E-Book, Deutsch, 308 Seiten
Kurth Frau auf Tour
3. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-6994-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit dem Motorrad kreuz und quer durch Europa
E-Book, Deutsch, 308 Seiten
ISBN: 978-3-7578-6994-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
1978 machte die Autorin den Motorradführerschein. Zum eigenen Motorrad, einer kleinen Suzuki 450 GS, kam sie aber erst 10 Jahre später. Ein Schlüsselerlebnis war für sie die erste mehrtägige Tour in die Schweiz. Danach stand fest: ein Leben ohne Motorrad ist nicht mehr möglich! Von Lillehammer bis Marbella, von Saint Malo und Santander bis Riga und Skopje durchkreuzte sie Europa allein mit ihrem Motorrad. Auf ihren Touren gab es viele schöne Erlebnisse und zahlreiche Begegnungen mit Menschen aus den verschiedenen Ländern. Und immer, wenn sie meinte, es geht nicht weiter, kam irgendjemand aus dem Nichts zur Hilfe, ob es in Griechenland mit der kaputten Ölkappe oder in den Masuren mit dem leeren Tank war. Spannende, mit viel Humor und Lebensfreude erzählte Geschichten und Anekdoten laden ein zu einem Lese-Tourenprogramm durch Europa.
Annette Kurth ist 1960 in Duderstadt, eine kleine Stadt am Rande des Harzes, in Niedersachsen geboren. Sie hat in Göttingen Sozialwissenschaft studiert und machte 2000 ihren Master-Abschluss im Management von NGOs. Seit 2017 lebt die Autorin in Weilheim in Oberbayern. Ihren Motorradführerschein machte sie 1978. Das Reisen mit dem Motorrad entdeckte sie 1989 auf dem Weg in die Schweiz über die Alpenpässe.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
II.
Von der Idee
zum Motorradführerschein
bis zur Suzi 450 GS
Von der Idee den Motorradführerschein zu machen Motorrad fahren war für mich schon immer cool. Als Kind hatte ich ein kleines oranges Fahrradmotorrad, im Jugendalter mussten meine Freunde mindestens eine Quickly oder ein anderes Moped haben, um in die engere Wahl zu kommen. Ich machte Trockenübungen auf der alten BMW meines Vaters und je mehr sich mein 18ter Geburtstag näherte, desto unbändiger wuchs in mir die Idee, als eine der ersten Frauen im Landkreis Göttingen den Führerschein für das Motorrad zu machen. Damals, also 1978, gab es den Motorradführerschein mit drei Fahrstunden und Prüfung für 150,– DM! Dieser Preis galt für Menschen ab 18 Jahren und war unabhängig vom Geschlecht. In den Räumen der Fahrschulen saßen allerdings zur damaligen Zeit nur junge Männer. In den siebziger und achtziger Jahren war der Motorradführerschein für die meisten weiblichen Wesen noch jenseits von Gut und Böse. In meinem Landkreis gehörte ich zu den ersten Frauen, die es wagte, die Männerdomäne „Motorradführerschein“ zu betreten. Den Mut dazu gab mir ausgerechnet ein Mann, nämlich mein Vater. Mein Vater war damals, Anfang der 50er Jahre, stolzer Besitzer einer BMW R 25. Dieses Motorrad machte mit seinen 24 PS einen höllischen Lärm. Meine Mutter erzählte mir später einmal, dass sie das Motoren-Geknatter seiner R 25 schon auf 10 km Entfernung hören konnte. Die BMW wurde leider Opfer der Lebenslust und Tollkühnheit meines Vaters. In den damaligen Zeiten brachten die Kavaliere an den Samstag-Ausgeh-Tagen ihre Liebsten am Abend stets nach Hause, also bis vor die Haustür ihres Elternhauses. In den meisten Fällen hatte das spätestens bis 22.00 Uhr zu erfolgen. Danach ging für viele der jungen Kerle die Gaudi erst richtig los. Sie trafen sich in der Dorfkneipe an der Theke, um den Abend zu begießen. Da mein Vater der Lebenslust nicht abgeneigt war, hatte er sich solche Theken-Events niemals entgehen lassen. An einem dieser besagten Thekenabende im Jahr 1951 beim Schützenfest im Nachbarort ließ es mein Vater fürchterlich krachen. Er war überglücklich die Frau seines Herzens, sie sollte später meine Mutter werden, erobert haben zu können. Mit seinen Kumpels trank er an der Theke mehrere „Kurz und Lang“, so lautet die Bezeichnung, wenn in Norddeutschland Schnaps und Bier hintereinander weggetrunken werden. Am Ende der Feier trat der noch im Liebestaumeln wandelnde und leicht angetrunkene Junggeselle schließlich den Heimweg mit seiner einzigartigen BMW R 25 an. Doch das Motorrad wollte seinen Fahranweisungen einfach nicht folgen. Daraufhin traf mein Vater eine folgenschwere Entscheidung. Er spielte die beleidigte Leberwurst, verschränkte beide Arme unter der Brust und sagte zu seiner R 25: „Wenn Du nicht so willst, wie ich, dann fahr doch allein!“ Damit fand dieses wunderschöne Motorrad sein Ende im Straßengraben. Von diesem Zeitpunkt an fristete die R 25 ihr Dasein unter einer Plane auf dem Lagerboden meines späteren Elternhauses – fahruntüchtig und aufgebockt. Als ich die BMW als Kind unter der Plane entdeckte, war das Bike völlig eingestaubt. Ich fegte und wischte Spinngewebe und Staub beiseite, setzte mich auf das Motorrad und so wurde die R 25 in meiner Kindheit zu meinem liebsten Spielzeug. Früh übte ich mich als Rennfahrerin und ahmte Fahrsituationen nach. Die R 25 konnte auf dem Hochständer meinen Kurvenneigungen zwar nicht folgen, doch das störte mich in meiner kindlichen Fantasie herzlich wenig. Auch den Motor brauchte ich nicht. Perfekt konnte ich den unglaublichen Sound einer BMW mit stolzen 24 PS nachmachen. Von diesen fantastischen und fantasievollen Motorraderlebnissen geprägt, war mein Weg vom Trecker-, Moped- bis hin zum Motorradführerschein vorgezeichnet. Die Idee, den Motorradführerschein zu machen, wuchs in mir und ließ mich auch im Jugendalter nicht los. Kurz vor meinem 18ten Geburtstag verkündete ich meinen Eltern, dass ich nicht nur den Auto-, sondern auch den Motorradführerschein machen werde. Zur damaligen Zeit war das schon eine Ansage! Meine Mutter, wenig erfreut über diese Nachricht, ahnte, was ich im Schilde führte. Ich plante nämlich bei schlechtem Wetter mit dem Auto meiner Eltern zu fahren. Diesen Plan hatte meine Mutter sofort durchschaut. „Unser Auto kriegst Du nicht!“ – Der Motorradführerschein und seine abschreckende Wirkung Als ich damals im Kindesalter auf der fahruntüchtigen BMW meines Vaters saß, durchfuhr ich tollkühn in meiner Fantasie jede Kurve im Umkreis von 50 km. Ich war begeistert vom Motorrad fahren. Von diesem Zeitpunkt an stand für mich fest: ich mache mit dem 18ten Lebensjahr den Motorradführerschein! Schon damals sah ich mich auf dem Motorrad sitzen, wie ich Gas gebe und einen astreinen Kavaliersstart hinlege. Das Einzige, was meine Begeisterung für das Motorrad fahren ein wenig drückte, war der Gedanke: „Was mache ich bei Regen, Schnee und Kälte?“ Die Winter in Niedersachsen sind in den 70er Jahren feucht und kalt gewesen. Folge dessen brauchte ich neben dem Motorrad einen fahrbaren Untersatz mit Dach über dem Kopf. Das Auto meiner Eltern schien mir als alternatives Fortbewegungsmittel bei schlechtem Wetter als besonders geeignet. Meine Mutter ahnte schon im Vorfeld, was ich im Schilde führte. Als ich verkündete, dass ich den Motorradführerschein machen wolle, reagierte sie blitzschnell und entgegnete: „Unser Auto kriegst Du nicht!“ Dieser Satz sollte mich verfolgen. Meinen Motorradführerschein machte ich im November und Dezember 1978. Es war ein unglaublich kalter Winter und so wurde ich gleich mit den Härten des Motorradfahrens konfrontiert. Damals als Schülerin hatte ich kein Geld für eine Motorradkleidung, geschweige denn für eine Winter-Ausstattung. Erstmals musste ich erfahren, wie es ist, in einem einfachen Jeansanzug eiskaltem Fahrtwind und Schneeregen ausgesetzt zu sein. Nach nicht einmal einer Stunde auf dem Motorrad spürte ich meine Gliedmaßen nur noch ansatzweise. Ich gewann eine Vorstellung darüber, wie kalt Handflächen und Finger werden können. Zum Glück waren damals nur zwei Fahrstunden Pflicht. Bei der Prüfungsstunde hatte der Fahrlehrer Erbarmen mit mir. Ich brauchte nur zwei Runden zu drehen. Eine Vollbremsung war auf der vereisten Fahrbahn ohnehin nicht möglich. Während der Prüfungsstunde auf dem Motorrad ging mir ständig der Spruch meiner Mutter durch den Kopf: „Unser Auto kriegst Du nicht!“ In mir kamen Bilder eines wohligen Fahrgefühls im Auto auf. Ich saß hinter dem Lenkrad einer Nobelkarosse, die Heizung lief, die Schneeflocken rieselten leise und sanft auf das Autodach nieder. Noch während der Prüfungsstunde sehnte ich mich nach so einem zweiachsigen Fahrgestell mit verschlossener Fahrerkabine und Heizung. Damit hatte der Motorradführerschein für mich eine abschreckende Wirkung. Erfrieren wollte ich nicht! Das war dann wohl der Wink des Schicksals, denn der Wunsch nach einem Fahrzeug mit gut funktionierender Heizung sollte wenig später mehr als in Erfüllung gehen. Zum achtzehnten Geburtstag kaufte ich mir statt eines Motorrads ein Auto. Es war ein VW-Käfer mit dem üblichen Problem, dass die Heizung nie funktionierte. Sie lief zuverlässig auf vollen Touren und war einfach nicht auszustellen. Im Winter empfand ich das als sehr angenehm, im Sommer kochte ich vor Hitze hinter dem Lenkrad. Nach diesen Erlebnissen ließ mein erstes Motorrad acht Jahre auf sich warten. Unglaublichen Umständen habe ich es zu verdanken, dass ich ab meinem 27sten Lebensjahr wunderschöne Erlebnisse mit dem Motorrad haben durfte. Eine Suzuki 450 GS veränderte mein Leben. „Meine Suzi 450 GS“ – Der absolute Deal Ein Auto kann unglaublich gemütlich sein. Wenn es draußen kalt ist und der Regen gegen die Frontscheibe prasselt, dann ist im Auto von diesem Wetter nichts zu spüren. Die Heizung läuft, es ist trocken und warm, Scheibenwischer und Gebläse sorgen für gute Sicht. All das gibt es beim Motorrad nicht! Bei unzähligen Fahrten auf dem Motorrad in eisiger Kälte und bei strömenden Regen habe ich mich gefragt: „Annette, warum tust Du Dir das an?“ Bis heute gibt es darauf für mich nur eine Antwort: „Motorrad fahren musst Du wollen!“ Motorrad fahren ist kein Fahren im Sinne von Sich-Fortbewegen. Motorrad fahren ist ein Lebensgefühl und kann zum Lebenselixier werden. Das gilt für mich auch heute, 35 Jahre später, immer noch. Dabei bin ich nach meinem Führerschein-Erlebnis bei Eiseskälte lange Zeit gar nicht gefahren. Erst acht Jahre später sollte ich zum Motorrad zurückfinden. Die Androhung meiner Mutter „Unser Auto kriegst Du nicht!“ hatte bei mir Spuren hinterlassen. Nach der Motorradführerscheinprüfung bei Schneeregen und vereisten...




