E-Book, Deutsch, Band 2, 160 Seiten
Lambertus Die 2. Mission der tollkühnen Bücher (Die Mission der tollkühnen Bücher, Bd. 2)
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7641-9276-1
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 160 Seiten
Reihe: Die Mission der tollkühnen Bücher
ISBN: 978-3-7641-9276-1
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hendrik Lambertus wurde 1979 in Hannover geboren. Er studierte deutsche, skandinavische und indische Literatur in Tübingen und war dort während seiner Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Danach machte er seine Liebe für das Schreiben zum Beruf und gründete seine eigene Schreibwerkstatt, die 'Satzweberei'. Als Autor erschafft er besonders gerne bunte Phantasiewelten, in die er alte Motive aus Märchen, Sagen und Mythen einfließen lässt. Mit seiner Frau und seinen vier Kindern lebt er in der Nähe von Bremen.
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»Waaas?«, rief Paulchen empört. »Worauf warten wir dann noch? Schnappen wir die dreisten Schurken. Tschakka!«
Das Piratenbuch machte einen aufgeregten Buch-Fu-Hüpfer, sodass es fast aus der Tasche fiel.
Reginald eilte voraus, dicht gefolgt von den anderen. Es ging in einen Nebenraum der Ausstellung, der in dämmriges Licht getaucht war. An der Wand hing ein großes Plakat. Es zeigte einen schwarzen Vulkankegel, aus dem sich glühende Lavaströme ergossen. In der Mitte des Raumes stand eine einzelne Vitrine. Alle sahen sofort, was Reginald ihnen zeigen wollte: Im Deckel der Vitrine klaffte ein großes Loch, als hätte ein Riese das Glas mit der Faust durchschlagen. Scherben lagen ringsum auf dem Fußboden verstreut.
»Was wurde denn gestohlen?«, fragte Arthur atemlos und beugte sich über den Glaskasten. Drei seltsame Objekte waren darin ausgestellt. Sie sahen ein wenig aus wie die antike Schriftrolle, die sie gerade bewundert hatten. Doch die Dinger waren so schwarz und gekrümmt, dass sie eher verkohlten Grillwürsten glichen.
»Das sind Schriftrollen aus Herculaneum«, erklärte Hedy rasch. Die beiden Kinder schauten sie fragend an.
»Das ist eine alte Römerstadt, die beim Ausbruch des Vulkans Vesuv verschüttet wurde. Unter der Asche hat sich eine ganze Bibliothek aus wertvollen Schriftrollen erhalten. Inzwischen arbeiten die Menschen daran, einige von ihnen mit speziellen Verfahren zu entziffern, und es gibt noch viel zu erforschen. Aber …« Hedy stutzte kurz. »Hier waren eigentlich vier Schriftrollen ausgestellt. Eine fehlt.«
»Exakt!«, rief Reginald aufgebracht. »Die vierte Rolle muss der Bücherdieb mitgenommen haben.«
Mit einem kühnen Salto sprang Paulchen aus der Tasche. »Na, dann los!«, drängelte das Piratenbuch. »Lass uns nach Spuren suchen! Wir müssen den Kerl – oder die Kerlin – kriegen!«
Alle machten sich daran, die Umgebung der Vitrine abzusuchen. Insbesondere Reginald lief wichtig mit seiner Lupe herum und murmelte dabei vor sich hin. Schließlich hielt er frustriert inne. »Ich verstehe das einfach nicht. Keine verdächtigen Diebesspuren! Und meiner Lupe entgeht nichts …«
»Außerdem finde ich seltsam«, ergänzte Arthur, »dass der Dieb nur eine Schriftrolle mitgenommen hat. Wenn die so wertvoll sind, hätte er doch einfach alle vier einpacken können.«
»Wurde er vielleicht gestört?«, überlegte Paulchen Piratenkind. »Möglicherweise war eine menschliche Museums-Aufpasserin in der Nähe.«
»Oder er hatte einen Auftraggeber, der ihn nur für einen ganz bestimmten Gegenstand bezahlt«, murmelte Reginald, während er nachdenklich auf und ab ging, die Arme hinter dem Einband verschränkt. »So wie in .«
Mel sagte nichts dazu. Sie war ganz damit beschäftigt, sich die Vitrine gründlich von allen Seiten anzusehen. Sie kroch sogar halb darunter, um die Unterseite zu untersuchen. Als sie wieder auf tauchte, räusperte sie sich. »Ich denke nicht, dass die fehlende Schriftrolle gestohlen wurde«, sagte sie.
Die anderen schauten sie mit großen Augen an.
»Wie meinst du das?«, hakte Hedy vorsichtig nach.
»Schaut euch doch mal die Scherben an«, führte Mel aus. »Sie liegen der Vitrine und auf dem Boden ringsum. Keine einzige liegt in dem Ding drinnen.«
Reginald sprang sofort auf den Glaskasten und fuhrwerkte ausgiebig mit seiner Lupe herum. »Stimmt!«, rief er schließlich. »Gar nicht schlecht beobachtet – für eine Nicht-Detektivin.«
Paulchen runzelte den Einband. »Und warum soll das wichtig sein, wo die Scherben gelandet sind?«
»Es kann kein Dieb das Glas von außen zerschlagen haben«, erklärte Mel. »Die Scherben würden sonst innen liegen.«
»Das heißt …«, begann Paulchen staunend.
»… die Schriftrolle wurde gar nicht weggenommen«, beendete Reginald den Satz. »Sie ist ausgebrochen.«
»Kommt das öfter vor?«, fragte Arthur. »Dass ein Buch abhaut, auf das ihr aufpassen müsst, meine ich.«
»Aber nein, nicht doch!«, rief Paulchen empört. »Unsere Aufgabe ist es, auf die Bücher aufzupassen. Die heißen so, weil sie das nicht selber können. Und schon gar nicht weglaufen.«
»Was machen wir denn jetzt?«, erwiderte Arthur ratlos. »Wir können ja schlecht zu den Museums-Wachleuten gehen und melden, dass ein Buch getürmt ist.«
»Das ist ein Fall für Regel Nummer 19 des Codex«, verkündete Reginald wichtig. ».«
Als die fünf Buchagenten im Hauptquartier ankamen, stand Tabula Smaragdina gerade über die Buchkontrollanlage gebeugt. Das war ein Holzkasten mit zahllosen Antennen, Kabeln und Blinklichtern, der Alarm gab, wenn irgendwo ein Buch in Not war. Auf den Bücherregalen, die ringsum die Wände bedeckten, tuschelten die anderen Buchagenten durcheinander. Das aufgeregte Rascheln ihrer Seiten hörte sich an, als würde trockenes Laub im Herbstwind knistern.
Dina wandte sich rasch den Neuankömmlingen zu. »Da seid ihr ja – mit euch wollte ich sprechen!«, sagte sie. »Und schön, dass ihr die Menschenkinder mitgebracht habt. Die Kontrollanlage zeigt einen Notfall im Museum an – aber ich werde nicht schlau daraus, was genau passiert sein soll …«
»In der Ausstellung ist ein Buch abgehauen!«, rief Hedy atemlos. Das Getuschel in den Regalen ringsum wurde lauter.
»Wie konnte das denn passieren?«, fragte der Buchagent Dracula vorwurfsvoll.
»Hat ein gemeiner Bücherdieb das Buch verzaubert?«, überlegte der Buchagent Robinson Crusoe.
»Oder war vielleicht ein Buchagent versehentlich in der Ausstellung eingesperrt?«, warf die Buchagentin Heidi ein.
»Ruhe bitte!«, rief Tabula Smaragdina streng, und das Gemurmel verstummte. »So, nun berichten die diensthabenden Agenten der Reihe nach, was eigentlich passiert ist.«
Aufgeregt erzählten Hedy Hexensocke, Paulchen Piratenkind und Reginald Ratlos, wie sie die aufgebrochene Vitrine entdeckt hatten.
»Und was genau waren das für Bücher in der Vitrine?«, fragte Dina schließlich, die ihnen konzentriert zugehört hatte.
»Schriftrollen aus dem alten Herculaneum«, erklärte Hedy. »Du weißt schon, diese Römer-Bibliothek, die unter der Vulkanasche begraben wurde.«
Dinas Einband verfärbte sich blass. Selbst die prächtigen Smaragde, mit denen er vierziert war, hatten plötzlich ein kränkliches Grün.
»Das kann nicht sein …«, murmelte das alte Zauberbuch. »Nein, wirklich, das nicht sein …«
»Was denn? Was darf nicht sein, Dina?«, fragte Hedy schüchtern.
In diesem Moment trat eine Gestalt aus dem Schatten eines Regals. Es war ein alter Buchagent mit einem mächtigen Backenbart, der sich beim Gehen auf einen Stock stützte. »Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm« stand auf seinem Einband geschrieben.
»Ich kann euch sagen, was unser Oberhaupt umtreibt«, verkündete er mit dunkler Stimme. »Eine Bedrohung aus der Vergangenheit ist zurückgekehrt.«
»Ich weiß nicht, Grimm«, erwiderte Tabula Samaragdina. »Nach so langer Zeit? Das wäre doch gar zu schrecklich …«
»Wer denn bloß?«, rief Arthur. Er wurde rot, als er bemerkte, dass er das laut gesagt hatte. »Ich meine, wer ist zurückgekehrt? Wovon sprecht ihr?«
Der alte Grimm straffte sich und holte tief Luft, um eine seiner Geschichten zu erzählen. Doch Dina hob abwehrend eine Hand. »Nein, bitte nicht. Mach ihnen keine Angst. Noch wissen wir es doch gar nicht sicher …«
Plötzlich ertönte ein lautes Poltern. Alle fuhren erschrocken zusammen. Der Papierkorb aus Blech, der in einer Ecke des Raumes stand, war umgefallen und lag nun auf der Seite. Zusammengeknüllte Blätter ergossen sich über den Fußboden.
»Wer war das?«, rief der Ritter-Buchagent Don Quichote alarmiert und umklammerte seine Lanze fester. Dort in der Ecke stand niemand, nicht einmal in der Nähe des Papierkorbs. Er musste ganz von selbst umgefallen sein.
Auf einmal veränderte sich der Korb auf merkwürdige Weise. Seine Öffnung verfärbte sich dunkel. Es sah aus, als sei der Papierkorb in Wahrheit...