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E-Book, Deutsch, 120 Seiten

Lammert Rot Gelb Blau

Texte zum Theater
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95749-268-5
Verlag: Theater der Zeit
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Texte zum Theater

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

ISBN: 978-3-95749-268-5
Verlag: Theater der Zeit
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mark Lammert, bekannt als Maler, Zeichner, Grafiker, dann auch als Schöpfer unverwechselbarer Bühnenräume, legt hier erstmals seine gesammelten Essays zum Theater vor. Geschult an Cézanne und Kandinsky in der Malerei, an Eisenstein und Godard im Film, an Brecht und Müller im Drama, sind seine Texte eine (Selbst-)Reflexion seiner Arbeit für ein Künstler-Theater im 21. Jahrhundert, wie sie auch lesbar sind als intime Annäherungen an Persönlichkeiten, mit denen er diese Arbeit vorangetrieben hat: Heiner Müller, Dimiter Gotscheff, Jean Jourdheuil und Valery Tscheplanowa. Lammert entwirft in seinen Essays komplexe Denk- und Assoziationsräume, in denen er – ähnlich wie in seinen vielfach ausgezeichneten Bühnenräumen – in der literarischen Form des zitatreichen Fragments grundsätzliche Fragen künstlerischer Entwicklung aufwirft. In Zeiten, in denen das Grau Brechts ebenso ausgespielt hat wie das Grellbunte Hollywoods, plädiert Lammert für eine Haltung, die Raum schafft für Sprache, Farben, Töne, für ein Denken, welches die Verhältnisse zum Tanzen bringt.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Raum als Dramaturgiemaschine
2007
von Mark Lammert / Seite 7

Müller und Malen
2007
von Mark Lammert / Seite 19

Schwarz, Rot, Weiß. Eigentlich: Gelb
2008
von Mark Lammert / Seite 24

ROT/GELB/BLAU
2009
von Mark Lammert / Seite 28

Godard Maler
Schönheit als Beute, Farbe als Verfremdung – alles ist Material (2009)
von Mark Lammert / Seite 44

Etwas über Gedärme, Melonen und Kleeblätter
Laudatio auf ein Trio mit Hirtenhund (2011)
von Mark Lammert / Seite 72

Der verliebte Partisan
Erinnerungen an Dimiter Gotscheff (2016)
von Mark Lammert / Seite 77

Die Katze von Kasan
KATJUSCHA oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben. Aus dem Kriegstagebuch eines Laudators (2018)
von Mark Lammert / Seite 102

Es gibt Lichtdramaturgie
Für Torsten König (2019)
von Mark Lammert / Seite 113

Textnachweise / Seite 119


Raum als Dramaturgiemaschine
2007
„Mein Stück (…) spielt in Räumen,
wo die Moral ersetzt wird durch die Ästhetik der Bühne.“ Jean Genet an Roger Blin1 Handlungsmotoren und Dramaturgiemaschinen
Wo eine Bewegung ist, bedarf es auch eines Antriebs. Hier ist davon zu reden, worin die Sprache ihren Raum findet, welchen Raum sie damit erzeugt und wie die Sprache räumlich bewegt wird. Solcherart Räume auf Bühnen, wie sie im Folgenden vorgestellt werden, sind als Skulptur sozial durch ihre Öffentlichkeit und beweglich durch ihre Benutzbarkeit. Sie stellen immer auch die Frage nach dem Körper, „das kleine Stück Raum“2, das „fragment d’espace“3. Er, der Körper, der der Akteur sein kann, ist mitzudenken. Als Antrieb und als derjenige, der die Folgen der Raumbewegung und die Um- und Übersetzung einer Raumveränderung zu tragen hat. Er ist immer mitzudenken, denn zwischen ihm und der Hülle, dem BÜHNENHAUS, gibt es nur den Raum und Licht. Die Bewegung zwischen Haus, Körper, Licht und Raum kann als flexibles System bezeichnet werden. Das Statische in solchen Konstruktionen kann Grundlage für Sprache sein. Erst die Bewegung macht Handlung. Die menschliche Bewegung kann den GRUNDRISS ausschreiten und die Maschine Raum kann ihn überschreiten: den Grundriss verändern, den Grundriss aufreißen. Das macht Raum und seine Bewegung wichtig. Der Raum agiert und erweitert, auch sich selbst. Dabei determiniert die Farbe den Raum nicht nur, sondern trennt ihn auch von Hülle und Körper. Der Akteur aber bleibt der in den Räumen nicht sesshafte Nomade der Sprache. Dem entsprechen die Parallelkonstruktionen sich bewegender Körper, die die Entfernung des Raums zum Publikum verändern, ebenso wie die Entgegenständlichung der skulpturalen Setzungen im Raum, die nicht abstrakt sind, sondern in ihrer Reduzierung als Analogie zum Kern des dramatischen Textes verstanden werden können. Diese Räume sind deshalb das Gegenteil von „Imitation of life“4 und gleichermaßen bezeichnen sie auch eine Entfernung von den Sehweisen des Bewegungsmediums Film. Die Isolierung des Augenblicks vom Kontext als Herangehensweise und die Verwandlung durch Bewegung aus der Bewegung selbst – das ist ein Kommentar und gleichermaßen Trennung zum Text. Aus dem Bedürfnis mitzuspielen entsteht eine Geometrie. Aus der Geometrie kann eine absichtsvoll ziellose Maschine entstehen, aus dieser wiederum eine sich selbst demolierende Maschine, eine auseinanderdriftende Dissonanz. Geometrie und Maschine kann in ihrer Entsprechung zum Plot die Bewegungsdramaturgie erzeugen. Wie aber funktioniert, wie bewegt sich eine absichtsvoll ziellose Maschine? Eine zum Stillstand gekommene Maschine
„Duell-Traktor-Fatzer“. Heiner Müller/Bertolt Brecht.
Regie: Heiner Müller, Berliner Ensemble, 1993 Müllers statischer Inszenierungsweise für „Duell-Traktor-Fatzer“ stand zunächst Matthias Langhoffs spielerische Brechung der Texte gegenüber, die auch in seinem Bühnenbildentwurf eine Entsprechung hatte. Heiner Müller kam damit nicht zurecht.5 Als ich hinzugezogen wurde, bestand die Herausforderung für mich im Bild einer zum Stillstand gekommenen Maschine, einer Gegenschräge der Zeit. Es begann insofern als Polemik. Die schräge Ebene, die durch einen überdimensionalen Tisch in einem zum Zuschauer hin abschüssigen Raum gestellt wurde, war zuallererst eine erzwingende Veränderung des gewohnten Bewegungsablaufs auf der Bühne und des Verhaltens der sich auf ihr bewegenden Körper zueinander. Die Polemik richtete sich gegen eine illusionistische und illustrative Abbildung von Vorgängen und Abläufen. Dem entsprach die Überlegung, die Geschichte rückwärts zu erzählen. Im Verhältnis von Tisch, schräger Ebene und Farbe (ein roter Streifen billigsten Fahnenstoffs verlief als schmaler roter Teppich parallel zum Tisch in der Bühnenmitte bis nach vorn zum Publikum), bezogen auf unterschiedliche Texte bzw. Textfragmente und -splitter, und der Veränderung der Körperbewegung lag ein Moment von Raumdramaturgie in Sinne von Gilles Deleuze: „Die Konstanten oder Invarianten eliminieren, nicht nur in der Sprache und den Gebärden, sondern auch in der theatralischen Repräsentation und in dem, was auf der Bühne repräsentiert wird; also alles eliminieren, was Macht ‚ausübt‘, die Macht dessen, was das Theater repräsentiert (…), aber auch die Macht des Theaters selbst.“6 Der Auflösung der Zeit im Text ist die Bewegungsdimension des Raums verbunden. In einer zeitgenössischen Rezension heißt es: „Mit dieser Anordnung setzte die Aufführung zwei verschiedene Orte, die zugleich eine Dissoziation in der Zeit bezeichneten. (…) Mit der Konzentration auf szenische Positionen wie Tisch und Stuhl (…) wurde die den Texten inhärente Statik noch verstärkt, Haltungen und Sätze determiniert. Erst in der Krise, dem Auf-stand, hätte die Sitzordnung in Bewegung geraten können.“7 Und weiter: „Die Inszenierung (…) markierte damit eine Grenze, in der Ausstellung eines Vakuums, das dem Publikum die eigene Totenstarre vorführte: ‚Es war ein Experiment an einem Kadaver. Die Leiche war das Publikum. Auf der Bühne die Gespenster, die Toten im Zuschauerraum‘ (Heiner Müller, 1995).“8 „Duell-Traktor-Fatzer“ schreibt die nicht realisierte Inszenierung von Bertolt Brechts „Die Maßnahme“ von 1930 fort. Sie ist insofern auch eine Erinnerung: „auf einem kleinen Podium, ich würde es den Corpus-Delicti-Tisch nennen, spielen die einzelnen Episoden der Handlung“.9 Im gemeinsam mit Heiner Müller konzipierten Arbeitsbuch zur Aufführung „Duell-Traktor-Fatzer“ ist daher bewusst eine Textpassage von Henri Michaux aufgenommen, die eine andere Bewegungsdimension des Tischs beschreibt: „Einmal auf ihn aufmerksam geworden, fuhr der Tisch fort, die Gedanken zu besetzen. Sozusagen bestand er sogar darauf, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Es fiel auf, dass er weder einfach noch wirklich komplex, ursprünglich oder zweckdienlich komplex oder nach einem komplizierten Plan konstruiert war. Stattdessen war er im Verlauf der Zimmerei desimplifiziert worden. Wie er da stand, war es ein Tisch der Hinzufügungen, fast wie bestimmte als überfüllt beschriebene Zeichnungen von Schizophrenen, und wenn fertig, war er es nur insofern, als es keinen anderen Weg mehr gab, noch etwas hinzuzufügen: der Tisch war mehr und mehr eine Ansammlung geworden und weniger und weniger ein Tisch. Er war nicht für einen bestimmten Zweck geplant, für irgendetwas, das man von einem Tisch erwartet. Schwer und klobig, war er so gut wie unbeweglich. Man wusste nicht, wie ihn zu handhaben (verstandesmäßig oder materiell). Der nutzbare Teil des Tisches, seine Hauptoberfläche, nach und nach reduziert, war im Verlorengehen: mit so wenig Verständnis zu seinem plumpen Gerüst machte das Ding nicht mehr den Eindruck eines Tisches, sondern den eines monströsen Möbelstückes, einer unbekannten Vorrichtung, für die es keinen Zweck gab. Ein entmenschlichter Tisch, nichts ‚Mittelständiges‘ an ihm, nichts Rustikales, nicht Veränderliches, kein Küchentisch oder Arbeitstisch: ein Tisch, der sich zu keiner Funktion hergab, sich selbst schützend, sich selbst dem Dienst und der Kommunikation gleichermaßen verweigernd. Etwas Lähmendes umgab ihn, etwas Versteinertes. Vielleicht erinnerte er an eine zum Stillstand gekommene Maschine.“10 Heiner Müller, November 1995: „Drama / Die Toten warten auf der Gegenschräge / Manchmal halten sie eine Hand ins Licht / Als lebten sie. Bis sie sich ganz zurückziehn / In ihr gewohntes Dunkel das uns blendet“11 Grundriss – Panoptikum
„Michel Foucault. Choses dites choses vues“. Regie: Jean Jourdheuil, Paris, Théâtre de la Bastille, Festival d’Automne, 2004 Bei dieser Inszenierung ging es nicht nur um einen Bühnenraum, sondern um eine mit Jean Jourdheuil gemeinsam hergestellte Textfassung für die Aufführung, die aus fragmentarischen, assoziativ aneinandergereihten Zitaten bestand. Die Dramaturgiemaschine im Bühnenraum bewegt hier die Handlung durch die Errichtung des Modells, eines Panoptikums. Es wird sukzessive durch acht blaue Platten geschlossen – analog der Blickverweigerung zwischen Standort und Beobachter. Durch die Drehbewegung des Panoptikums als Objekt wird gleichermaßen Raum generiert. Grundriss und Objekt fallen zusammen. Das Objekt wird zum Zeichen des Objekts und dessen Grund. Es entsteht ein Raum, der sich aus Perspektiven zusammensetzt. Einen Auf- oder Abgang gibt es nicht. Die Bewegung, der Zusammenbau der acht Wände, ist die einzige sichtbare Handlung und...


Mark Lammert, geboren 1960 in Ostberlin, studierte von 1979 bis 1986 Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Von 1989 bis 1992 war er Meisterschüler an der Akademie der Künste zu Berlin. Mark Lammerts Zeichnungen und Gemälde waren in zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen vertreten (zuletzt "Notation. Kalkül und Form in den Künsten", Akademie der Künste Berlin/ ZKM Karlsruhe, 2008/2009 und "Art of Two Germanys", Country Museum of Art, Los Angeles, 2009). 1993 schuf er seinen ersten Bühnenraum für Heiner Müllers Inszenierung "Duell-Traktor-Fatzer" am Berliner Ensemble. Mit den Regisseuren Jean Jourdheuil (u. a. "Michel Foucault, chose dites, choses vues", Festival d'Automne, Paris 2004; "Philoktet" (Sophokles/Müller), Théâtre de la Ville, Paris 2009) und Dimiter Gotscheff (u. a. "Die Perser" (Aischylos/Müller), Deutsches Theater, Berlin 2006; "Oedipus Tyrann" (Sophokles/Hölderlin/Müller), Thalia Theater, Hamburg 2009) verbindet ihn eine langjährige Arbeitsbeziehung, für die er immer wieder zum Theater zurückkehrt. 2010 je mehr ich zeichne/Zeichnung als Weltentwurf, Museum für Gegenwartskunst Siegen; 2012 Abschied von Ikarus, Neues Museum Weimar; 2013 WELTREISE, Kunst aus Deutschland unterwegs, Karlsruhe ZKM, Moskau u. a. Seit 2011 ist Mark Lammert Professor für Malerei an der UdK Berlin.



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