Lammer / Borck / Habenicht | Menschen stärken | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Lammer / Borck / Habenicht Menschen stärken

Seelsorge in der evangelischen Kirche

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

ISBN: 978-3-641-19163-4
Verlag: Gütersloher Verlagshaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Seelsorge – die »Muttersprache der Kirche«

Seelsorge ist Kernaufgabe und Kernkompetenz der Kirche. Diese Schrift soll dazu beitragen, das Profil der Seelsorge in der evangelischen Kirche darzustellen und zu schärfen. Sie bietet Orientierung für alle, die Seelsorge in Anspruch nehmen, anbieten, organisieren oder leiten. Umfassend informiert diese Publikation über die biblische und theologische Grundlegung der Seelsorge, über Methoden, Qualifikationen und Kompetenzen in der Seelsorge, greift Strukturfragen und Entwicklungsperspektiven für die seelsorgliche Angebotspalette der Zukunft auf und nimmt notwendige strukturelle Steuerungs- und Qualitätssicherungsmaßnahmen in den Blick.

  • Ein wichtiger Beitrag für alle, die in und außerhalb der Kirche wissen wollen, was Seelsorge will und tut
  • Eine Ermutigung, die Seelsorge der Kirche in Anspruch zu nehmen
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3. Welche gesellschaftlichen Entwicklungen fordern die Seelsorge heraus? Befunde und Bedarfe3 (Ingo Habenicht) 3.1 Veränderte Lebenswelten schaffen veränderte Lebenslagen Lebenslagen verändern sich, wenn Lebenswelten sich verändern. Umwälzende Entwicklungen haben Konsequenzen für die Gesellschaft und das Individuum. Seelsorge hat damit verantwortungsvoll umzugehen. Wahlbiografien statt Normalbiografie, Veränderungen in Familien und Haushalten Der Prozess zunehmender Individualisierung hat dazu geführt, dass an die Stelle vorgeprägter Lebensläufe, die einer »Normalbiografie« folgten, vielfältige »Wahlbiografien« getreten sind. Die klassische, bürgerliche (Klein-)Familie ist durch eine Pluralität von Lebensformen abgelöst worden. Feste Bilder lösen sich auf, neue Wertvorstellungen entstehen, Wahlmöglichkeiten und Entscheidungsnotwendigkeiten nehmen zu. Der einzelne Mensch lebt mit der Chance und zugleich mit dem Risiko, die eigene Biografie selbst entwerfen und realisieren zu müssen. Seelsorge hat es deshalb zunehmend mit Menschen zu tun, die mit Identitäts-, Entwicklungs- und Entscheidungsfragen beschäftigt und deshalb auch häufig verunsichert sind; sie muss Menschen in Suchbewegungen ergebnisoffen beraten und in einer »Risikogesellschaft« stärken. Globalisierung und Mobilität Die Globalisierung der Wirtschaft verbindet sich für den Einzelnen mit einem Zwang zur Mobilität. Von der Bereitschaft zu Ortsveränderungen hängen in hohem Maße die Chancen auf Zugang zur Erwerbsarbeit und der Erhalt des Arbeitsplatzes ab. Familiäre und weitere private Beziehungen müssen dahinter oft zurückstehen. Seelsorge hat es dadurch zunehmend mit Menschen zu tun, die an dem Ort, an dem sie leben, nicht zuhause sind oder sich dort nicht zuhause fühlen, häufig auch den Lebensschwerpunkt wechseln. Das erschwert Zugänge zur Seelsorge über ortsgemeindliche Strukturen und erfordert andere Kontaktmöglichkeiten. Ökonomisierung und Existenzangst Infolge der weltweiten Ökonomisierung und des damit einhergehenden permanenten Rationalisierungsdrucks wachsen bei vielen Menschen Sorgen um die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse bis hin zu Existenzangst. Seelsorge wird sich also einstellen auf Menschen mit sozialen Ängsten, die sich von Armut bedroht erleben und die erfahren, dass sie auf die Umstände ihres Lebens wenig Einfluss haben. Zunehmende Armut Negative Begleiterscheinungen der beschriebenen Entwicklungen sind auch Gehälter unterhalb des Existenzminimums, die durch Sozialleistungen aufgestockt werden müssen, sowie eine zunehmende Armut von Teilen der Bevölkerung. Armut geht einher mit massiven Einschränkungen der gesellschaftlichen Teilhabe, mit Ausgrenzungsphänomenen und mit statistisch signifikant schlechterer Gesundheit. Seelsorge hat hier eine »Option für die Armen«. Sie muss daran arbeiten, Menschen in Armut zu erreichen, zu begleiten und zu stärken, und sich nicht einseitig auf andere gesellschaftliche Milieus zu konzentrieren. Beschleunigung Rationalisierungsprozesse erzeugen permanenten Veränderungs- und Beschleunigungsdruck. Die Beschleunigungsfalle hat zwei Pole, die das Individuum zu überfordern drohen: die total verplante Zeit und die restlos flexibilisierte Zeit, weil alles zu jeder Zeit überall machbar erscheint. Seelsorge bekommt es mit Menschen zu tun, die wenig Zeit haben für Muße, Pause, religiöse Betätigung oder für ein zweckfreies Gespräch. Aber auch die Kehrseite dieser Entwicklung will beachtet sein: Menschen, die aus dem Produktionsprozess herausgefallen sind und zu viel Zeit haben. Fragen nach dem Umgang mit der eigenen Lebenszeit können zu Sinnfragen und damit zu Themen seelsorglicher Gespräche werden. Bildung und lebenslanges Lernen Der Wandel von der Industriegesellschaft zur globalen Wissensgesellschaft sowie der Beschleunigungs- und Veränderungsdruck führen zu einer immer schnelleren »Halbwertzeit« von Wissen und zur Notwendigkeit von lebenslangem Lernen. Einmal erlernte Berufe bieten keine Sicherheit für eine lebenslange Arbeitsbiografie. Seelsorge wird damit immer mehr dem Thema der Unsicherheit allen Lebens angesichts eines weit verbreiteten tiefen Wunsches nach Sicherheit begegnen. Entgrenzung des Berufslebens Durch die beruflichen Herausforderungen verschwimmen oft die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben. Arbeitszyklen verlaufen in Projekten, Ergebnisse und Schnelligkeit zählen mehr als Regelarbeitszeiten. Eine zufriedenstellende Life-Balance ist für viele Menschen schwer zu finden, Burn-out ist zunehmend eine häufige Folge. Seelsorge ist herausgefordert, hier Hilfen zu Prävention und Bewältigung anzubieten. Gesundheit Der medizinische Fortschritt hat positive gesundheitliche Auswirkungen und eine längere Lebenserwartung der Menschen zur Folge. Zugleich lässt sich ein Zwang zu Gesundheit und Fitness feststellen, um den Anforderungen der Leistungsgesellschaft gewachsen zu sein. Der Zuwachs an medizinisch-technischen Möglichkeiten bringt außerdem organisationsethische Fragestellungen und eine Reihe individualethischer Problemlagen mit sich. Seelsorge begegnet daher einem hohen und spezialisierten Gesprächsbedarf z.B. im Bereich der Pränataldiagnostik, der Behindertenmedizin oder im Palliativbereich. Seelsorge muss zunehmend Menschen bei ihren eigenen, persönlich verantworteten ethischen Urteilsfindungen, aber auch im Umgang mit Leistungsdruck und Gesundheit unterstützen. Medialisierung von persönlichen Beziehungen Aufgrund neuer technischer Entwicklungen wie Mobilfunk und Internet verändert sich das Kontakt- und Sozialverhalten von Menschen im beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Raum. Soziale Netzwerke und elektronische Medien ermöglichen neue Formen von gesellschaftlicher Teilhabe und Zugang zu Informationen. Sie bedeuten zugleich eine Zunahme an Druck, beständig und überall »online« sein zu müssen. Seelsorge will auch in diesen Medien kompetent und verlässlich präsent sein. An der Telefonseelsorge zeigt sich beispielhaft, wie so etwas gelingen kann, hier obendrein verbunden mit einer deutlichen Stärkung des Ehrenamts. Seelsorge bedenkt auch, welche Folgen ausschließlich medial vermittelte Kommunikation für Menschen hat: ein Verlust an Körperlichkeit, ganzheitlichen Begegnungen und Bewegung. Da der Zugang zu diesen Medien abhängig ist von ökonomischen und Bildungsfaktoren, behält Seelsorge auch die im Blick, die sich dieser Medien nicht bedienen können oder wollen. Demografie und sozialer Nahraum Eine immer höhere Lebenserwartung der Menschen bei gleichzeitig geringer Geburtenrate sowie nicht Demografie-fest strukturierte soziale Sicherungssysteme wie Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung stellen hohe Ansprüche an die nachfolgende Generation. Immer mehr ältere Menschen werden medizinische und pflegerische Versorgung, aber auch Seelsorge benötigen. Zugleich werden immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter vorhanden sein, um diese Tätigkeiten auszuüben. Die Folgen dieses »Fachkräftemangels« beginnen bereits sichtbar zu werden, sowohl im medizinischen und pflegerischen Bereich als auch in der pastoralen und seelsorglichen Versorgung. Die Versorgung älterer Menschen in stationären Einrichtungen der Altenpflege wird daher abnehmen zugunsten wohnortnaher, bürgerschaftlich organisierter Selbstversorgungssysteme, unterstützt durch ambulante Dienste. Damit gewinnt die »Seelsorge vor Ort« zunehmend wieder an Bedeutung, verbunden mit steigenden Anforderungen an ihre Kompetenz, Verlässlichkeit und vernetzte Präsenz. Auf die Seelsorge in den Ortskirchengemeinden kommt dabei verstärkt die Aufgabe zu, auf ältere und alte Menschen in ihrem Einzugsgebiet zuzugehen. Sie ist herausgefordert, Kompetenzen sowohl für Menschen mit Demenz als auch für eine quartiersbezogene, nachbarschaftlich orientierte und lokal vernetzte Arbeitsweise zu finden, die Menschen in ihrer Selbstbefähigung stärkt. Alter Allein im 20. Jahrhundert stieg die Lebenserwartung in Deutschland um etwa 30 Jahre. 2050 werden die über 60-Jährigen 40 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Für die Seelsorge ist die Frage zu beantworten, welche Formen von Seelsorge Menschen benötigen, um den Übergang vom Erwerbsleben in die aktive Phase des Ruhestands und dann den Ruhestand selbst in seinen verschiedenen Phasen zu bewältigen. Zudem gilt es attraktive Möglichkeiten zu schaffen, um Menschen in der aktiven Ruhestandsphase zunehmend als ehrenamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger zu gewinnen und zu qualifizieren. Migration In Deutschland steigt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund kontinuierlich an; Deutschland ist ein Einwanderungsland. Menschen unterschiedlicher Kulturen, Ethnien und Religionen leben zusammen. Immer noch und immer wieder führt das auch zu Ausgrenzungen, Fremdheitsreaktionen und Konflikten. Die gesellschaftliche Aufgabe, ein gutes Zusammenleben aller zu gestalten, wird auch künftig bewältigt werden müssen. Für haupt-, neben- und ehrenamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger bedeutet das, dass sie sowohl interkulturelle als auch interreligiöse Kompetenz erwerben müssen. Damit kann Seelsorge einen wichtigen Beitrag zu notwendigen gesellschaftlichen Inklusionsprozessen leisten. 3.2 Zur künftigen Rolle der Kirchen in der Gesellschaft Auch die Situation der Kirchen ist Veränderungen unterworfen, was...


Roser, Traugott
Traugott Roser, Jahrgang 1964, Dr. theol., Studium der Evangelischen Theologie in Erlangen, München und Gettysburg (USA), Forschungsaufenthalte an der Georgetown University in Washington D.C. (USA) und der McGill University in Montreal (Kanada), Inhaber der ersten Professur für Spiritual Care im deutschen Sprachraum (Medizinische Fakultät der LMU München), seit 2009 Mitglied der Ständigen Konferenz für Seelsorge in der EKD. Seit 2013 Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Theologie an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, geschäftsführender Direktor des Instituts für Praktische Theologie und Religionspädagogik und evangelischer Universitätsprediger der Westfälischen Wilhelms Universität Münster.

Borck, Sebastian
Sebastian Borck, Jahrgang 1953, Pastor, 1983/84 Geschäftsführer des wissenschaftlichen Kongresses von EKD und Nordelbischer Kirche „Gottes Friede den Völkern“; anschließend Gemeindepastor, Theologischer Referent in der Bischofskanzlei Hamburg, 1993-2008 Stadtpastor des Ev.-Luth. Kirchenkreisverbandes Hamburg und u.a. Leiter der Evangelischen Krankenhausseelsorge in Hamburg und Umgebung. Mitglied der Konferenz der Verantwortlichen für die besonderen Seelsorgedienste in den Gliedkirchen der EKD; Mitautor der Leitlinien für die evangelische Krankenhausseelsorge „Die Kraft zum Menschsein stärken“ 2004, Initiator des Prozesses zur Stärkung der Seelsorge in der EKD, der 2009 zum Workshop „Seelsorge – Muttersprache der Kirche“ und dann zur Einrichtung der Ständigen Konferenz für Seelsorge in der EKD geführt hat; seit 2009 stellvertretender Vorsitzender der Ständigen Konferenz für Seelsorge in der EKD. Seit 2008 in der Nordelbischen Kirche, seit 2012 in der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland Leiter des Hauptbereiches 2 für Seelsorge, Beratung und ethischen Diskurs (dazu gehören die landeskirchlichen Seelsorgedienste, der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt, die Ev. Akademie der Nordkirche sowie die Ev. Studierendengemeinden).

Habenicht, Ingo
Ingo Habenicht, Jahrgang 1959, Pastor, Dr. theol., Promotion über „Telefonseelsorge als Form intentionaler Seelsorge“ bei Prof. Dr. Dietrich Stollberg in Marburg, Berater DGfP / DGfB, TCI-Diplom RCI, Lehrsupervisor DGfP und DGSv. Langjährige freiberufliche Tätigkeit in Beratung, Seelsorgeaus- und -fortbildung, Supervision. 1995-2002 Pastor in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schwarzenbek. 2002-2009 Vorstand des Hilfswerks im Diakonischen Werk Hamburg. Seit 2009 Mitglied der Ständigen Konferenz für Seelsorge in der EKD. Seit 2009 im Vorstand des Ev. Johanneswerks Bielefeld, seit 2011 dort Vorstandsvorsitzender, verantwortlich u. a. für Theologie, Diakonie, Seelsorge, Personalmanagement und Marketing.

Lammer, Kerstin
Kerstin Lammer, Jahrgang 1963, Dr. theol., Pfarrerin, abgeschlossene Weiterbildungen in pastoralpsychologischer Seelsorge, Supervision und KSA-Kursleitung sowie in systemischer Familientherapie, Supervisorin/Lehrsupervisorin (DGSv/DGfP). Berufserfahrung als Krankenhausseelsorgerin in den University of Chicago Hospitals und in The Queen’s Medical Center in Honolulu, Beratungspastorin in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, einer Einrichtung für Menschen mit geistigen Behinderungen, Leiterin der Alsterdorfer Schwesternschaft, Gemeindepfarrerin in Hamburg-Altona und Glinde, Pastoralkollegsleiterin im Haus Villigst, Schwerte, seit 2009 Vorsitzende der Ständigen Konferenz für Seelsorge in der EKD, seit 2007 Professorin für Seelsorge und Pastoralpsychologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg.


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