E-Book, Deutsch, Band 16, 448 Seiten
Reihe: Skulduggery Pleasant
Landy Skulduggery Pleasant (Band 16) - Nur Mord im Kopf
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7320-2287-8
Verlag: Loewe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dem Serienkiller auf der Spur - Die Urban-Fantasy-Kultserie geht in die dritte Staffel
E-Book, Deutsch, Band 16, 448 Seiten
Reihe: Skulduggery Pleasant
ISBN: 978-3-7320-2287-8
Verlag: Loewe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Derek Landy, geboren 1974, arbeitete als Karatelehrer und Drehbuchautor, bevor er die Idee zu seinen erfolgreichen Skulduggery-Pleasant-Büchern hatte. Die Reihe wurde in 35 Sprachen übersetzt, mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und stürmte weltweit die Bestsellerlisten. Derek Landy lebt in der Nähe von Dublin in einem Haus, das vollgestopft ist mit Filmrequisiten. Besonders stolz ist er auf sein Original-Supermankostüm. Der englischsprachige Blog von Derek Landy ist unter dereklandy.blogspot.de zu erreichen.
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ES BEGANN MIT ANRUFEN.
Eine unterdrückte Nummer und eine lange, leere Stille. Wann immer Gavin versuchte, sich den Anrufer vorzustellen, sah er ihn – oder sie; seine Vorstellungskraft konnte sich nie für das Geschlecht oder das Aussehen entscheiden – einfach nur dastehen, den Kopf gesenkt. Niemals sitzend, niemals gehend – nur stehend. Er konnte es förmlich in der Stille spüren, diese Erwartung, dieses spannungsgeladene Potenzial. Als würde der Anrufer Energie sammeln … sich darauf vorbereiten, zuzuschlagen.
Er wusste nicht, wer es auf ihn abgesehen hatte oder warum. Zweifellos hatte irgendein Jugendlicher, der sich beim Videospielen langweilte oder etwas in der Art, diese Nummer wahllos eingetippt und beschlossen: »Ja, das ist die Person, die ich quälen werde.« Jugendlicher – im Singular. Nicht Jugendliche. Dies war kein lustiger Streich, den man mit Freunden spielte. Im Hintergrund war kein Kichern zu hören oder leise Stimmen in der Leitung. Nur die lange, einsame Stille.
Also tat Gavin, was jeder tun würde – er nahm keine Anrufe von unterdrückten Nummern mehr entgegen. Eine einfache Lösung, dachte er, während er zur Arbeit ging, mit seinem Hund spielte, neben seiner Frau einschlief. Er hatte wirklich Besseres zu tun, als die Anrufe irgendeines dummen Witzbolds anzunehmen. Zum Beispiel sich Gedanken über das Wasser machen. Es bereitete ihm wieder Probleme. Die Gemeindeverwaltung war zwar so hilfsbereit, wie sie nur sein konnte, aber sie erinnerte ihn auch immer wieder daran, dass sein Haus genau genommen außerhalb ihrer Zuständigkeit lag, und er merkte, dass man dort langsam genug von seinen Beschwerden hatte.
Dabei beschwerte Gavin sich nicht gern. Er hatte noch nie einen Teller an die Küche eines Restaurants zurückgeschickt und konnte sich nicht vorstellen, dass er jemals verlangen würde, sofort mit dem Geschäftsführer eines Ladens zu sprechen.
Das bedeutete allerdings nicht, dass er ein Schwächling war. Er war der Typ im Kino, der zu einem Störenfried ging und ihn höflich, aber bestimmt aufforderte, leise zu sein oder sein Handy wegzulegen. Wenn es darum ging, in Ruhe einen Film zu genießen, war Gavin durchaus bereit, Wirbel zu machen.
Als dann sein eigenes Handy klingelte, laut und unangenehm, in einem überfüllten Kino, genau in dem Moment, als der maskierte Mörder das letzte Mädchen durch das alte, mit den Leichen ihrer toten Freunde gepflasterte Haus verfolgte, war das mehr als beschämend.
Er schaltete sein Mobiltelefon immer in den Flugmodus, sobald er sich auf seinen Platz setzte. Das war sein Ritual: Er stellte sein Getränk in den Becherhalter, schob dann den Strohhalm in den Becher, schaltete den Flugmodus ein und putzte zum Schluss seine Brillengläser – ob sie es nötig hatten oder nicht.
Während sich der ganze Saal umdrehte und ihn anfunkelte, zerrte er das Handy aus seiner Hemdtasche und tippte wie wild auf dem Display herum. Aber das Ding wollte einfach keine Ruhe geben. Er versuchte es auszuschalten, machte dabei aber irgendetwas falsch, wodurch es nur noch lauter wurde. Also hastete er durch den Gang, klemmte sich das Gerät unter die Achselhöhle und stürmte durch die Tür in den stillen, mit Teppich ausgelegten Korridor.
Gavin hielt das Handy so fest umklammert, dass es ihn nicht gewundert hätte, wenn es ihm in der Hand zerbrochen wäre. Er erkannte die Nummer auf dem Display nicht, genauso wenig wie den Klingelton. Er benutzte nicht mal einen Klingelton – er hasste die verdammten Dinger und ließ sein Handy immer nur vibrieren. Dann wischte er zum Abheben über den Bildschirm und hielt sich das Gerät ans Ohr.
»Ja?«, fragte er und hasste den Anrufer jetzt schon – egal, wer es war. Als keine Antwort kam, nahm seine Wut zu. »Ja? Hallo?«
Noch immer nichts. Der Anrufer konnte zweifellos die Wut in seiner Stimme hören – aber das Ganze war nicht seine Schuld. Gavin war derjenige, der es vermasselt hatte. Er atmete tief durch und sagte dann so ruhig wie möglich: »Hallo, hier spricht Gavin Fahey.«
Der Anrufer antwortete nicht, legte aber auch nicht auf.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Gavin.
Nichts. Es war wieder dieser Scherzkeks. Er musste es sein. Nur dieses Mal hatte er seine Nummer nicht unterdrückt – was bedeutete, dass Gavin sie jetzt blockieren konnte. Er legte auf und tat genau das. Dann stellte er das Handy auf Vibrationsalarm und schob es wieder in die Tasche, bevor er den Kinosaal betrat.
Allerdings kehrte er nicht auf seinen Platz zurück. Er wollte nicht noch mehr Unruhe stiften als ohnehin schon und hatte keine Lust auf weitere wütende Blicke der anderen Kinobesucher. Außerdem war der Film fast zu Ende. Er hatte sich gerade an die Rückwand gestellt, als das letzte Mädchen den maskierten Killer erschoss, der rückwärts über das Treppengeländer kippte und in die Tiefe stürzte.
Das letzte Mädchen stieg die Treppe hinunter, den Mörder die ganze Zeit fest im Blick. Sie kannte sich aus, dieses Mädchen. Sie wusste: Wenn sie den Killer auch nur für einen Moment aus den Augen ließ, würde er verschwinden. Also ging sie die Treppe hinunter, die Waffe in den zitternden Händen, während ein dünnes Rinnsal Blut aus einem perfekten Schnitt quer über ihrem Wangenknochen lief.
Ihre Schuhe knirschten über zerbrochenes Glas, als sie sich der regungslosen Gestalt näherte. Gavin schätzte, dass sie höchstens noch zwei Kugeln übrig hatte. Das Mädchen bewegte sich vorsichtig durch den Raum und hielt sich von den Händen des Mörders fern. Langsam ging sie in die Hocke, griff nach der Maske, zog sie ab und entblößte den Schauspieler aus dieser Fernsehserie.
Hm. Normalerweise wusste Gavin immer lange im Voraus, wer der Täter in diesen Filmen war. Dieser hier hatte ihn überrascht. Das gefiel ihm.
Plötzlich riss der Mörder die Augen auf, und das letzte Mädchen zuckte zurück und drückte ab. Aber die Waffe war leer, wie sich jetzt herausstellte, und der Mörder stürzte sich auf sie, und Gavins Handy klingelte erneut.
Er wirbelte herum, stürmte aus dem Saal und entfernte sich von der Tür, die sich hinter ihm schloss. Eine weitere Nummer, die er nicht kannte. Er wischte über das Display, um das Telefonat anzunehmen.
»Ja?«, fragte er, dieses Mal richtig wütend.
Keine Antwort.
Gavin sagte nichts, beschimpfte den Scherzkeks nicht, wollte ihm nicht die Genugtuung geben, dass er ihn wieder erwischt hatte. Stattdessen legte er einfach auf, blockierte die Nummer und schaltete sein Handy erneut auf Vibrationsalarm. Morgen früh würde er herausfinden, was hier schiefgelaufen war. Aber heute Abend war er nicht in der Stimmung dazu.
Das Einkaufszentrum lag ruhig da, als Gavin zum Parkhaus ging. Es war immer eine surreale Erfahrung, ein weites Areal zu durchqueren, das eigentlich total belebt sein sollte, jetzt aber leer war. Die Schaufenster waren dunkel, die Türen verriegelt. Irgendwo in der Ferne polierte jemand den glatten Fußboden.
Er bezahlte sein Parkticket und ging dann die Treppe hinauf. Die Glastüren glitten auf, und er betrat den vierten Stock des Parkhauses. Sein Lexus – zwölf Jahre alt, silbern, in gutem Zustand, obwohl er dringend eine Wäsche brauchte – wartete ganz allein auf dem Beton. Beim Gehen hallten seine Schritte durch die Leere. Die Szene hätte aus dem Horrorfilm stammen können, dessen letzte Minuten er gerade verpasste.
Gavin war auf halbem Weg zu seinem Auto, als die Titelmelodie von Halloween aus seiner Tasche ertönte und ihn regelrecht zusammenzucken ließ.
Er holte das Handy hervor – er hatte gar nicht gewusst, dass er den Halloween-Klingelton überhaupt besaß – und wollte den Anruf beenden, ohne abzunehmen. Aber der Name seiner Frau blinkte ihm entgegen. Er atmete tief durch und setzte seinen Weg fort, bevor er das Gespräch annahm.
»Hey«, sagte er. »Ich komme gerade aus dem Kino. Mit meinem Handy stimmt irgendwas nicht, also wundere dich nicht, wenn die Verbindung plötzlich abbricht. Alles in Ordnung bei dir?«
Jessica antwortete nicht sofort.
»Hallo?«, fragte Gavin. »Kannst du mich hören? Wahrscheinlich ist der Empfang nicht so gut – ich rufe dich zurück, wenn ich unterwegs bin. Okay, Schatz?«
»Schatz«, sagte eine Stimme, die nicht seiner Frau gehörte.
Eiswasser schoss durch Gavins Adern. Er blieb stehen und blinzelte.
Irgendetwas stimmte nicht mit der Leitung – eine Verfälschung des Klangs, die ihre Stimme verzerrte, das war schon alles.
»Jessica?«, fragte er.
»Jessica«, wiederholte der Anrufer spöttisch.
Eine ganz neue Art von Angst machte sich in Gavin breit – eine Angst, wie er sie noch nie gekannt hatte, während die Möglichkeiten und die Auswirkungen dieser Möglichkeiten seine Gedanken überfluteten. Jemand hatte das Handy seiner Frau. Jemand war in diesem Moment in seinem Haus, mit dem Handy seiner Frau in der Hand, und seine Frau war … was? … verletzt? Verwundet? Tot?
»Wer ist da?«, fragte er. »Wo ist Jessica?«
»Unten«, sagte der Anrufer.
Ein Rauschen erfüllte Gavins Ohren, das ihn ins Stolpern brachte. »Tun Sie ihr nicht weh«, flüsterte er.
Der Anrufer lachte leise.
»Tun Sie meiner Frau nichts!«, schrie Gavin in das Handy. Er stürzte zum Auto, schloss es auf und sprang hinein. Dann ließ er den Motor an, und schon während er ausparkte, übernahm die Freisprechanlage den Anruf und er konnte sein Handy auf den Beifahrersitz legen.
»Du wirst es nie rechtzeitig schaffen«, sagte der Anrufer.
Gavin ignorierte die höhnische Bemerkung und...