E-Book, Deutsch, Band 4, 212 Seiten
Kriminalgeschichten aus der bayerischen Provinz - Band 4
E-Book, Deutsch, Band 4, 212 Seiten
Reihe: Kriminalgeschichten aus der bayerischen Provinz
ISBN: 978-3-7448-3259-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Veronika Lackerbauer wurde 1981 in Landshut geboren. Nach dem Abitur 2001 studierte sie zunächst Tourismus-Management und verbrachte einige Zeit im Ausland. 2012 wurde sie Mutter und arbeitet seither als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache und Berufliche Integration. Ihre (un)heimliche Leidenschaft gehörte aber schon immer der Schreiberei. 2014 debütierte sie mit ihrem Roman "Burgfried" im Fantasy-Verlag ohneohren, Wien. Im Folgejahr war "Burgfried" für den Deutschen Phantastik Preis nominiert. Seit 2016 veröffentlicht sie auch als Selbstverleger.
Autoren/Hrsg.
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26. Dezember 2017 „Jetzt bitte da Reih nach. Was is passiert?“ Veitl sah den Kapitän an, dessen Blick ruhte auf dem aufgelösten Schlagersänger. Jung saß in einen Bademantel gehüllt mit nassen Haaren und reichlich derangiert vor ihnen. Der Kapitän hatte den panischen Mann in einen der Mannschaftsräume gebracht und nach Veitl schicken lassen. Jung stammelte nur unzusammenhängende Sätze und zitterte unkontrolliert. Nachdem er keine Antwort gab, sagte der Kapitän an seiner Stelle: „Er irrte unbekleidet und nass durch das Schiff. Es grenzt an ein Wunder, dass niemand ihn so zu Gesicht bekommen hat. Einer meiner Matrosen hat ihn zufällig gefunden. Er behauptet, in seine Kabine sei eingebrochen worden.“ „Und? Ham'S de Kabine überprüft? War da wer drin?“, fragte Veitl. Der Kapitän verneinte. „Es ist keine Spur von einem Einbruch erkennbar.“ Veitl ging in die Hocke, um Jung direkt in die Augen sehen zu können. Der gefeierte Star starrte blicklos den Boden an. „Der is ja überhaupt ned bei sich“, stellte Veitl fest. Er griff nach dem schlaff herunterhängenden Arm des Mannes und fühlte den Puls. Dann versetzte er ihm mit der flachen Hand einige Klapse auf beide Wangen, um ihn wieder in die Gegenwart zurückzuholen. „Hallo? Herr Jung, hörn Sie mi?“ Und zum Kapitän und den umstehenden Matrosen gewandt fügte er hinzu: „Ja, sagt's amal, hat der gsoffen?“ Wie in Zeitlupe hob der Sänger den Blick und schüttelte schleppend den Kopf. „Ich trinke nicht“, presste er hervor. Veitl erhob sich und erklärte in Richtung des Kapitäns: „Der braucht an Arzt. Vorher hat da a Befragung überhaupt kan Sinn.“ „Bringen Sie Herrn Jung bitte auf seine Kabine, damit er sich etwas anziehen kann, und dann …“ Weiter kam der Kapitän mit seiner Anweisung nicht. Wie von der Tarantel gestochen, schoss Jung in die Höhe und kreischte schrill: „Ich gehe nicht zurück in die Kabine! Auf keinen Fall!“ Veitl, der am nächsten stand, packte Jung an den Schultern und drückte ihn zurück auf seinen Sitz. Sicherheitshalber hielt er ihn dort fest, als er sagte: „Beruhigen'S Ihnen. I geh mit. Da passiert nix, Sie ham ja quasi polizeilichen Geleitschutz.“ Gemeinsam mit zwei Matrosen bugsierte Veitl den panischen Schlagersänger zurück zu seiner Suite. Einen Matrosen schickte Veitl voraus, damit der Weg frei war – er wollte Jung die Blamage ersparen, in diesem Zustand von seinen Fans gesehen zu werden –, der andere Seemann musste ihn von der einen Seite stützen. Veitl selbst griff von der anderen Seite unter seinen Arm und führte ihn. So erreichten sie die Kabinentür. Vor der Tür begann Jung wieder zu wimmern. „Ich geh da nicht hinein. Ich kann nicht.“ Doch Veitl öffnete entschlossen die Tür und schob den Schlagersänger hindurch. Fast erwartete er schon, die Luxuskabine verwüstet vorzufinden, doch auf den ersten Blick war tatsächlich nichts auffällig. Die breite Schiebetür, die auf einen privaten Achternbalkon hinausführte, stand weit offen und ließ die eiskalte Abendluft herein. Mit geschultem Blick überprüfte Veitl das Schloss, doch die Tür war eindeutig nicht mit Gewalt geöffnet worden. Fröstelnd ging der Kommissar hinaus auf den Balkon und sah sich dort um. Er war viel größer als der, der zu Veitls eigener Kabine gehörte, und mit zwei eleganten Liegen bestuhlt. Von der verglasten Reling aus sah man das gekräuselte Wasser am Heck des riesigen Schiffes. Weit unter ihnen wehte die Deutschlandflagge. Veitl kehrte in die Kabine zurück und zog die Schiebetür zu. „Also von da draußen kann niemand in die Kabine kommen sei. Außer er kann fliegen. Oder senkrecht über de Bordwänd laufen.“ Die beiden Matrosen hatten Jung inzwischen beim Anziehen assistiert. Der Sänger saß zusammengesunken auf dem breiten Bett. Da klopfte es an der Kabinentür. Sofort schnellte Jung in die Höhe, schiere Panik in den Augen, und stieß ein Kreischen wie eine hysterische Operndiva aus. Veitl tätschelte ihm beruhigend den Arm. „Na, na, kenn di wieder. Des is sicher da Schiffsarzt.“ Tatsächlich trat der bordeigene Mediziner, offenbar vom Kapitän verständigt, in das Schlafzimmer der Suite ein. Die beiden Matrosen nutzten die Gelegenheit und verabschiedeten sich rasch, nur Veitl blieb noch zurück. „Wie geht es dem Patienten?“, fragte der Arzt den Kommissar. „Immer no panisch. Vielleicht können'S ihm als Erstes was zur Beruhigung geben?“ Der Arzt stellte seine Tasche ab und nötigte Jung erst einmal dazu, sich aufs Bett zu legen. Er kontrollierte Puls, Blutdruck und Pupillenreaktion. „Wie fühlen Sie sich?“, fragte er Jung direkt. Seine Stimme war nur ein Flüstern, als er antwortete: „Schlecht.“ „Sie brauchen jetzt unbedingt Ruhe“, ordnete der Arzt an. „Ich lasse Ihnen einen Tee bringen und wenn Sie möchten, kann ich Ihnen eine Spritze geben.“ Jung nickte ergeben. Der Arzt ging zu seinem Koffer und holte ein Fläschchen heraus, prüfte den Inhalt und zog dann eine Spritze damit auf. Er kehrte zum Bett zurück. „Das ist ein Tranquilizer, ein stark wirksames Benzodiazepin. Sie werden danach einfach schlafen und hoffentlich fühlen Sie sich morgen früh schon wieder etwas besser. Ich komme auf jeden Fall morgen noch einmal vorbei und sehe nach Ihnen.“ Er verabreichte dem Patienten die Injektion, dann verstaute er seine Utensilien wieder in seinem Koffer, ließ die Schnallen zuschnappen und schickte sich an zu gehen. Veitl bewegte sich ebenfalls zur Tür. Da saß Jung sofort wieder aufrecht in seinem Bett und sein Blick bekam wieder etwas Angsterfülltes. „Wo gehen Sie hin? Lassen Sie mich hier nicht allein! Ich bin hier nicht sicher!“ Veitl und der Arzt wechselten einen Blick. „Ich bleibe hier unter keinen Umständen allein!“, insistierte Jung erneut. Veitl seufzte. „Mei, also weißt. I kann doch ned hier übernachten! Wie stelln'S Ihnen denn des vor?“ Jungs Miene hellte sich augenblicklich auf. „Sehr gute Idee. Ja, mein Freund, Sie bleiben heute hier bei mir. Sie können draußen auf dem Sofa schlafen, das ist sehr bequem. Wenn Sie vor meiner Schlafzimmertür wachen, dann kann ich beruhigt schlafen.“ Veitl warf dem Arzt einen hilfesuchenden Blick zu. Der verkniff sich nur mit Mühe ein Grinsen und beeilte sich zu beteuern: „Ich kann leider auf keinen Fall hier bleiben. Ich habe ja noch andere Patienten an Bord. Also, meine Herren, ich empfehle mich!“ Er klopfte Veitl noch aufmunternd auf die Schulter, bevor er das Weite suchte. „Ja, ganz toll“, knurrte Veitl mehr zu sich selbst. „Manchmal frag i mi vei, was i verbrochen hab …“ „Also bleiben Sie?“, bettelte Jung hoffnungsvoll, und beinahe glaubte Veitl unter der Panik schon wieder einen Anflug seines aufgesetzten Charmes zu erspähen. „Was soll i denn da meiner Frau erzählen? Mir san hier auf Urlaub und dann lass i sie erst allein beim Abendessen sitzen und jetzt bleib i glei de ganze Nacht weg. Sowas geht doch ned!“ „Bringen Sie sie doch mit her!“, schlug Jung vor. „Sie können doch gemeinsam hier in meiner Suite übernachten. Das Sofa kann man ausziehen. Sie lassen sich etwas Hübsches aufs Zimmer bringen, als Ersatz für das ausgefallene Abendessen. Die Minibar ist auch sehr gut bestückt. Außerdem hat das Badezimmer einen Jacuzzi und eine Dampfdusche. Da haben Sie beide einen schönen Abend und ich bin beruhigt!“ Veitl wusste nicht, ob ihm zum Lachen oder zum Weinen zumute war. Er nickte gottergeben, weil er ahnte, dass Jung andernfalls sowieso keine Ruhe geben würde. „Also schön, i frag's.“ Und im Hinausgehen setzte er noch halblaut hinzu: „Also wenn i des daheim erzähl, des glaubt mir kein Mensch!“ Vom Wohnzimmer der Suite aus rief er auf seiner eigenen Kabine an. Kaum war er außer Sichtweite, hörte er Jung hinter sich jammern: „Wo gehen Sie hin?“ „I bin scho no da. I telefonier bloß kurz“, rief er über die Schulter. Margarete nahm ab. „Gretel, hör zu … naa, setz di besser hin. Also pass auf, i bin in der Suite vom Roman Jung, gell? Der hat an Nervenzusammenbruch, weil er glaubt, dass jemand bei ihm einbrechen wollt. Deswegen will er jetzt auf keinen Fall allein bleiben.“ Margarete fragte irritiert: „Ja und? Was machst etz du da dabei?“ „I soll jetz hier auf der Kabine bleiben. Genauer gsagt hat er uns alle beide eingladen, mir solln hier übernachten. Also im Wohnzimmer halt, ned bei ihm im Schlafzimmer – um Himmels willn!“ „Übernachten? Wir beide? Beim Roman Jung?“ Veitl konnte Margaretes ungläubige Miene förmlich...