Hintergründe zu "Elefanten", "Leoparden" und "Löwen"
E-Book, Deutsch, 296 Seiten
ISBN: 978-3-86099-906-6
Verlag: Brandes & Apsel
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Künzler versteht es, klar zu machen, wie der Fußball in Afrika "tickt". Mit seinen Geschichten und seiner Sachkenntnis führt er uns mitten hinein in afrikanische Fußballrealitäten.
Er hat in den letzten zwölf Jahren mehr als 20 Länder in Afrika besucht. Im kleinen Dorf am Rande der Sahara, in der Millionen-Metropole Kinshasa, in den Art Déco-Kinos von Asmara, am togolesischen Zoll, an Schulen, am Strand, in der Zeitung, am Fernsehen und vor allem in zahllosen Gesprächen ist er immer wieder dem Thema Fußball begegnet.
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Inhalt
Vor dem Anpfiff
1.Einige Gedanken über ein vielfältiges Phänomen zum Aufwärmen
2.Eine Männerdomäne? Fußball und Gender
Ein Blick in die Geschichte des afrikanischen Fußballs:
Kolonialisierung und Widerstand
3.Wie der Fußball nach Afrika kam
See- und Kaufleute, Soldaten, Siedler und Schulleiter
4.Unterhaltung für die "Eingeborenen"?
Fußball, Zivilgesellschaft und Unabhängigkeitsbewegungen
Fußball und "Kultur":
Mobilisierungen, Ethnifizierungen und Identifizierungen
5.Das "Wunder von Johannesburg"?
Vom Versuch der Nationenbildung durch Fußball
6.Das Ende des Dodo FC
Vom Kampf gegen den ethnifizierten Fußball
in der "Regenbogennation" Mauritius
7.Benin - Madagaskar 3:2
Magie, Misstrauen und Massenpanik in Afrika
Fußball und Politik:
Autoritäre, neopatrimoniale und neokoloniale Formen
der Herrschaft
8.Brot und Zirkusspiele? Autoritäre (Militär-)Regime und Fußball
9.Neopatrimoniale Politik in Kamerun:
Präsident Biya als Fußballtrainer und räuberische Funktionäre
10.Fußballspieler Weah als Staatspräsident?
Fußball und politische Unternehmer
11.Die FIFA und Afrika:
koloniale, postkoloniale und neokoloniale Beziehungen
Fußball und Wirtschaft:
Migration, Sponsoring und Entwicklungshilfe
12.Auf der Suche nach grüneren Rasen:
Der "Body Drain", die "Migration mit dem Ball"
und die Hoffnung auf ein besseres Leben
13.Bier und Mobilfunk:
Erfolgreiche Wirtschaftssektoren als Sponsoren
des afrikanischen Fußballs
14.Chronik eines angekündigten Fiaskos?
Fußball und Entwicklung(-shilfe)
Nach dem Abpfiff
15.Ein Kampf auf Leben und Tod -
oder mehr als das?
Anhang: Übernamen der Nationalmannschaften
Literatur
Einige Gedanken
über ein vielfältiges Phänomen zum Aufwärmen
"Football gives suffering people joy." (George Weah)
Im Jahr 2004 kam ich nach einem Nachtflug frühmorgens ohne Visum bei der Passkontrolle eines westafrikanischen Staates an und musste dort wie einige Mitreisende erfahren, dass die für das Visum benötigten Fiskalmarken ausgegangen seien. Mangels dieser "Steuerbriefmarken" könne er derzeit keine Visa ausstellen, meinte der eine Immigrationsbeamte. Die Mitreisenden deponierten den Pass. Einige gingen Kaffee trinken, andere gingen in die Stadt mit der Aufforderung, abends den Pass am Flughafen abzuholen. Ich gratulierte dem Beamten zum Sieg "seiner" Nationalmannschaft gegen eine große Mannschaft des afrikanischen Fußballs zwei Tage zuvor. Nach einer angeregten Diskussion über Fußball knallte er mir das Visum inklusive Fiskalmarken in den Pass und ich ging meines Weges. Fußball kann nahezu weltweit Türen öffnen.
Ich kam damals aus Ruanda, wo ich während der Europameisterschaft 2004 war. Anfängliche Befürchtungen, die Spiele der Schweizerischen Nationalmannschaft in Ruanda nicht mitverfolgen zu können, haben sich schnell in Luft aufgelöst. Die 0:3 Niederlage gegen England war auch noch am Kivu-See im Fernsehen zu sehen. Einige Monate zuvor, am 24. Februar 2004, war ich im abgelegenen Dorf Hombori am Rande der Wüste in Mali. Am Abend stellte der Hotelbetreiber, selbst ein ehemaliger Fußballer, einen Fernseher vor eine Lehmhütte. Familie, Gäste und ein Teil der Nachbarschaft schaute sich unter dem wunderbaren Sternenhimmel im Freien das Champions League-Spiel zwischen Bayern München und Real Madrid an. Der Wert dieser beiden Klubs beträgt etwa die Hälfte des jährlichen Volkseinkommens von Mali.
Fußball bereitet leidenden Menschen Freude, meint der afrikanische Fußballer George Weah. Fußball hilft aber auch, etwas über das Leiden und die Freuden der Menschen zu erfahren. Man kann durch Fußball viel über afrikanische Gesellschaften lernen, wobei in diesem Buch mit Afrika das Afrika südlich der Sahara gemeint ist. Fußball wird hier als Spiegel oder Allegorie der afrikanischen Gesellschaften betrachtet. Es ermöglicht soziologische Einblicke, die über den Fußball hinausgehen. Die Geschichte mit dem Einreisevisum verweist auf die Funktionslogik einer korrupten, neopatrimonialen Gesellschaft, die anderen beiden Anekdoten illustrieren die globale Ausstrahlung bestimmter Fußballwettbewerbe. Fußball ist bei weitem nicht der einzige mögliche Spiegel für gesellschaftliche Phänomene, aber ein meiner Ansicht nach besonders gut geeigneter. Im und durch Fußball wird die Gesellschaft auch mitgestaltet, und Fußball ist deshalb nicht nur ein passiver Spiegel. Fußball spiegelt außerdem nicht alle Facetten einer Gesellschaft.
Wenn in diesem Buch von Korruption und Gewalt und anderen Phänomenen in Afrika die Rede ist, sollte nicht vergessen werden, dass neben all dem Negativen in Afrika auch sehr viel Positives anzutreffen ist. Korruption und Gewalt sind außerdem auch außerhalb von Afrika anzutreffen, man denke etwa an die verschiedenen Korruptions- und Wettskandale in verschiedenen europäischen Ländern oder an jenen Schweizer FIFA-Schiedsrichter, der 1997 wegen versuchtem Wettspielbetrug von der UEFA lebenslang gesperrt wurde. Auch Spielabsprachen sind außerhalb Afrikas weder neu noch selten. Beispiele findet man unter anderem in Belgien, Ungarn, Portugal, Rumänien, Frankreich, Brasilien sowie in asiatischen Ländern wie Thailand, Singapur oder Indonesien. Fußballklubs mit finanziellen Problemen oder chaotischen Finanzverhältnissen gibt es ebenfalls rund um die Welt. Die Vermischung von Politik und Fußball ist aus Italien und Spanien bestens bekannt und in verschiedenen europäischen Ländern wurden in den letzten Jahren Fußballfunktionäre erschossen. Der einzige Fußballkrieg, den es bislang auf der Welt gegeben hat, hat nicht in Afrika stattgefunden, sondern in Lateinamerika. Ein Fußballspiel gab nicht in Afrika den letzten Impul