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Lang | Von Angesicht zu Angesicht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 190 Seiten

Lang Von Angesicht zu Angesicht

Einblicke in die Krisen- und Lebensberatung einer "Offenen Tür"
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-5270-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Einblicke in die Krisen- und Lebensberatung einer "Offenen Tür"

E-Book, Deutsch, 190 Seiten

ISBN: 978-3-8192-5270-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In zahlreichen deutschen Großstädten bieten Offene Tür-Stellen Krisenberatung und Seelsorge an: niederschwellig, kostenfrei und auf Wunsch anonym. Ein Erstgespräch ist zu den Öffnungszeiten ohne Termin möglich. Die in diesem Buch versammelten Essays des evangelischen Leiters der Karlsruher Krisenberatungsstelle brücke gewähren Einblicke in die Welt professioneller kirchlicher Krisenberatung. Sie zeigen anschaulich, was möglich ist, wenn sich Menschen in ihrer Verletzlichkeit von Angesicht zu Angesicht begegnen.

Christoph Lang studierte Evang. Theologie in Marburg, Basel und Tübingen. Nach Vikariaten im Kraichgau und in Mosbach war er zwanzig Jahre Gemeindepfarrer im Landkreis Karlsruhe mit dem Schwerpunkt Beratende Seelsorge. Seit 2019 ist er evang. Leiter der Ökumenischen Krisenberatungsstelle brücke in Karlsruhe. Als Personzentrierter Berater, Coach (GwG) und Lehrsupervisor (DGSv) schlägt sein Herz für eine Kirche, die nahe dran ist an den Menschen.
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3 Exemplarische Themen der Beratung


Wann und wo immer sich Menschen „von Angesicht zu Angesicht“ begegnen, können grundlegende Lebens- und Sinnfragen, Konflikt- und Entwicklungsthemen zur Sprache kommen. Dabei berühren und überlagern sich die Themen der Gespräche oft wie in einem Kaleidoskop. Insofern ist die Frage gar nicht so leicht zu beantworten, mit welchen Themen die Menschen eigentlich zu uns in die Krisenberatungsstelle kommen. Sie bringen immer sich selbst und ihre einmalige und einzigartige Geschichte mit – und zeigen im Gespräch bestimmte Ausschnitte ihres Erlebens. Dennoch gibt es einige wiederkehrende Motive, von denen ich in diesem dritten Kapitel einige herausgreifen und ausführlicher exemplarisch darstellen möchte.

3.1 Lieben und Loslassen


Ausgehend von einigen exemplarisch dargestellten Dynamiken spätmoderner Liebesbeziehungen wird der paartherapeutische Grundgedanke der Selbstberuhigung nach Tobias Ruland als Hilfe zur Emotionsregulation für die Beziehungsgestaltung entfaltet. Hypnosystemische Überlegungen zur Rolle von Spiritualität und Meditation ergänzen diesen Ansatz und erweisen sich als Chance für die Beratung von Einzelnen und Paaren.19

Fall-Vignetten – Beziehungskiste


Frau und Herr E. (beide etwa 60) kommen zunächst jeweils allein in die Beratungsstelle. Aufgrund der Tatsache, dass unsere Beratung auf Wunsch anonym stattfindet, wird erst nach zwei Gesprächen deutlich, dass die beiden ein Ehepaar sind. Während Frau E. über mangelnde Empathie ihres Mannes klagt, berichtet Herr E. unter Tränen vom gemeinsamen Hausbau-Projekt, bei dem er die ganze Last der Entscheidungen allein zu tragen habe. Im Lauf der Folgegespräche hole ich mir die Erlaubnis, den Ehepartner darüber zu informieren, dass ich mit beiden im Gespräch bin. Ein gemeinsames Gespräch mit mir als Berater können sich beide erst nach einigen Folgeterminen vorstellen. In der Paarberatung arbeiten wir dann an der Klärung der Frage, ob und wie es eine gemeinsame Zukunft geben könnte.

Drei junge Erwachsene (alle Mitte 20) sitzen mir in unserem Gruppenraum gegenüber, zwei Frauen und ein Mann, alle in Ausbildung oder Studium. Nach kurzer Zeit zeigt sich, wie verwickelt die drei jungen Menschen miteinander sind: Während sich eine der beiden Frauen eine exklusive Paarbeziehung mit dem Mann wünscht, will er eine offene Beziehung mit beiden Frauen leben. Die andere junge Frau kann sich mit beiden Personen eine offene und intime Beziehung vorstellen und wünscht sich das auch. Da die drei in einer Wohngemeinschaft leben, stellt sich die Frage, wie dieses Konzept von wem gelebt werden kann und welche Dynamiken dabei zu erwarten sind.

Ein Mann (Mitte 30) berichtet von seinem Umzug und dem Zurücklassen des alten Freundeskreises und der Arbeitsstelle, um nun näher bei seinem Lebenspartner sein zu können. Seit dem Umzug vor einigen Monaten erlebt er, wie er sagt, depressive Episoden und möchte ergründen, ob und wie das mit seiner Entscheidung zusammenhängt, für den Partner das alte Lebensumfeld mit den besseren Karrierechancen verlassen zu haben. In den folgenden Gesprächen will er herausfinden, was er tun kann, um die Liebesbeziehung zu seinem Partner zu stabilisieren, ohne die Beziehung zu überfordern. Dabei gerät die Dynamik der beiden psychosozialen Grundbedürfnisse Autonomie und Verbundenheit immer wieder in den Fokus.

Lieben und Loslassen


Während ich (weiß, heterosexuell, seit fast 30 Jahren verheiratet) diese Zeilen schreibe, küssen sich an der Straßenecke zwei junge Frauen ganz selbstverständlich. Daneben scheint ein Papa mit seiner neuen Partnerin Kinder in Empfang zu nehmen. Die Mutter der Kinder geht in eine andere Richtung weg. Auf der anderen Straßenseite blinkt das rote Herz eines Bordells. Einer meiner Besucher aus der Beratungsstelle geht mir durch den Kopf. Kaum ein Gespräch, bei dem es nicht um Sex geht. „Ich muss halt einfach in den Puff gehen, weil ich den Scheiß aus dem Internet dauernd angucke.“ Modern Love. Konzepte und Begriffe wie Outing, Regenbogenfamilie, Polyamorie, Transsexualität und dergleichen spielen auch in Seelsorge und Beratung eine wichtige Rolle. Scheinbar unendliche Möglichkeiten sich zu verlieben und sich lieben zu lassen, und zugleich viel Unsicherheit nicht nur bei jungen Menschen. Und im Netz mehr Antworten als Fragen zu all den Themen rund um Liebe, Partnerschaft und Sexualität.20

Der Schein des Anderen: Empathie und Virtualität


Der Heidelberger Philosoph und Psychiater Thomas Fuchs analysiert das Bindungsverhalten in Zeiten der Digitalisierung und der Virtualisierung unseres Alltags so:

Noch wissen wir zu wenig über die langfristigen Folgen dieser Entwicklung. Aus Längsschnittstudien gibt es Hinweise auf einen signifikanten Rückgang empathischer Fähigkeiten seit der Jahrhundertwende. Eine wahrscheinliche Ursache dürfte in der Zunahme virtueller Beziehungen und fiktionaler Empathie liegen, verbunden mit einer Verringerung zwischenleiblicher Erfahrung. Zwar schaffen virtuelle Medien ausgedehnte Netzwerke schwacher Bindungen, die sich ohne aufwändige Investitionen aufrechterhalten und abrufen lassen. Doch die Quantität der Kontakte im homogenen virtuellen Raum tritt offenbar zunehmend an die Stelle der Qualität empathischer Beziehungen und vertiefter Bindungen im leiblichen Raum abgestufter Nähe und Intimität.21

Thomas Fuchs verweist auf den engen Zusammenhang zwischen Empathie und Bindungsfähigkeit. Weil viel Zeit mit Online- statt mit realen Interaktionen verbracht wird, verändert sich die interpersonelle Dynamik der Empathie. So ist es zwar leichter geworden, Freundschaften und Beziehungen online zu etablieren, doch diese Fähigkeiten lassen sich nicht in reibungslose soziale Beziehungen im wirklichen Leben übertragen. Gleichzeitig haben die sicheren Bindungsstile bei jungen Menschen in den letzten Jahrzehnten signifikant ab- und die unsicheren Bindungsstile zugenommen. Neue Kommunikationsmedien haben die Empathie- und Bindungsfähigkeiten von Jugendlichen nicht gesteigert, sondern eher beeinträchtigt.

Entscheidungen und Abbrüche: first cut


In der Krisen- und Lebensberatungsstelle wie auch in meiner Zeit als Gemeindepfarrer beobachte ich diese Phänomene. Hochzeitspaare lernen sich selbstverständlich im Internet kennen. Alltagskonflikte bei jungen Paaren entzünden sich immer öfter an der Nutzung von social media. Und wie schwer es für Jugendliche und junge Erwachsene geworden ist, sich in einer Beziehung wirklich zu binden, sich füreinander zu entscheiden, zeigen die vielen Gespräche mit jungen Menschen rund um Partnerschaftsfragen. Da ist auf der einen Seite das Idealbild der ewigen Liebe, durch moderne Medien treffend inszeniert bis hin zur Hochzeit in Weiß. Und auf der anderen Seite scheint die Sache mit der Entscheidung für diesen einen Menschen zugleich so mühsam. Eine junge Studentin kommt zum Gespräch in die Beratungsstelle. Es geht um den „first cut“. Der Freund, mit dem sie seit fünf Jahren zusammen war, hat vor drei Wochen per Mobiltelefon „Schluss gemacht“. Es ist ihr körperlich anzusehen, wie sehr sie leidet. „Es ist alles sinnlos und der Schmerz wird niemals weggehen.“ Im Zuhören und vorsichtigen Annehmen dessen, was ist, gelingt eine allmähliche Beruhigung im Erstgespräch. In der Verwirrung des Moments mischen sich Trauer und Wut mit kurzem Lächeln und der verwegenen Hoffnung, dass es doch noch einmal werden könnte. Warum tut es so weh? Mit dem Hohenlied der Liebe mag man raunen: „Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine gewaltige Flamme“ (Cant 8, 6).

Entscheidungen und Abbrüche: dead end


Aber auch nach sehr langer Zeit der Partnerschaft kann sich die einst getroffene Entscheidung jetzt als nicht mehr haltbar erweisen. Ohne Frage können sich Paarbeziehungen so entwickeln, dass eine Trennung der bessere Weg des Miteinanders ist als das weitere Zusammenleben. Pastoraltheologisch interessant war für mich die Erfahrung, wie meine Gemeinde damit umging, als ein Ehepaar im Dorf erzählte, dass der Pfarrer sie bei ihrer Trennung begleiten werde. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Botschaft: Die trennen sich mit dem Segen des Pfarrers! Das stimmte so, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch keine Agende dafür gab. Mir schien es richtig, die beiden nicht allein zu lassen. Die sich anschließenden Gespräche im Ältestenkreis waren konstruktiv und haben für das Thema Trennung und Scheidung sensibilisiert. Wege aus der Sackgasse haben dann manchmal auch mit Umkehr, mit neuem Denken, mit Fragen von Schuld und Vergebung zu tun, und das auf allen Seiten.22

Entscheidungen und Abbrüche: long love


Wenn ich mich frage, was mich bei Ehejubiläen immer wieder berührt, dann ist es die Art und Weise, wie es zwei Menschen miteinander schaffen, in allen Veränderungen aufmerksam und respektvoll miteinander zu bleiben. Wie es ihnen gelungen ist, nichts von alledem selbstverständlich zu erachten und wie sie, je älter sie werden, dem anderen immer noch zeigen, wie kostbar und wertvoll...



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