E-Book, Deutsch, 210 Seiten
Lagerlöf Herrn Arnes Schatz (Historischer Kriminalroman: Basiert auf wahren Begebenheiten)
1. Auflage 2014
ISBN: 978-80-268-2746-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 210 Seiten
ISBN: 978-80-268-2746-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Herrn Arnes Schatz (Historischer Kriminalroman: Basiert auf wahren Begebenheiten)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Herrn Arnes Schatz handelt von einem grausamen Raubmord im Bohuslän des 16. Jahrhunderts und von der Unausweichlichkeit, mit der das Verbrechen gesühnt werden muss. Drei schottische Landsknechte im Dienst des schwedischen Königs waren wegen des Verdachts des Verrats ins Gefängnis geworfen worden, konnten aber entkommen und wollen nun, als Gerbergesellen verkleidet, in die Heimat fliehen. Als sie ins - damals dänische - Bohuslän kommen, überfallen sie den Pfarrhof von Solberga und töten den Pfarrer Herrn Arne und alle Bewohner des Pfarrhofs. Der Anführer der drei ermordet trotz Bitten der anderen sogar Herrn Arnes junge Enkelin. Nur deren Pflegeschwester Elsalill kann sich verstecken und entkommen. Dann rauben die drei Schotten die Kiste, in der Herr Arne seinen Geldschatz verwahrt. Sie finden auch einen Kapitän, der sie mitsamt etlichen anderen schottischen Landsknechten nach Schottland bringen will. Das Schiff kann aber nicht auslaufen, da das Meer zugefroren ist... Selma Lagerlöf (1858-1940) gehört zu den schwedischen Autoren, deren Werke zur Weltliteratur zählen. 1909 erhielt sie als erste Frau den Nobelpreis für Literatur.
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Die Ausgesandte
Inhaltsverzeichnis
Acht Tage nach seinem Tode wurde Herr Arne in der Kirche von Solberga beigesetzt, und an demselben Tage wurde auf dem Thingplatze von Branehög Untersuchung über den Mord gehalten. Aber Herr Arne war ein wohlbekannter Mann in Bohuslän gewesen, und an seinem Begräbnistage kamen so viele Menschen, vom Festlande wie von den Schären, zusammen, daß es war, wie wenn ein Kriegsheer sich um seinen Anführer sammelt. Und über die Felder zwischen der Kirche von Solberga und Branehög wanderten so viele Leute, daß es am Abend keinen Zollbreit Schnee gab, der nicht von Menschen niedergetreten war. Doch spät nachts, als alle diese Leute ihrer Wege gezogen waren, kam Torarin, der Fischkrämer, den Weg von Branehög herauf nach Solberga gefahren. Torarin hatte im Laufe des Tages mit vielen Menschen gesprochen. Wieder und wieder hatte er von Herrn Arnes Tod erzählt. Er war auch auf dem Thingplatze wohl verpflegt worden und hatte so manchen Bierkrug leeren müssen, mit Wanderern, die von weither kamen. Torarin fühlte sich schwer und träge, er hatte sich auf seiner Fuhre niedergelegt. Er war betrübt, daß Herr Arne dahingegangen war, und als er in die Nähe des Pfarrhofs kam, begannen ihn noch schwerere Gedanken zu quälen. »Grim, mein Hund,« sagte er, »wenn ich an dieses Vorzeichen mit den Messern geglaubt hätte, hätte ich das ganze Unheil abwehren können. Ich denke oft daran, Grim, mein Hund. Mir ist so ängstlich zumute, ganz, als hätte ich selbst mit dazu geholfen, Herrn Arne aus der Welt zu schaffen. Merke nun wohl, was ich sage: wenn ich das nächste Mal so etwas höre, werde ich es glauben und mich danach richten.« Aber während Torarin auf dem Wagen lag und mit halbgeschlossenen Augen vor sich hindämmerte, ging sein Pferd, wie es ihm gefiel, und als es zum Pfarrhof von Solberga kam, da trabte es aus alter Gewohnheit in den Hof und ging bis zur Stalltüre. Torarin wußte von nichts. Erst als das Pferd stehen blieb, richtete er sich auf und sah sich um. Er schauderte zusammen, als er sah, daß er sich auf dem Hofe eines Hauses befand, wo erst vor einer Woche so viele Menschen ermordet worden waren. Er griff sogleich nach den Zügeln. Er wollte das Pferd umdrehen und wieder auf den Weg hinausfahren, aber in demselben Augenblick klopfte ihm jemand auf die Schulter, und er sah sich um. Da stand neben ihm der alte Olof, der Pferdeknecht, der im Pfarrhofe gedient hatte, solange Torarin überhaupt zurückdenken konnte. »Hast du es so eilig, heut nacht vom Hofe wegzufahren, Torarin?« sagte der Alte. »Komm doch lieber ins Haus hinein! Herr Arne sitzt da und wartet auf dich.« Torarin gingen tausend Gedanken durch den Kopf. Er wußte nicht, ob er träumte oder wachte. Olof, den Pferdeknecht, den er frisch und lebend vor sich stehen sah, hatte er vor einer Woche tot neben den anderen liegen sehen, mit einer großen Wunde im Halse. Torarin faßte die Zügel fester. Es deuchte ihn das beste, rasch fortzukommen. Aber die Hand Olofs, des Pferdeknechts, lag noch auf seiner Schulter, und der Alte fuhr fort, in ihn zu dringen. Torarin grübelte hin und her, um eine Ausflucht zu finden. »Es lag mir nicht im Sinn, Herrn Arne zu so später Stunde zu stören,« sagte er. »Das Pferd ist hergetrabt, ohne daß ich davon wußte. Ich will jetzt weiterfahren und mir eine Herberge für die Nacht suchen. Wenn Herr Arne mich sprechen will, kann ich wohl morgen wiederkommen.« Damit beugte Torarin sich vor und schlug mit der Peitsche nach dem Pferde, damit es sich in Bewegung setze. Allein im selben Augenblick stand der Pfarrknecht vorne beim Kopf des Pferdes, faßte es am Zaumzeug und zwang es, still zu stehen. »Sei nicht halsstarrig, Torarin,« sagte der Knecht. »Herr Arne ist noch nicht zu Bett gegangen, er sitzt da und wartet auf dich. Und du mußt doch wissen, daß du hier ein ebenso gutes Nachtquartier finden kannst, wie auf irgendeinem anderen Hof im Kirchspiel.« Da wollte Torarin antworten, daß er sich nicht damit begnügen könne, in einem Hause ohne Dach zu wohnen. Aber bevor er etwas sagte, warf er einen Blick auf das Wohngebäude. Da sah er das alte Dach ebenso wohlbehalten und ansehnlich wie vor dem Brande dastehen. Und doch hatte Torarin noch an demselben Morgen den nackten Dachstuhl in die Luft ragen sehen. Er schaute und schaute und rieb sich die Augen, aber das Pfarrhaus stand ganz gewiß unversehrt da, mit Stroh und Schnee auf dem Dache. Durch den Windfang sah er Rauch und Funken aufflattern. Und durch die wohlverschlossenen Fensterladen sah er den Lichtschein hinaus auf den Schnee fallen. Wer weit auf der kalten Landstraße umherzieht, weiß sich keinen traulicheren Anblick als den Lichtschein, der aus einer warmen Stube dringt. Aber Torarin wurde nur noch erschrockener, als er vorher gewesen war. Er peitschte das Pferd, so daß es sich bäumte und ausschlug. Aber nicht um einen Schritt brachte er es von der Stalltüre fort. »Komm du nur mit herein, Torarin,« sagte der Stallknecht. »Ich dachte, du wolltest doch in dieser Sache nichts mehr zu bereuen haben.« Nun kam es Torarin wieder in den Sinn, was er sich auf dem Wege gelobt hatte. Und während er eben noch mit hocherhobener Peitsche auf dem Wagen gestanden hatte, wurde er mit einem Male zahm wie ein Lamm. »Gut, Olof, hier bin ich also!« sagte er und sprang von der Fuhre herunter. »Es ist wahr, daß ich in dieser Sache nichts zu bereuen haben will. Führe mich jetzt hinein zu Herrn Arne!« Aber die schwersten Schritte, die Torarin je gegangen war, waren die, die er über den Hof zum Hause hin machte. Als die Tür aufging, schloß Torarin die Augen, um nicht in die Stube sehen zu müssen. Aber er suchte sich Mut zu machen, indem er an Herrn Arne dachte. »Er hat dir so manche gute Mahlzeit gegeben. Er hat deine Fische gekauft, wenn auch seine eigene Vorratskammer voll war. Er ist dir immer im Leben wohlgesinnt gewesen, und sicherlich will er dir auch nach seinem Tode nicht schaden. Vielleicht will er einen Dienst von dir verlangen. Du darfst nicht vergessen, Torarin, daß man Dankbarkeit zeigen muß, auch gegen die Toten.« Torarin schlug die Augen auf und sah in die Stube. Da sah er den großen Raum, ganz wie er ihn immer gesehen hatte. Er erkannte den hohen gemauerten Ofen wieder und die gewebten Tücher, die die Wände bekleideten. Aber er schaute viele Male von Wand zu Wand und vom Boden zur Decke, bevor er sich ein Herz faßte und zu dem Tische und der Bank hinsah, wo Herr Arne immer gesessen hatte. Aber endlich blickte er auch dorthin, und da sah er Herrn Arne selbst leibhaftig am Tische sitzen mit seiner Gattin und dem Hilfspastor zur Rechten und zur Linken, so wie er ihn vor acht Tagen gesehen hatte. Er schien eben seine Mahlzeit beendet zu haben, er hatte den Teller zurückgeschoben, und der Löffel lag vor ihm auf dem Tisch. Alle die alten Diener und Dienerinnen saßen am Tische, aber nur eine von den jungen Jungfrauen. Torarin stand lange unten an der Tür und betrachtete die, die am Tische saßen. Sie sahen alle ängstlich und betrübt aus, und auch Herr Arne saß schwermütig da wie die anderen und stützte das Haupt in die Hand. Endlich sah Torarin, daß Herr Arne den Kopf erhob. »Bringst du jemand Fremdes mit in die Stube, Pferdeknecht Olof?« »Ja,« antwortete der Knecht, »es ist Torarin, der Fischkrämer, der heute auf dem Thing in Branehög gewesen ist.« Da schien Herr Arne fröhlicher auszusehen, und Torarin hörte ihn sagen: »Tritt näher, Torarin, und laß uns die Neuigkeiten vom Thing hören! Hier habe ich jetzt die halbe Nacht gesessen und auf dich gewartet!« Das alles klang so wirklich und natürlich, daß Torarin anfing, sich immer beherzter zu fühlen. Er ging ganz mutig durch die Stube, auf Herrn Arne zu. Er fragte sich, ob es nicht ein böser Traum gewesen, daß Herr Arne ermordet sei, und ob er nicht in Wahrheit lebte. Aber während Torarin durch die Stube ging, warf er aus alter Gewohnheit einen Blick auf das Himmelbett, neben dem die große Geldtruhe zu stehen pflegte. Aber die eisenbeschlagene Truhe stand nicht mehr auf ihrem Platz, und als Torarin dies sah, durchlief ihn wieder ein Gruseln. »Nun, Torarin, sage uns, wie es heute auf dem Thing abgelaufen ist,« hub Herr Arne an. Torarin suchte zu tun, wie ihm geheißen war, und erzählte vom Thing und von der Untersuchung, aber er konnte weder seiner Lippen noch seiner Zunge Herr werden, sondern sprach schlecht und stammelnd. Herr Arne unterbrach ihn auch sogleich: »Sag mir nur das Wichtigste, Torarin. Sind unsere Mörder gefunden und bestraft worden?« »Nein, Herr Arne,« erkühnte sich da Torarin zu antworten. »Eure Mörder liegen auf dem Grunde des Hakefjords. Wie wollt ihr, daß jemand Rache an ihnen nehme?« Als Torarin diese Antwort gab, schien in Herrn Arne wieder seine alte Laune zu fahren, und er schlug mit der Hand hart auf den Tisch. »Was sagst du da, Torarin? Der Amtmann auf Bohus wäre mit seinen Beiständen und Schreibern hier gewesen und hätte Thing gehalten, und da hätte ihm niemand sagen können, wo er meine Mörder finden soll?« »Nein, Herr Arne,« antwortete Torarin, »das kann ihm niemand unter den Lebenden sagen.« Herr Arne saß eine Weile mit gerunzelter Stirn und blickte düster vor sich hin. Dann wandte er sich noch einmal an Torarin. »Ich weiß, daß du mir ergeben bist, Torarin. Kannst du mir sagen, wie ich Rache nehmen soll an meinen Mördern?« »Ich kann es wohl verstehen, Herr Arne,« sagte Torarin, »daß Ihr...