Lapena | Der zehnte Gast | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 317 Seiten

Lapena Der zehnte Gast

Es gibt kein Entkommen. Kriminalroman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7325-7782-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Es gibt kein Entkommen. Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 317 Seiten

ISBN: 978-3-7325-7782-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Tief in den Wäldern der schneebedeckten Catskill Mountains, weit entfernt von der nächsten Ortschaft liegt das Mitchell's Inn, ein verwunschenes kleines Hotel. Als zehn ganz unterschiedliche Gäste an einem dunklen Winternachmittag dort eintreffen, hoffen sie, ihre Probleme an diesem abgeschiedenen Ort wenigstens für ein Wochenende zu vergessen. Doch in der Nacht zieht ein Schneesturm auf, der jeglichen Kontakt zur Außenwelt unmöglich macht, und das winterliche Idyll wird zur tödlichen Falle. Denn am nächsten Morgen liegt in der Lobby eine Leiche, und jeder der Anwesenden weiß: Der Mörder muss unter ihnen sein - und es gibt keine Möglichkeit, ihm zu entkommen ...



Shari Lapena arbeitete als Rechtsanwältin und Englischlehrerin, bevor sie ihren ersten Roman schrieb. Ihr Thrillerdebüt The Couple Next Door stand wochenlang auf Platz 1 der Sunday-Times-Bestsellerliste und wurde vielfach begeistert besprochen. DER ZEHNTE GAST ist ihr dritter Thriller, mit dem sie an den sensationellen Erfolg der Vorgänger anknüpfen konnte. Shari Lapena lebt mit ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Kindern in Toronto.
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EINS


Freitag, 16:45 Uhr


Die Straße ist voller unerwarteter Kurven und Windungen, während sie immer höher in die Catskill Mountains führt, als würde der Weg umso unsicherer, je weiter man sich von der Zivilisation entfernt. Die Schatten werden tiefer, das Wetter schlechter. Der Hudson River liegt unter ihnen, taucht auf und verschwindet aus dem Blickfeld. Der Wald zu beiden Seiten der Straße hat etwas Lauerndes, als könnte er einen völlig verschlingen; es ist der Wald aus den Märchen. Der leise rieselnde Schnee verleiht dem Ganzen einen gewissen postkartenhaften Charme.

Gwen Delaney hält das Lenkrad fest und blinzelt durch die Windschutzscheibe. Ihr Geschmack sind eher düstere Märchen als Ansichtskarten. Das Licht schwindet, es wird bald dunkel. Der Schneefall macht das Fahren schwieriger und ermüdender. Die Flocken legen sich in einer solchen Fülle auf das Glas, dass sie das Gefühl hat, in einem unerbittlichen Videospiel gefangen zu sein. Zudem ist die Fahrbahn auch noch rutschig. Sie ist dankbar, gute Reifen an ihrem kleinen Fiat zu haben. Das Ganze wird zu einem weißen Durcheinander; es ist schwer zu sagen, wo die Straße endet und der Graben beginnt. Sie ist froh, wenn sie endlich da sind. Sie fängt an, sich zu wünschen, sie hätten eine Unterkunft gewählt, die weniger abgelegen liegt; diese hier ist meilenweit von allem entfernt.

Neben ihr auf dem Beifahrersitz sitzt Riley Shuter, die sich sichtlich angespannt zusammengerollt hat und schweigt. Allein mit ihr in dem kleinen Auto zu sein macht Gwen nervös. Sie hofft, dass es kein Fehler war, mit ihr hierherzufahren.

Der ganze Zweck dieser kleinen Flucht, denkt Gwen, besteht darin, Riley dazu zu bringen, ein wenig abzuschalten und auf andere Gedanken zu kommen. Gwen beißt sich auf die Lippe und starrt auf die Straße vor ihr. Sie ist ein Stadtmensch, hat nie woanders gelebt; sie ist es nicht gewohnt, auf dem Land zu fahren. Es ist so dunkel hier oben. Sie wird immer nervöser – die Fahrt dauert länger als geplant. Sie hätten nicht unterwegs auf einen Kaffee an diesem hübschen beschaulichen Ort anhalten sollen.

Sie ist nicht sicher, was sie erwartet hat, als sie Riley den Vorschlag gemacht hat, dieses Wochenende wegzufahren – abgesehen von einem Tapetenwechsel, einer Gelegenheit, gemeinsam etwas zur Ruhe zu kommen, ohne Riley daran zu erinnern, dass ihr Leben in Trümmern liegt. Vielleicht war das naiv.

Gwen hat ihr eigenes Päckchen zu tragen, zwar schon seit einiger Zeit, doch sie schleppt es mit sich herum, wohin sie auch geht. Trotzdem hat sie beschlossen, es zumindest für dieses Wochenende hinter sich zu lassen. Ein kleines Luxushotel im Landesinneren, gutes Essen, kein Internet, unberührte Natur – genau das, was sie beide brauchen.

Riley sieht nervös aus dem Autofenster, starrt in den schattigen Wald und versucht, sich nicht vorzustellen, dass jede Sekunde jemand vor ihr Auto springt und sie anhält. Sie ballt die Hände in den Taschen ihrer Daunenjacke zu Fäusten. Sie vergegenwärtigt sich, dass sie nicht mehr in Afghanistan ist. Sie ist zu Hause, in Sicherheit, im Staat New York. Hier kann ihr nichts Schlimmes passieren.

Durch ihre Arbeit ist sie ein anderer Mensch geworden. Was sie gesehen hat, hat sie so sehr verändert, dass sie sich selbst kaum noch erkennt. Sie blickt verstohlen zu Gwen. Sie beide standen sich einmal nahe. Riley ist nicht einmal sicher, warum sie sich bereit erklärt hat, mit ihr in dieses abgelegene Landhotel zu fahren. Sie beobachtet Gwen, wie sie sich angestrengt auf die kurvenreiche Straße hinauf in die Berge konzentriert. »Geht’s dir gut?«, fragt sie unvermittelt.

»Mir?«, sagt Gwen. »Ja, alles okay. Wir müssten bald da sein.« In der Journalistenschule an der NYU war Gwen die Beständige, Pragmatische von ihnen beiden gewesen. Aber Riley war ehrgeizig – sie wollte dort sein, wo die Dinge passierten. Gwen hatte keine Lust auf Abenteuer. Sie zog Bücher und Ruhe vor. Nach dem Abschluss, außerstande, einen anständigen Job bei einer Zeitung zu finden, hatte Gwen ihre Fähigkeiten schnell in eine gute Position in der Unternehmenskommunikation eingebracht und schien es nie bereut zu haben. Riley hingegen war auf dem Weg in die Kriegsgebiete gewesen. Und sie hatte lange durchgehalten.

Warum macht sie das? Warum denkt sie ständig daran? Sie kann spüren, wie sie sich auflöst. Sie versucht, ihre Atmung zu verlangsamen, so, wie es ihr beigebracht wurde. Um zu verhindern, dass die Bilder zurückkommen, dass sie die Kontrolle übernehmen.

David Paley parkt sein Auto auf dem geräumten Parkplatz rechts vom Hotel. Er steigt aus dem Wagen und streckt sich. Wegen des schlechten Wetters hat die Fahrt von New York City hierher länger gedauert als gedacht, und jetzt sind seine Muskeln steif – schließlich ist er auch nicht mehr der Jüngste. Bevor er seine Reisetasche vom Rücksitz des Mercedes nimmt, steht er für einen Moment im dichten Schneefall und schaut auf Mitchell’s Inn.

Es ist ein schönes dreigeschossiges Gebäude aus rotem Backstein, umgeben von Wäldern. Die Vorderseite des kleinen Hotels ist offen, mit einer großen Freifläche, vermutlich schneebedeckter Rasen. Hohe immergrüne Bäume und Laubbäume ohne Blätter, alle weiß verhüllt, scheinen das Haus einzurahmen. Vorne, in der Mitte des Rasens, thront ein mächtiger einzelner Baum mit weit ausladenden dicken Ästen. Alles ist schneebedeckt. Hier ist es ruhig und friedlich, und er spürt, wie sich seine Schultern allmählich entspannen.

Das Hotel hat große rechteckige Fenster, die regelmäßig über alle drei Etagen verteilt sind. Breite Stufen führen zu einer Holzveranda und einer zweiflügeligen Eingangstür, verziert mit Tannenzweigen. Obwohl es immer noch Tageslicht gibt, brennen die Lampen zu beiden Seiten der Tür, und aus den Fenstern im Erdgeschoss fällt weiches gelbes Licht, das dem Gebäude ein warmes, einladendes Aussehen verleiht. David steht ganz still und versucht, den Stress des Tages – und der Woche und der Jahre – zu verdrängen, während Schnee sanft auf sein Haar fällt und seine Lippen kitzelt. Er fühlt sich, als würde er in eine frühere, gnädigere, unschuldigere Zeit zurückgehen.

Er will versuchen, volle achtundvierzig Stunden lang nicht an die Arbeit zu denken. Jeder, egal wie viel er zu tun hat, muss ab und zu seine Batterien aufladen – ganz besonders ein vielbeschäftigter Strafverteidiger. Es ist selten, dass er sich überhaupt eine Auszeit nehmen kann, geschweige denn ein ganzes Wochenende. Er ist fest entschlossen, es zu genießen.

Freitag, 17:00 Uhr


Lauren Day blickt auf den Mann neben sich, Ian Beeton. Er steuert seinen Wagen gekonnt unter ziemlich schwierigen Bedingungen, und es sieht alles so einfach aus. Er hat ein entwaffnendes Lächeln, und er richtet es jetzt auf sie. Sie lächelt zurück. Er sieht gut aus, ist groß und zurückhaltend, aber es ist das Lächeln, das sie zuerst zu ihm hingezogen hat, seine lockere Art, die ihn so attraktiv macht. Lauren kramt in ihrer Handtasche nach ihrem Lippenstift. Sie findet ihn – ein schöner Rotton, der ihr Gesicht belebt – und trägt ihn vorsichtig auf, während sie in den Spiegel auf der Sonnenblende vor sich schaut. Das Auto schlittert ein wenig, und sie hält inne, doch Ian fängt den Wagen geschickt ein. Die Straße windet sich nun steiler, und das Auto neigt zunehmend zum Ausbrechen, je mehr es an Bodenhaftung verliert.

»Wird rutschig«, sagt sie.

»Keine Sorge. Nichts, womit ich nicht umgehen kann«, sagt er und grinst sie an.

Sie lächelt zurück. Ihr gefällt, dass er so großes Selbstvertrauen hat.

»Whoa – was ist das?«, fragt sie unvermittelt. Vor ihnen rechts ist eine dunkle Kontur zu sehen. Es ist ein trüber Tag, und angesichts des heftigen Schneefalls ist es schwer zu erkennen, aber es sieht so aus, als steckte ein Auto im Graben.

Sie starrt aufmerksam aus dem Fenster, als sie an dem anderen Wagen vorbeifahren, und Ian sucht nach einer Stelle, wo er halten kann. »Ich glaube, da ist jemand drin«, sagt sie.

»Warum haben sie nicht die Warnblinkanlage an?«, murmelt er. Er steuert langsam an den Straßenrand, vorsichtig, um nicht selbst von der Fahrbahn zu rutschen. Lauren steigt aus dem warmen Wagen aus und versinkt in mehreren Zentimetern Neuschnee, der sofort in ihre Stiefel eindringt und ihre Knöchel stechen lässt. Sie kann hören, wie Ian ebenfalls aus dem Wagen steigt und die Tür zuschlägt.

»Hey!«, ruft sie zu dem Wagen hinunter. Die Fahrertür öffnet sich langsam.

Lauren klettert vorsichtig die Böschung hinunter und rutscht dabei immer wieder aus. Der Boden ist uneben, und es fällt ihr schwer, das Gleichgewicht zu halten. Sie erreicht das Fahrzeug und greift mit der linken Hand nach der Tür, um sich abzustützen, während sie durch die Seitenscheibe schaut. »Geht es Ihnen gut?«, fragt sie.

Die Fahrerin ist eine Frau etwa in ihrem Alter – um die dreißig Jahre – und trägt eine Skimütze und eine gesteppte Winterjacke. Sie wirkt ein wenig durcheinander, doch die Windschutzscheibe ist nicht geborsten, und sie trägt einen Sicherheitsgurt. Lauren schaut über die Fahrerin hinweg zu der Frau auf dem Beifahrersitz. Ihr Gesicht ist blass und schweißgebadet, und sie starrt geradeaus, als ob Lauren gar nicht da wäre. Sie sieht aus, als hätte sie einen furchtbaren Schock erlitten.

Die Fahrerin sieht ihre Begleiterin schnell an und wendet sich dann dankbar an Lauren. »Ja, es geht uns gut. Wir sind vor ein paar Minuten von der Straße abgekommen. Wir haben überlegt, was wir jetzt tun sollen. Wir haben wirklich Glück, dass...



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