E-Book, Deutsch, 170 Seiten
Lamprecht / Hammel / Hürzeler Wie das Nashorn Freiheit fand
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-497-61772-2
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
120 Geschichten zum Umgang mit Krisen
E-Book, Deutsch, 170 Seiten
ISBN: 978-3-497-61772-2
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Krisen fordern uns heraus: persönliche Krisen wie eine schwere Erkrankung, Beziehungskrisen mit nahestehenden Menschen, gesellschaftliche Krisen wie die Auswirkungen des Klimawandels und Kriege. In solchen Situationen gewohnte Pfade zu verlassen, auch Altbekanntes zu hinterfragen, birgt erstaunliche Einsichten und schafft Raum für Entwicklung. Die Geschichten in diesem Buch erleichtern mit unerwarteten Wendungen diesen Schritt zum Perspektivenwechsel. Sie sprechen in Bildern zu uns, eröffnen einen anderen Zugang zur Krise und helfen so bei der persönlichen Entwicklung. Sie ermutigen dazu, auf die eigenen Bedürfnisse und Ressourcen zu achten, eigene und fremde Misserfolge zu tolerieren und damit krisenkompetent zu werden.
Zielgruppe
PsychologInnen, PsychotherapeutInnen und andere Berufsgruppen in psychosozialer Beratung und Therapie; interessierte Betroffene
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1Der Einzelne: Bewältigung individueller Krisen und Entwicklung der Persönlichkeit Jedes einzelne Glied einer Gruppe und der Gesellschaft, stärkt diese mit seinen individuellen Ressourcen. Auch wenn es sich in familiären, gesellschaftlichen oder globalen Krisen oft schwach und unzulänglich fühlt, führt kein Weg an der Ermächtigung jedes Einzelnen vorbei. Herauszufinden, welche Verantwortung vom einzelnen Individuum im Rahmen seiner Möglichkeiten und Kompetenzen wahrzunehmen ist, kann als Kernaufgabe bezeichnet werden. Dabei fällt der Selbstfürsorge eine lebenswichtige Schlüsselrolle zu. Dies bedeutet gleichzeitig, dass man diese vor allem auch selbstverantwortlich wahrnimmt. Denn der Einzelne kann die Obhut für sein Wohlergehen nicht allein in die Hände anderer (Partner, Familien, Freunde, Gesellschaft) legen. Somit muss der Fokus zum einen auf der Gesunderhaltung (Resilienz) und anderseits auf der Krisenkompetenz bzw. Gesundwerdung (Salutogenese) liegen. Resilienz (Widerstandsfähigkeit) soll im obigen Zusammenhang als eine Persönlichkeitseigenschaft verstanden werden, mit welcher trotz Risikofaktoren (bspw. Gewalt, soziales Umfeld, Armut, Traumata etc.) Menschen in der Lage sind, ein erfolgreiches Leben zu führen. Nützliche Kompetenzen sind dabei: Selbstreflexion, Akzeptanz, Lösungsfokussierung, Erfolgsnetzwerk, Selbstverantwortung und Lebenszufriedenheit. Wie entsteht Gesundheit? Die drei Dimensionen der Salutogenese (Gesundwerdung) nach Aaron Antonovsky (1997) führen nicht nur dazu, die oben erwähnte Widerstandskraft zu erlangen, sondern sie auch erhalten zu können. Es sind dies: Handhabbarkeit (das Gefühl etwas bewältigen zu können), Sinnhaftigkeit (das Gefühl von Bedeutsamkeit) und Verstehbarkeit (Zusammenhänge des Lebens verstehen können) in ihren gegenseitigen Wechselwirkungen. Segway fahren Burnout, Gesundheit, Partnerschaft, Team, Trauma Kennen Sie diese seltsamen Fahrzeuge: Ein Brett zwischen zwei Rädern, darauf steht ein Mensch und fährt mit einem Elektroantrieb entspannt und leise vor sich hin? Und man wundert sich, warum der nicht nach vorne oder hinten kippt. „Segway“ heißen die Dinger. Der Erfinder dieser seltsamen Gefährte hatte die folgende Idee: Wenn das Brett, auf dem der Fahrer steht, ein ganz wenig zu weit nach vorne kippt – vielleicht nur ein Viertel Grad – dann erzeugt das ein elektronisches Signal, um es nach hinten zu drehen, und wenn es ein winzig kleines bisschen nach hinten kippt, erzeugt das ein Signal, um das Brett wieder nach vorn zu drehen. Weil sich diese Prozesse in hundertstel Sekunden abspielen, braucht das System gar nicht so viel Energie, um die Stabilisierung herzustellen. Interessanterweise kann die Elektronik auch erkennen, wann das Brett kippt, weil es ein bisschen wackelig ist, und wann es kippt, weil ein Mensch sich absichtlich ein wenig nach vorne oder hinten lehnt. Wenn sich ein Mensch nach vorne lehnt, wird es schneller, lehnt er sich nach hinten bremst er ab. Und natürlich kann er sich auch nach rechts und links lehnen, um mit dem Gefährt in die Kurve zu gehen. Was, wenn wir unser vorbewusstes Erleben bitten könnten, für uns zu handeln, noch bevor wir bemerken, dass uns etwas zu viel wird – oder auch zu wenig? Unser Gehirn kann doch in tausendstel Sekunden Dinge erkennen, die unserem bewussten Denken erst nach einer Sekunde oder noch viel später und womöglich überhaupt nie bewusst werden … Auf diese Weise ließen sich vielleicht Erkältungen und Überhitzungen vermeiden, Verletzungen, Retraumatisierungen, Jähzornsausbrüche, Panikattacken – in einer Partnerschaft oder einem Team aber womöglich auch Eskalationsspiralen, die zwischen mehreren Personen stattfinden. Was, wenn es möglich wäre? Was, wenn es möglich ist? Wie können wir da hinkommen? Bäumiger Berater Konflikt, Kontrolle, Sinn, Wut „Lass es wachsen, Bruder“, meine ich die uralte Linde vor dem Haus sprechen zu hören. „Es gibt Tage der Fruchtbarkeit und solche des Rückzugs und Kränkelns. Dann kommen Tage des Grünens und der Vermehrung, dann wieder solche des Innehaltens und des Stillstands. Urteile nicht über das, was du im Moment siehst.“ Ich sitze draußen auf dem Balkon, im Blickfeld eine über hundert Jahre alte Linde und wollte gerade eine gehässige E-Mail schreiben. Der Blick in die Weite tut mir gut, ich werde diese E-Mail nicht senden. Ich werde sie der Linde zukommen lassen, sie soll sie mal prüfen. Vielleicht nimmt sie meinen Konflikt mit in ihre Welt? Entwicklung und Krise ist ein Prozess, welcher verschiedene Stadien durchläuft. Diese Geschichte möchte Einseitigkeiten weiten. Gehässige Reaktionen machen eine enge Sicht. Die Metapher eignet sich, Konflikte zu weiten und Dynamiken zu übergeben. So einen Baum kennen viele. Der Blick von der Klippe Angst, Ausbildung / Beruf, Erfolg, Gesundheit, Zuversicht Auf einer Wanderung kam ich zu einer Aussichtsplattform. Von einer hohen Klippe bot sich ein atemberaubender Blick in die Ferne. Während ich mich umschaute, hörte ich, wie neben mir zwei Männer ins Gespräch kamen. „Ist das nicht eine herrliche Aussicht?“, sagte der eine. „Mir macht es eher Angst.“ „Ich könnte ewig hier stehen und schauen.“ „Ich gehe jetzt mal langsam runter.“ „Man kann auch schnell runter“, sagte der eine und deutete auf den Abgrund. „Ich nehme den breitesten, flachsten, sichersten Weg, mit dem stabilsten Geländer, der hier zu finden ist. Wenn Sie möchten, können Sie ja die ‚Abkürzung‘ nehmen.“ „Ich nehme weder den kurzen noch den langen Weg nach unten. Ich bleibe oben.“ Die Geschichte erzähle ich Menschen, die skeptisch sind, ob das Gute, was sie in der Beratung oder Therapie erleben, denn auch hält, oder die auf andere Art Skepsis gegenüber dem Guten anmelden. „Ihre Einwände wollen Sie vor Enttäuschung beschützen“, erkläre ich ihnen. „Um Sie vor Enttäuschung zu bewahren, reden Sie das Gute klein. Wer wenig Gutes erwartet, bekommt meistens auch wenig Gutes. Indem Sie sich vor akuter Enttäuschung bewahren wollen, erzeugen Sie aus Versehen eine schleichende, chronische Enttäuschung. Sie brauchen aber gar nicht absteigen, um nicht abzustürzen. Sagen Sie diesen Befürchtungen, Meinungen und Einwänden einen schönen Gruß: Sie können einfach oben bleiben.“ Auf der Bremse stehen Angst, Gerechtigkeit, Neid, Sicherheit, Wahrnehmung Kürzlich blieb ich, nachdem ich vor einem Laden in eine Parklücke gefahren bin, noch einen Moment im Auto sitzen und studierte meine Nachrichten im Mobiltelefon. Plötzlich bemerkte ich, wie mein PKW langsam nach vorne und auf einen Abhang zu rollte. Heftig erschrocken trat ich blitzschnell auf die Bremse und musste feststellen, dass sie keine Reaktion zeigte. Jedoch einen Bruchteil einer Sekunde später realisierte ich, dass ich aus dem Augenwinkel unbewusst die Rückwärtsbewegung eines neben mir geparkten Fahrzeugs wahrgenommen und das irrtümlich so fehlinterpretiert hatte, dass mein Auto vorwärts rollte. In der neuen Wirklichkeit angekommen, in welcher mein Auto ruhig stand, konnte sich nun auch mein Adrenalinspiegel wieder senken und der Puls beruhigen. Der Mensch neigt dazu, die Wahrheit zu suchen, obwohl es keine objektive Wahrheit gibt. Das, was wir in jedem Moment erleben, ist das Produkt unserer Konstruktionen, die durch unser vermeintliches Wissen und unsere Erfahrungen gefärbt sind. Daher gehört es zu unseren Aufgaben, dass wir unsere Wahrnehmungen immer wieder mal einem Realitätencheck unterziehen. Auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen ist es oft ratsam, sich mittels Nachfragen ein Verständnis fürs Gegenüber und seine Ansichten zu erarbeiten. Berge wälzen Angst, Schlaf, Selbstsicherheit, Stress, Zuversicht Warum ich nicht mehr durchschlafen könne, fragt mich mein Bruder am Telefon. Ich antworte: „Am Ende der Ferien beginne ich eine neue Aufgabe. Was wird da auf mich zukommen? Bin ich dem gewachsen und ist es überhaupt machbar? Berge von unüberschaubaren Gedanken und unbeantworteten Fragen lasten auf mir! Ich glaube, mehr als zwei Drittel der Nacht wälze ich meine Gedanken und Fragen hin und her. Es wird nicht leichter!“ Darauf er: „Du weisst ja, Berge werden nicht erstiegen, wenn du von unten zu ihnen hinaufschaust. Da wälzt du den Aufstieg nur vor dir her. Hingegen kannst du ja mal versuchen, einen Tritt am Fuße des Berges zu finden. Vielleicht noch einen zweiten und dann einen dritten. Du machst immer wieder mal Pause und schaust, wo du schon gewesen bist und wo du noch hingehen willst. Vermutlich schaffst du dir einen Weg, der nach oben führt, womöglich musst du auch wieder umdrehen. Aber du schaffst dir einen Weg. Träum gut!“ „Aha“, sagte ich zu meinem Bruder, „was willst du mir denn damit sagen?...