Kühne / Hintenberger | Handbuch Online-Beratung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 265 Seiten

Kühne / Hintenberger Handbuch Online-Beratung

Psychosoziale Beratung im Internet
2., unveränderte Auflage 2009
ISBN: 978-3-647-99521-2
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Psychosoziale Beratung im Internet

E-Book, Deutsch, 265 Seiten

ISBN: 978-3-647-99521-2
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Das Handbuch der Online-Beratung ist ein Grundlagenwerk für psychosoziale Beratung im Internet. Neben fundierten Beiträgen zur Theorie der Online-Beratung bietet das Buch umfassende Informationen zu den Möglichkeiten und Einsatzgebieten dieser Form der Beratung. Namhafte Expertinnen und Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz setzen damit erstmals einen Standard für das Arbeitsfeld der professionellen Online-Beratung. Die Bereiche der Mail-Beratung sind ebenso vertreten wie Foren- und Chat-Beratung sowie Ausblicke in das Feld der mobilen Medien. Wichtige methodische Konzepte werden dargestellt und praxisnah vermittelt. Das Spektrum reicht vom Vier-Folien-Konzept über narrative und systemische Ansätze bis hin zur Einsatzmöglichkeit der Online-Supervision.Im Bereich der zielgruppenspezifischen Online-Beratung bietet das Handbuch Einblicke in die Paarberatung, in die frauenspezifische Beratung und in das Arbeitsfeld der Aids-Hilfe. Beiträge zu den Themen Qualitätssicherung und Ausbildung für Online-BeraterInnen runden das Handbuch ab.Das Handbuch für Online-Beratung richtet sich sowohl an Einsteiger/innen als auch an erfahrene Online-Berater/innen, die ihr Fachwissen vertiefen möchten.

Stefan Kühne, Diplom-Erwachsenenbildner, ist Mitherausgeber des e-beratungsjournal.net und Leiter von wienXtra-jugendinfo.
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Alexander Brunner

Theoretische Grundlagen der Online-Beratung

Vorbemerkungen

Online-Beratung ist in den letzten Jahren auch im europäischen Raum zu einer weit verbreiteten und ausdifferenzierten Praxis herangereift. Neben der Praxis trägt auch die theoretische Auseinandersetzung mit Online-Beratung inzwischen Früchte, wie nicht zuletzt die Publikation dieses Handbuchs für Online-Beratung zeigt. Trotzdem wird man nach wie vor feststellen müssen, dass bezüglich der theoretischen Grundlagen der Online-Beratung als einer eigenständigen Theorie für eben diese Praxis weiterhin Nachhol- bzw. Reflexionsbedarf besteht.

Dabei ist prinzipiell zu fragen, was eine solche Theorie leisten kann (und soll) und vor allem, wo sie in diesem bunten und interdisziplinär gewachsenen Feld an verschiedensten Einflüssen (Kommunikationstheorie, Medienwissenschaften, Medienphilosophie, Medienpsychologie, Psychotherapie und Beratung etc.) ihren Ankerpunkt suchen soll. Eine weitere offene Frage ist weiterhin, inwiefern sie sich dabei an Theorien der Face-to-Face-Beratung und, was vielfach unberücksichtigt bleibt, an Erfahrungen mit anderen Formen mediatisierter Beratung orientieren kann und soll. Zumindest für das Telefon als Medium der Beratung liegen einige interessante Analysen vor (Hornschuh, 1990; Schmidt, 1990). Online-Beratung ist durchaus etwas Neues, mediatisierte Beratung dagegen nicht. Über Telefon, Ratgeberliteratur, Talkshows, Briefe und Zeitschriften findet und fand schon lange bevor es Online-Beratung gab, eine nicht unmittelbare über Medien vermittelte Beratung statt. Eine Analyse muss sich daher nicht nur dem spezifisch Neuen von Online-Beratung gegenüber Face-to-Face Beratung, sondern ebenso der Eigenheiten der mediatisierten Kommunikation und Interaktion im und durch das Internet und deren Auswirkungen auf zentrale Konzepte wie etwa Person, Identität oder Beziehung annehmen.

Aus der Vielfalt möglicher Zugänge zu theoretischen Grundlagen der Online-Beratung wird im Folgenden ein Ansatz gewählt, der auf einer Metaebene von vier zentralen Themenfeldern für Beratung ausgeht, unabhängig ob mediatisiert oder nicht. Diese Themenfelder lassen sich mit Kommunikation/Interaktion, Beziehung/Gefühle, Kontext/Raum sowie Person/Identität umschreiben. Das Hauptaugenmerk wird auf dem Themenfeld Kommunikation/Interaktion liegen, während die anderen drei Themenfelder in daran anschließenden Überlegungen Raum finden werden. Es ist im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich, eine übergreifende Theorie der Online-Beratung zu entwerfen. Die folgenden Ausführungen sollen jedoch Anstöße für weitere Reflexionen in diese Richtung bieten, damit aus den impliziten theoretischen Vorannahmen der Praxis der Online-Beratung immer mehr eine theoretisch gesättigte und reflektierte Praxis entstehen kann.

Beratung und Kommunikation

Folgt man einer gängigen Bestimmung, ist »Beratung […] zunächst eine Interaktion zwischen zumindest zwei Beteiligten, bei der die beratende(n) Person(en) die Ratsuchende(n) – mit Einsatz von kommunikativen Mitteln – dabei unterstützen, in Bezug auf eine Frage oder auf ein Problem mehr Wissen, Orientierung oder Lösungskompetenz zu gewinnen« (Sickendiek, Engel u. Nestmann, 2002, S. 13). Auch Rainer Schützeichel hebt diesen Aspekt in der Beschreibung von Beratung als kommunikative Gattung hervor, wenn er schreibt:

»Denn dies scheint die erste wichtige Eigenschaft von Beratungen zu sein – es handelt sich um Kommunikationen zwischen einem Ratgeber und einem Ratsuchenden. Die beratende Kommunikation ist dabei durch feste Erwartungshaltungen geprägt« (Schützeichel, 2004, S. 274).

Wie aus diesen beiden Zitaten hervorgeht, ist Beratung zunächst als eine spezifische Form von Kommunikation und Interaktion zu betrachten, wobei beide Beschreibungen trotz ihrer Allgemeinheit implizit auf den Kontext herkömmlicher Face-to-Face-Beratung verweisen. Dies wird deutlich, wenn man mit Niklas Luhmann bedenkt, dass Kommunikation und Interaktion nicht unbedingt miteinander verbunden sein müssen, vielmehr wird durch die Schrift eine Trennung von Kommunikation und Interaktion möglich. »Durch Schrift wird Kommunikation aufbewahrbar, unabhängig von dem lebenden Gedächtnis von Interaktionsteilnehmern, ja sogar unabhängig von Interaktion überhaupt« (Luhmann, 1987, S. 127). Durch die Schrift wird Distanz zum gemeinsamen kommunikativen Handeln geschaffen oder um es mit Sybille Krämers Worten zu fassen: »Zu Schreiben und zu Lesen heißt nicht einfach, in die Kommunikation einzutreten, sondern heißt zuerst einmal, sich der Kommunikation zu entziehen« (Krämer, 2000a, S. 46).

Kommunikation meint im Rahmen von Face-to-Face-Beratung vor allem und ausschließlich professionelle Formen des mündlichen Gesprächs. Worum es im Folgenden gehen soll, ist dagegen, abgesehen von grafischen Elementen (Emoticons, Comic-Chats etc.), primär schriftliche Kommunikation und hier noch einmal eine spezifische Form von Schriftlichkeit unter den Rahmenbedingungen so genannter computervermittelter Kommunikation. Es ist in diesem Fall nicht einfach von Schrift auszugehen, wie sie als Handschrift oder Buchdruck bekannt ist, sondern vielmehr von Schriftlichkeit, wie sie unter den Bedingungen »elektronischer Textualität« (Wehner, 1997) in Erscheinung tritt. In theoretischer Hinsicht werden dazu seit Beginn der Diskussion um Sprache im Internet zum Teil stark divergierende Auffassungen vertreten. Dabei geht es nicht nur um ad hoc einleuchtende Unterschiede in Abhängigkeit von Variablen wie Synchronizität (Chat, Instant Messaging) und Asynchronizität (E-Mail, Foren), sondern um weit fundamentalere Einschätzungen, Sichten und Bewertungen von Kommunikation und Interaktionen mittels vernetzter Computer.

Exkurs: Schriftlichkeit und »Netzanthropologie«

Mit Nicola Döring ist von zwei Extremen Abstand zu nehmen:

»Netzkommunikation als das ›ganz andere‹, ›Fremde‹ und ›völlig Neue‹ darzustellen, kann von vornherein als ebenso unangemessen betrachtet werden wie vorschnelle Analogien, die suggerieren, E-Mail sei im Prinzip genauso wie Briefschreiben, nur schneller; IRC […] sei genauso wie Partygeplauder, bloß getippt statt gesprochen; […]« (Döring, 2000b, S. 345).

Abgesehen von diesen polarisierenden Auffassungen sollte Schriftlichkeit im Kontext von computervermittelter Kommunikation in ihrer Eigenständigkeit begriffen werden, wie überhaupt das Schreiben und Lesen von digitalisierten Texten im Kontext von Online-Beratung (Brunner, 2007). Diese Eigenständigkeit bezieht sich auf den speziellen Charakter von digitalisierter Schriftlichkeit zwischen gesprochener und geschriebener Sprache (Oraliteralität) (Döring, 2000b) sowie auf einer anderen Ebene auf die Frage, wer hier mit wem kommuniziert. Obwohl es zutrifft, dass immer Menschen hinter Texten stehen (sofern es nicht durch programmierte Agenten produzierte Texte sind), bleibt doch die Frage zu beantworten, ob im Internet Personen mit Personen oder vielmehr Personen mit Texten kommunizieren.

Bezüglich der Sprachverwendung von Nutzerinnen verschiedenster Dienste und Kommunikationskanäle im Internet, ist tatsächlich beobachtbar, dass hier eine Sprachverwendung in Erscheinung tritt, die in ihrer Informalität, Verspieltheit, dem Einbau von Aktionswörtern und Dialektausdrücken und Ähnlichem tatsächlich teilweise an eine Art verschriftlichte mündliche Kommunikation erinnert. Ob, wie Petzold schreibt, »die besondere Art der Internet-Kommunikation […] am besten als verschriftete Mündlichkeit in Gesprächsform (= Oraliteralität) verstanden werden« (Petzold, 2006, S. 6) kann, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Trotz der Ähnlichkeit mit mündlicher Sprache fehlen wesentliche Aspekte des Mündlichen im virtuellen Raum, auf die weiter unten noch genauer einzugehen sein wird. Und was wesentlicher ist, es wird anthropomorphisierend gerade die technische Vermitteltheit ausgeblendet. Anders ausgedrückt: Wenn die Kommunikation im Internet strukturell scheinbare Ähnlichkeiten mit mündlicher Kommunikation aufweist, bleibt sie dennoch eine sehr spezifisch technisch mediatisierte Kommunikation im Modus digitaler Schriftlichkeit.

Die Frage, wer hier mit wem oder was kommuniziert, wird unterschiedlich beantwortet. Eine relativ klare nicht-anthropomorphe These dazu hat die Berliner Medienphilosophin Sybille Krämer bereits in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts formuliert:

»Die Nutzer computermediatisierter Netzwerke interagieren nicht mit Personen, sondern mit Texten bzw. digitalisierbaren Symbolkonfigurationen. Und sie agieren nicht als Personen, sondern als Symbolketten im Sinne frei gewählter Namen« (Krämer, 1997, S. 97).

Dieser Position depersonalisierter Kommunikation stehen Modelle einer technisch vermittelten interpersonalen Kommunikation gegenüber, die exemplarisch Joachim Höflich so definiert:

»Technisch vermittelte interpersonale Kommunikation ist also Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen unter Verwendung von Kommunikationstechnologien bzw. technischen und im besonderen elektronischen Medien« (Höflich, 1996, S. 17).

Während die zeichentheoretische Position also vor allem auf den...



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