E-Book, Deutsch, 180 Seiten
Lange Reibungsverluste
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7407-7564-3
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
investieren, optimieren, abkassieren - Unmaß sprengt das Fass
E-Book, Deutsch, 180 Seiten
ISBN: 978-3-7407-7564-3
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Unternehmen lässt von der Geschäftsführung kontinuierlich die Personalplanung optimieren und Arbeitsprozesse wirtschaftlich bündeln, um seine Investoren mit steigenden Gewinnen zu beglücken. Mit Ehrgeiz und ungezügeltem Willen wird theoretisch kalkuliert und berechnet ... verheißungsvoll gewinnbringend. Bei der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen trifft man, für die Führungsebene völlig überraschend, auf das unkalkulierbare Risiko Mensch. Die vielversprechenden Optimierungen gipfeln statt satter Gewinne im Zusammenbruch der ohnehin dünnen Personaldecke und werden zum unbequemen Boomerang. Auf der panischen Suche nach Lösungen springen Geschäftsführung und Teamleitung vorübergehend ein und erleben den theoretisch durchgestylten Arbeitsalltag in der Praxis. Es trifft sie wie ein Faustschlag und endet im handfesten Chaos. Was passiert, wenn am Ende aller Kalkulationen die Kosten gesenkt und die Erträge erhöht aber die Mitarbeiter vergessen wurden? Mit einem humorvollen Blick, viel Phantasie und einer Portion Zynismus entsteht ein Szenario, in dem Niemand mehr da ist, der das Licht ausmacht ... bis auf ein paar Führungskräfte.
Birgit Lange, Jahrgang 1971, verheiratet, 3 Kinder, examinierte Krankenschwester, geboren in Mecklenburg Vorpommern. Nach dem Schulabschluss begann ich eine Berufsausbildung mit Abitur im Bereich der Tierproduktion. Der Traum vom anschließenden Studium der Veterinärmedizin entpuppte sich recht schnell als verklärte Schwärmerei und ich wechselte von den Tieren zu den Menschen. Nach dem Examen an der Medizinischen Fachschule in Berlin Buch und der Geburt meines ersten Kindes, kehrte ich nach 10 Jahren Berlin in meine Heimat zurück. In den vergangenen 23 Jahren sammelte ich Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen und Berufsfeldern des Gesundheitswesens. Von der Pflege über den Verkauf und die medizinische Beratung, im Innen- und Außendienst erweiterte ich meine Fähigkeiten und schärfte den Blick auf ein Gesundheitssystem das sich kontinuierlich gewinnbringend zu Tode optimiert.
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Vorwort
Ich sitze in meiner Küche. Am Fenster wirbeln große Schneeflocken stürmisch vorbei. Ein letzter Wintereinbruch im schon kalendarischen Frühling. Den heißen Kaffee in der Hand, beobachte ich das frostige Schauspiel. Mein Kopf ist voll mit Gedanken, ich bin traurig und wahnsinnig wütend. Dieses Gefühl der Ohnmacht macht mich rasend. Wie heilt mein verwundetes Herz? „Geschrieben Wort ist Perlen gleich.“ Johann Wolfgang von Goethe Ich schreibe die Gedanken auf. Wort um Wort werde ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Den Guten und den Schlechten. Am Ende sind aus kleinen separaten Perlen eine Kette und aus einzelnen Worten eine Geschichte entstanden. Von Macht und Ohnmacht in einem Arbeitsalltag, der das Leben begleitet und dabei den Anspruch es zu verschönern, längst aus den Augen verloren hat. Ich frage mich, wie spielt man in der Wirtschaft das große Monopoly unserer Zeit, wenn die kleinen Figuren plötzlich verschwinden? Auf einem leeren Brett gibt es nichts zu gewinnen. Ändern sich umstandslos die Regeln für ein neues Spiel? Ich versuche zu begreifen. Mein gesunder Menschenverstand aber kapituliert. Dieses Buch widme ich meiner Schwester. Du, die Ältere, sachlich und vernünftig eher zurückhaltend und geordnet. Ich, 8 Jahre jünger, vorlaut und chaotisch. So verschieden wie Tag und Nacht. Als Große auf mich aufzupassen war deine Aufgabe und bei unseren berufstätigen Eltern oft nicht zu vermeiden. Das war mit mir kleinem Teufel rückblickend kein leichtes Los und sicher selten spaßig. Einigkeit gab es zwischen uns nur wenn unsere Mutter, in der ihr eigenen unaufgeregten Art und Weise, den andauernden lautstarken Kriegszustand im Kinderzimmer mit einem liebevollen Klaps für dich und mich beendete. Blitzschnell, die Tür flog auf und es klatschte genau zweimal. Ermüdende Diskussionen der Schuldfrage waren nicht ihr Ding. „Am meisten eint ein gemeinsamer Feind“ war ihre Devise und so blöd es klang, es funktionierte. In diesen Momenten fanden wir sie beide ausgesprochen doof und trösteten uns gegenseitig, innig und friedvoll. Die kleinen Schlachten gehörten dazu. Verständnis braucht Reife und wie ein edler Wein wurden auch wir miteinander immer besser. Wir sind erwachsen, Freunde und Verbündete. Manchmal bin ich erschrocken angesichts der vielen Jahre, die klammheimlich an uns vorbeigezogen sind. Mal nah beieinander, mal weit voneinander entfernt war nie ein Zweifel an der Verlässlichkeit des jeweils Anderen. Am selbstverständlichsten dann, wenn es im Leben einmal nicht so optimal lief. Ich vermag die Jahreszahlen der erreichten oder anstehenden Jubiläen kaum glauben. Sind wir über Nacht im Zeitraffer gealtert? Nein, es liegt einfach daran, dass wir mit Vielem rechtzeitig angefangen haben. So ausgedrückt, fühlt es sich nicht nur besser an, so klingt es auch weniger bedrohlich nach schleichendem Verfall und dem nahen Ende. Dein erster Freund ist heute noch dein Mann. Nach mittlerweile über 30 Ehejahren halten dich jetzt drei hinreißende Enkel auf Trab. Von Beruf Krankenschwester, warst du dort, wo du damals schon deine Ausbildung absolviert hast, bis heute tätig. Immer Herzblut, jederzeit voller Einsatz. Du bist ein Musterbeispiel an Beständigkeit. Ich dagegen bin Chaos statt Kontinuität. Ich bin nie mit nur einem Anlauf ausgekommen. Das betraf die Suche nach Mr. Right, genauso wie die nach der endgültigen Heimat und dem passenden Job. Aushalten und Durchhalten, schlicht Leidensfähigkeit, ist nicht mein stärkster Charakterzug. Im Laufe der Zeit fand ich einen Weg. Über mehrere Umleitungen zwar aber im Ergebnis durchaus vorzeigbar. Stolze 20 Jahre verheiratet, drei Kinder, keine Enkel (das wird sich hinziehen, O-Ton Ältester) und wie du, gelernte Krankenschwester. Das war damals anders als bei dir, nicht mein erster Berufswunsch, vielmehr Plan B, nachdem Plan A ausschied. Aber so war es eben bei mir, immer etwas drunter und drüber. * Der Alltag fängt uns unaufgeregt und routiniert ein. Wie die Tatsache das wir jeden Tag älter werden, ein Prozess, gegen den aller Widerstand zwecklos ist. Wir ackern in unserem Job, zu Hause wartet die Familie und man findet zu selten Zeit für die kleinen aber wichtigen Dinge. Ein kurzer Besuch bei den Lieben, einen Pott Kaffee, ein nettes Gespräch. Es ist oft nur ein Katzensprung und bleibt doch auf der Strecke. Das Leben zieht tagein tagaus monoton seine Bahn und gibt uns das beruhigende aber trügerische Gefühl der Sicherheit. Wir glauben, zu wissen, was uns erwartet, wenn wir morgens aufstehen. Bis zu diesem einen Moment wo alles auf den Kopf gestellt wird. Nichts ist mehr Routine und die Angst vor dem, was auf uns zukommt, frisst eifrig Löcher in die warme Decke der beruhigenden Sicherheit, weil Alles sich verändert hat. Es gibt da diesen Spruch, der mir zur Zeit oft durch den Kopf geistert. „Arbeit macht das Leben süß, macht es nie zur Last, Der nur hat Bekümmernis, Der die Arbeit hasst.“ Gottlob Wilhelm Burmann Mutti zitierte ihn an passender Stelle immer gern. Als Kind verstand ich nicht mal im Ansatz den Sinn. Wenn sie mich damals mit dieser feingeistigen Weisheit zu lästigen Aufgaben verdonnerte, hatte das nie den von ihr gewünschten Effekt. Das Zimmer aufräumen, den Müll runter tragen oder in der Küche helfen hatte in meinen Augen nichts Süßes an sich. Ich fand es furchtbar belastend und logisch habe ich es gehasst. Zur Motivation damals ein echter Rohrkrepierer. Erst viele Jahre später, im Job fing ich langsam an zu verstehen, was sie versuchte uns mit auf den Weg zu geben, die tiefere Bedeutung hinter den Worten. So simpel wie es klang, war es aber nicht. Mit einem Lächeln morgens aufzuwachen und voller Freude auf den Arbeitstag beschwingt aus der Tür zu tanzen, bleibt heute für viele Menschen leider nicht mehr, als eine entzückende Vorstellung. Die diabolische Fratze der Wirklichkeit grinst ihnen stattdessen jeden Tag höhnisch ins Gesicht. Auf dem freien Wirtschaftsmarkt, überall dort wo große Konzerne und Investmentfirmen sich tummeln und nach dem fettesten Gewinn streben, versuchen sie stattdessen, den Arbeitstag irgendwie zu überstehen. Erfolgsgeschichten werden von engagierten, optimierungswütigen Geschäftsführern geschrieben die eine spezielle Sache exzellent beherrschen, die Welt der Zahlen. Eng mit ihren mathematischen Formeln, Statistiken und Diagrammen verbunden sind sie studierte Ökonomen, Betriebswirte oder Ingenieure. Sozialkompetenz und Empathie sind nicht förderlich in ihren Jobs und oft nur rudimentär vorhanden. So trifft man vermutlich im erfolgreichen Management eher auf Menschen mit dissozialen Persönlichkeitsstörungen als auf Humanisten. „Dissoziale Persönlichkeit: trickreiche und sprachgewandte Blender mit oberflächlichem Charme, erheblich übersteigertem Selbstwertgefühl, Erlebnishunger, ständigem Gefühl der Langeweile, krankhaftem Lügen und betrügerisch-manipulativem Verhalten, Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein, oberflächlichen Gefühlen, auf jeden Fall keinem Einfühlungsvermögen für Andere, eher Gefühlskälte, parasitärem Lebensstil (gnadenlose Ausnutzer),“ Prof. Dr. med. Volker Faust und welche Rolle übernehmen wir, wenn diese karrierefördernden Störungen in unserer Persönlichkeit nicht angelegt sind? Mit Empathie und Sozialkompetenz im Gepäck ziehen wir voller Freude und Überzeugung los, um für das Wohlergehen der Firmen zu sorgen und das Bestehen unserer Jobs zu sichern. Eine Einstellung die zynisch betrachtet, wohl vergleichbar ist mit einer Maus, die täglich eine hungrige Katze besucht und sich als Futter anbietet. Wir ackern unermüdlich um es am Laufen zu halten. Tag für Tag, für Tag. Die Motivation für diesen aussichtslosen Kampf ziehen wir aus der Anerkennung unserer Leistung die sich in lohnenden Gehältern und tadellosen Arbeitsbedingungen zeigt, so hoffen wir. Nach einer grammatikalischen Korrektur der Zeitform, „sollten wir aus lohnenden Verdiensten und anständigen Bedingungen ziehen“ ist dieser Satz in der Wirklichkeit angekommen. Es ist eine im Sterben liegende Hoffnung, ein frommer Wunsch. Solche Formen des Ansporns stehen längst auf einer Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Motivationsarten und fallen unaufhaltsam der Wirtschaftlichkeit zum Opfer. Sie sind ersatzlos gestrichen und durch das schmucklose Prinzip der Notwendigkeit ersetzt worden. Ein nötiges Übel das uns mit einem Arschtritt morgens aus dem Bett befördert und mit einem quälenden Ohrwurm über den Tag verfolgt. „Ich muss, ich muss, ich muss“ und im Refrain „nicht zu ändern, nicht zu ändern.“ Mit einer melancholischen Melodie, nach der niemand mehr Lust hat, lächelnd und beschwingt aus der Tür zu tanzen. Letztens erzählten wir Beide bei einem Pott Kaffee über die Arbeit und wie es früher war. Im Schwesternzimmer saß man in den Pausen zusammen, ob für einen kurzen Plausch oder eine schnelle Zigarette. Niemand hetzte durch die Schicht wie ein Getriebener und suchte...