E-Book, Deutsch, Band 2, 264 Seiten
Lackerbauer Sushi & Weißbier
2. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7412-8725-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 264 Seiten
Reihe: Kriminalgeschichten aus der bayerischen Provinz
ISBN: 978-3-7412-8725-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wieder geht es auf kulinarische Reise in die bayerische Provinz. In drei Gängen serviert "Sushi & Weißbier" erneut Spannung, Überraschung, Witz und eine Prise deftige Heimatliebe. Im zweiten Teil der Reihe "Kriminalgeschichten aus der bayerischen Provinz" gibt es ein Wiedersehen mit alten Bekannten aus "Hugo & Leberkäs", aber auch viel Neues zu entdecken. Die Mischung macht's: exotisch wie Sushi & traditionsbewusst wie Weißbier!
Veronika Lackerbauer wurde 1981 in Landshut geboren. Nach dem Abitur 2001 studierte sie zunächst Tourismus-Management und verbrachte einige Zeit im Ausland. 2012 wurde sie Mutter und arbeitet seither als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache und Berufliche Integration. Ihre (un)heimliche Leidenschaft gehörte aber schon immer der Schreiberei. 2014 debütierte sie mit ihrem Roman "Burgfried" im Fantasy-Verlag ohneohren, Wien. Im Folgejahr war "Burgfried" für den Deutschen Phantastik Preis nominiert. Seit 2016 veröffentlicht sie auch als Selbstverleger.
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Sushi & Weißbier
Dezember 2015 Das Wasser war eiskalt. Noch kälter, als sie es sich vorgestellt hatte. Die Kälte umschloss sie und raubte ihr fast die Luft. Der Boden des Sees fühlte sich unter ihren nackten Füßen schlammig an und sie spürte Steine und Sedimente. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und watete weiter hinaus. Der See lag eben und ruhig da, nur dort, wo ihre Beine das Wasser durchschnitten, kräuselte sich die Oberfläche. Als Kind hatte sie mit ihrem Vater flache Steine gesammelt und sie über das Wasser hüpfen lassen. Flop. Flop. Flop. Wer es schaffte, den Stein öfter hüpfen zu lassen, hatte gewonnen. Jetzt beugte sie sich hinunter, wo ihre Füße Steine gefühlt hatten, bekam einen im flachen Wasser zu fassen und wusch den Schlamm ab. Er war nicht so flach, wie sie gedacht hatte, aber er würde seinen Zweck erfüllen. Sie nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, kippte das Handgelenk seitwärts nach innen und ließ es ein paar Mal abschätzend hin und her schnellen. Dann gab sie ihm Schwung und ließ ihn los. Lautlos glitt er aus ihrer Hand und flog in einer flachen Kurve über die Wasseroberfläche dahin. Traf auf, hob wieder ab, um erneut in einem Bogen weiter zu fliegen. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann versank er in den Fluten. Wo er verschwunden war, zeichnete er konzentrische Kreise in die Wasseroberfläche. Anschließend war alles wieder ruhig. Als wäre nichts gewesen. Eine Krähe flog auf. Mit wütendem Schimpfen schraubte sie sich in die Luft und verschwand über den See. Der tiefhängende Nebel dieses Dezembertages ließ es kaum richtig hell werden. Obwohl es schon tagelang eisigkalt war, blieb der Schnee aus. Die trostlosen Schwarz-, Grau- und Braunnuancen der Landschaft passten einfach perfekt zu ihrem Innersten. Es war der richtige Tag. Die richtige Stimmung. Entschlossen setzte sie ihren Weg in den See fort. Die Kälte kroch an ihr empor und umklammerte ihre Beine. Schon reichte ihr das trübe Wasser bis zu den Knien. Immer weiter und weiter ging sie hinein. Ihre Kleider saugten sich voll damit und klebten nass und schwer an ihrem Körper. Sie verlor den Kontakt zum Boden, trieb einen Moment lang im Wasser. Dann spürte sie wieder Grund. Noch einmal verschnaufen. Sie drehte sich nicht um, wollte keinen Blick zurückwerfen. Es gab kein Zurück mehr für sie. Schon ragte nur noch ihr Kopf über der Oberfläche heraus. Ihre Füße stießen gegen etwas Weiches. Erschrocken zog sie ihre Beine an und tastete vorsichtig wieder nach Halt. Sie spürte wieder Stein. Was immer sie da berührt hatte, es war weg. Was mochte wohl alles in den Tiefen des Sees schlummern? Auch sie würde bald ein Teil davon sein. Noch ein paar wenige Schritte, dann war der Wasserstand zu hoch und sie würde erneut den Grund unter den Füßen verlieren. Schon musste sie sich auf die äußersten Zehenspitzen stellen, um mit dem Kopf über Wasser zu bleiben. Noch ein kleines bisschen. Noch ein kurzer Moment. Sie atmete ein letztes Mal tief ein. Dann ließ sie sich fallen. Das Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen, die Kälte stach in ihr Bewusstsein. Instinktiv versuchte sie, nach oben zu kommen, strampelte mit den Beinen, verhedderte sich allerdings in etwas. Sie riss die Augen auf und da sah sie sie. Die alte Villa lag auf einem Hügel oberhalb des Sees. Das Grundstück umfasste neben dem Westufer, der Bootsanlegestelle, dem halbverfallenen Bootshäuschen und dem bewaldeten Hügel auch eine Remise, in der einmal Kutschen und Karossen gestanden haben mochten. Das Eingangsportal knarrte beim Öffnen, das Geräusch hallte in dem hohen Raum wider. Die Mahagonitreppe im Aufgang war wurmstichig, der Läufer, der die Stufen vor schmutzigen Schuhabdrücken schützen sollte, so durchgelaufen, dass das Holz durch das fadenscheinige Gewebe sichtbar wurde. Dem gewaltigen Kronleuchter an der Kassettendecke fehlte jeder Glanz, sein Glasbehang war blind von Staub und Spinnweben. Im trüben Licht der tiefstehenden Wintersonne, das sich in den hohen Sprossenfenstern brach, tanzte der Staub. Doch die ehemalige Pracht ließ sich noch immer erahnen. Die Villa hatte, genau wie ihre Bewohner, einmal bessere Zeiten gekannt und unter der dicken Patina schlummerte der Glanz längst vergessener Zeiten. In den vielen alten Salons und Stuben wohnten seit einigen Jahren zwölf Senioren in einer Lebensgemeinschaft. Ohne Angehörige, oder weit entfernt von ihren Kindern und Familien, blieb ihnen sonst nur ein Pflegeheim. Um diesem Schicksal zu entgehen, hatten die Alten sich zusammengetan, mit ihren Spargroschen das Anwesen gekauft und sich dort häuslich niedergelassen. Hier trug jeder das zum gemeinschaftlichen Leben bei, was er oder sie eben konnte, und wenn es einmal nicht mehr ging, dann übernahm die Gemeinschaft die Pflege. Bis zum Ende. Alles war gut organisiert und die ungewöhnliche Wohngemeinschaft funktionierte. Doch an diesem nasskalten Dezembermorgen stießen die Bewohner erstmals wirklich an ihre Grenzen. Man schätzte die Abgeschiedenheit und das selbstbestimmte Leben in der Villa, aber gewisse Vorkommnisse machten heute eine Ausnahme nötig. Normalerweise verzichteten die Bewohner auf medizinische Eingriffe und Maßnahmen, die über die regelmäßigen Hausbesuche des Landarztes hinausgingen. Alle zwölf hatten Patientenverfügungen unterschrieben, niemand wollte seinen letzten Atemzug in den Fängen der modernen Apparatemedizin tun, angeschlossen an Monitore und Geräte, nur noch durch Maschinen künstlich am Leben erhalten. Diesem Los wollten sie mit ihrer Wohnanlage entgehen, deshalb galt: kein Notruf, keine Ambulanz. Wenn es Zeit war zu gehen, nahm man in Frieden Abschied. Doch heute musste dieses Credo ausgesetzt werden. Für Marie. Frühjahr 2010 Als Amaya den gut aussehenden, jungen Mann das erste Mal zu ihren Eltern mit nach Hause gebracht hatte, war ihr Vater noch voller Vorbehalte gewesen. Ein Deutscher! Die Mutter dagegen war von der imposanten Erscheinung und von seinen formvollendeten Manieren schnell zu beeindrucken gewesen. Eine Partie! Für Amaya stand die Entscheidung ohnehin längst fest, notfalls auch gegen den Willen der Eltern. Deutschland – davon hatte sie geträumt! Endlich die Enge der Tokioer Wohnung hinter sich lassen, zusammengepfercht mit den Eltern und den Geschwistern auf zwei Zimmer, keine Privatsphäre und so gut wie keine Aussichten, einen guten Job zu finden, der das eigene Auskommen sicherte. Von Deutschland dagegen hatte Amaya Kobayashi viel gehört und gelesen, Europa interessierte sie. Das Leben dort erschien ihr einfacher und mit weniger Reglementierungen verbaut als das in Japan. Und die meisten Deutschen lebten auch nicht in engen, muffigen Wohnungen, sondern in schönen, lichtdurchfluteten Einfamilienhäusern, wie man sie sich in Tokio niemals würde leisten können. Georg erzählte von dem Haus, das er für sie bauen wollte, wenn sie erst als seine Frau mit nach Deutschland käme; ein richtiges Häuschen mit einem Garten, in dem ihre zukünftigen Kinder toben könnten. Was spielte es da schon für eine Rolle, dass er so viel älter war? „Liebst du ihn, Mädchen?“, fragte der Vater zum Abschied. Amaya nickte trotzig. „Bist du sicher, dass du so weit weggehen willst? Bis nach Deutschland?“, hakte er noch einmal nach. „Ihr könntet ja alle nachkommen. Was hält euch denn hier?“, gab Amaya zurück, obwohl sie wusste, dass das ein Traum bleiben würde. Ihre Eltern in Deutschland? Das war wirklich unvorstellbar. Nur wenige Wochen nach diesem Gespräch packte Amaya ihre Koffer. Der Vater sprach nicht mehr mit der Tochter. Amaya hatte nämlich unabbringlich eingewilligt, nach Deutschland zu gehen, obwohl sie noch gar nicht mit dem Mann verheiratet war. Die Hochzeit sollte später in der neuen Heimat stattfinden und das Paar wollte sogar die Eltern und Geschwister einladen, doch das tröstete das besorgte Familienoberhaupt auch nicht, wie sie wusste. Amaya reiste deshalb ab, ohne zuvor noch einmal ein Wort mit ihrem Vater gewechselt zu haben. Dezember 2015 Sie hingen wie gasgefüllte Luftballons schwebend im Raum, festgehalten von dicken Seilen, die sie mit dem Boden verbanden. Weiß-graue Stalagmiten. In der sanften Bewegung des Wassers wippten sie träge hin und her, drehten sich und blieben doch, wie von Zauberhand gezwungen, an Ort und Stelle. Die Tücher, die sie umhüllten, wurden von Tauen gehalten, die sich an ihre Konturen schmiegten. Fast wirkten sie überirdisch. Aber das Grauen, das sie umgab, war real. Instinktiv wusste sie, was sie da sah. Sie war zum Sterben hergekommen, doch sie war nicht allein. Die anderen waren bereits tot, lange vor ihr. Ihre sterblichen Überreste konservierte jedoch der See und präsentierte sie ihr wie zur Mahnung. Etwas berührte ihren Arm. Sie fuhr herum und sah sich Auge in Auge einem von ihnen gegenüber. Ihr Fuß...