, dass er nicht viel Federlesens machte, wenn ihm etwas nicht passte, und dieser Vorschlag Roberts passte ihm entschieden nicht. »Ich will Ihnen einmal etwas sagen, junger Mann, diese Zeitung gehört mir, verstehen Sie? Ich habe sie von meinem Vater übernommen, er hatte sie von seinem Vater geerbt, und so weiter. Wir haben aus dieser Zeitung etwas gemacht. Weit über die Grenzen unserer kleinen Provinz hinaus. Sie wird überall gelesen. In Hamburg, in Düsseldorf, in München, auch heute noch!« Noah Lohmann zog an seiner Pfeife und lehnte sich dann seufzend in seinem Sessel zurück. »Aber die Auflagenziffern sinken«, gab er zu. »Die Großen fressen die Kleinen auf. So ist es nun einmal.« »Eine Fusion ist doch nichts Ehrenrühriges«, wagte Robert einen erneuten, schüchternen Versuch. »Was schert mich die Ehre«, erwiderte Vater Noah müde. »Wenn meine Zeitung einmal nicht mehr mir gehört, dann kann sie der Teufel holen. Fusionieren werde ich nie.« »Die hundert Menschen, die dann brotlos werden, ganz abgesehen von den Autoren, die ja auch Menschen sind, was ist mit denen?« »Sollen sie sich beim lieben Gott beschweren. Nicht bei Vater Noah. Und jetzt zurück an die Arbeit, junger Mann. Was habe ich gesagt?« »Wir brauchen Sensationen!«, wiederholte Robert. »Nur leider kann auch ein Journalist keine Sensationen aus dem Boden stampfen, Chef.« »Dann müssen wir versuchen, wenigstens den Lokalteil interessant zu gestalten. Wir müssen möglichst viel über möglichst viele Leute schreiben, die kaufen die Zeitung dann sicher. Deshalb habe ich beschlossen, dass Sie, West, ab heute die Gesellschaftsspalte übernehmen.« Robert schnitt eine Grimasse. Nichts war ihm verhasster als die Gesellschaftsspalte. »Und was darf es heute sein?«, fragte er resigniert. »Eine Verlobung«, verkündete Vater Noah. »Muss das sein? Ich meine, kann das nicht ein anderer machen?« »Nein, Sie machen das, West«, bestimmte Vater Noah. »Werfen Sie sich in Ihren Smoking, und dann auf zum Highlife.« »Und wo findet das Highlife statt?« »Bei Konsul Overcamp.« »Da gibt es bestimmt ein anständiges kaltes Büfett«, vermutete Robert. »Und wer verlobt sich? Der Konsul?« »Der Konsul ist seit zehn Jahren Witwer und beabsichtigt wohl auch, es zu bleiben«, erklärte Vater Noah ihm. »Also vermutlich die Tochter. Ist sie hübsch?« »Exquisit!« Vater Noahs Veilchenaugen strahlten auf. »Sie ist ein bezauberndes Geschöpf, diese Lorna. Ein entzückendes Mädchen! Ich begreife nicht, dass sie sich ausgerechnet diesen widerlichen Henning auserkoren hat.« Er schüttelte den Kopf. »Dabei ist sie sonst so ein patentes Mädchen. Kennen Sie Henning?« »Nie gehört.« »Da haben Sie auch nichts versäumt. Repräsentant eines Weltkonzerns. Wenn ich so etwas schon höre: Repräsentant! Als ob es ein Beruf sei, zu repräsentieren. Aber Geld hat er wie Heu, dieser Henning, und er sieht gut aus, das muss man ihm lassen. Ich hätte nie gedacht, dass Lorna auf so etwas hereinfällt. Der Konsul scheint damit einverstanden zu sein. Andererseits ist er so vernarrt in seine Tochter, dass er ihr, glaube ich, keinen Wunsch abschlagen kann. Notieren Sie doch endlich.« »Ich bin ja dabei, Chef. Weitere Familienmitglieder?« »Boy. Der Bruder der Braut. Des Konsuls einziger Sohn. Ein typischer Playboy. Nicht nach meinem Geschmack. Die Gästeliste habe ich hier, die können Sie mitnehmen und einsehen. Was Rang und Namen hat, wird anwesend sein. Vergessen Sie nicht, die Garderobe der Damen zu schildern, erwähnen Sie ausführlich den Schmuck, spießen Sie jedes Bonmot auf, das fällt.« »Wie soll ich das nur lebend überstehen?«, stieß Robert stöhnend hervor. Vater Noah zwinkerte ihm väterlich zu. »Tut mir leid, mein Junge, ich wollte auch, ich hätte andere Aufgaben für Sie. Ich begreife überhaupt nicht, wieso Sie noch bei mir herumsitzen. Sie haben doch andere Chancen.« »Das haben Sie mir schon ein paarmal gesagt.« Robert stand auf, nahm die Gästeliste, warf einen Blick darauf und meinte: »Wenigstens lernt man auf diese Weise eine Menge Leute kennen.« »Ich begreife das einfach nicht«, beharrte Vater Noah eigensinnig. »Ein Kerl wie Sie und hockt auf einer Lokalredaktion herum. Das wäre mir in Ihrem Alter nicht passiert. Ich hätte mir den Wind um die Nase wehen lassen.« »Vielleicht ist meiner Nase gerade nicht nach Wind zumute«, meinte Robert. »Was Sie hier tun, das kann jeder mittelmäßige Reporter erledigen«, fuhr Noah Lohmann fort. »Sie haben doch verdammt noch mal das Zeug dazu, etwas anderes zu leisten.« »Wollen Sie mich los sein?«, fragte Robert. »Mir würde das Herz brechen, wenn Sie mich verlassen sollten«, erwiderte sein Chef scherzhaft, doch eigentlich war es ihm ernst damit. Es erging ihm nämlich nicht anders als dem jungen Robert West. Er hatte den Burschen in sein Herz geschlossen, und so leicht passierte das bei Vater Noah nicht. Der sah...