E-Book, Deutsch, Band 4206, 268 Seiten
Reihe: Lobo
Kuegler Lobo - Der Einzelgänger 06: Der Galgenbruder
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95719-396-4
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 4206, 268 Seiten
Reihe: Lobo
ISBN: 978-3-95719-396-4
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Mann ist ein Killer. Er tötet ohne Mitleid. Am liebsten Frauen. Lobo bringt ihn an den Galgen. Aber der Killer überlebt und mordet weiter. Jetzt jagt Lobo ihn. Obwohl er weiß, dass die, die Ed Banteen am Galgen sehen wollen, auch ihn verachten. Weil Lobo ein Halbblut ist. Damit ist er weniger wert als der Mörder. Aber er ist der Einzige, der Banteen stellen kann, der Einzige, der ihm gewachsen ist. Eine gnadenlose Jagd beginnt.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 2
Das Gesicht des Mannes war faltig und so schwarz wie Ebenholz. Seine schwieligen Hände hielten die Zügel, mit denen er das Gespannpferd vor seinem flachen Farmwagen lenkte. Er saß nach vorn gebeugt auf dem Wagenbock. Ein verbeulter, speckiger Hut beschattete seine Stirn. Der Mantel der Nacht klaffte im Osten auf. Morgennebel wallten über die Ebene, der Horizont schimmerte hell. Der alte Schwarze schwenkte mit seinem Wagen auf die Overlandstraße nach San Pedro ein. Aus dem Nebel ragten vor ihm die Hütten der kleinen Stadt auf. Die Hufe des Gespannpferdes klapperten auf dem Weg, die Räder knarrten und zermalmten knirschend kleine Kiesel. Er erreichte den Baum, an dem Ed Banteen hing. Überrascht hob er den Kopf, schob den Hut in den Nacken und zog die Zügel an. Das Gespannpferd blieb stehen, der Wagen hielt an. Der alte Mann richtete sich auf dem Bock auf und blickte direkt in das Gesicht des Gehenkten, mit dem er sich jetzt auf gleicher Höhe befand. Das Gesicht Banteens hatte sich bläulich verfärbt. Die Augen waren geschlossen, der Mund stand ein wenig offen. Der Schwarze zögerte. Er spähte zur Stadt hinüber. Dort schlief noch alles. Ratlos zuckte er mit den Schultern und zog dann ein kurzes Messer aus einer Scheide am Gürtel. Er beugte sich vor, griff nach dem Körper Banteens, der sich erstaunlich warm anfühlte, zog ihn ein Stück zu sich herüber und zerschnitt mit einer schnellen Bewegung das Seil, an dem Banteen hing, etwa zehn Zoll oberhalb des Knotens. Der Körper fiel sofort herunter. Der Alte konnte ihn gerade noch zu sich auf den Bock wuchten, bevor er zu Boden stürzte. Er setzte Banteen auf die Bank. Der Oberkörper des Mörders stürzte zur Seite. Der Schwarze steckte das Messer ein und lockerte die Schlinge um den Hals von Banteen ein wenig. Er wollte den Mann zum Sargtischler bringen. Egal, was er getan hatte: Er hatte Anspruch auf ein anständiges Begräbnis. Als er die Schlinge abnahm und ins Gras warf, sah er plötzlich, dass sich die Augenlider des Mannes zuckend bewegten. Er glaubte, sich getäuscht zu haben. Der Mann war tot. Es gab für ihn keinen Zweifel. Er hatte keine Angst vor Toten. Er hatte in seinem Leben viel gesehen und getan. Vor dem Bürgerkrieg war er Sklave auf einer Tabakplantage in Kentucky gewesen. Dort hatte er bei Todesfällen die Leichen gewaschen. Der alte Mann schob Ed Banteen ein Stück zur Seite, nahm seinen Platz auf dem Bock wieder ein und hob die Zügel. In diesem Moment stöhnte der vermeintlich tote Mann. Der Kutscher ließ vor Schreck die Zügel fallen. Er wandte den Kopf und starrte entsetzt in das Gesicht des Mannes neben sich, das immer noch bläulich schimmerte. Aber die Lippen bewegten sich leicht. Er atmete. Seine Augenlider zuckten wieder. Dann drang ein schrilles Röcheln aus dem Mund Ed Banteens. Es schien, als fließe Leben in einen schon abgestorbenen Körper. Ein Zittern durchlief den Mann, als neue Kraft in seine Muskeln strömte. Die bläuliche Verfärbung des Gesichts machte einer wächsernen Blässe Platz. Seine Arme begannen, sich schwach und unkontrolliert zu bewegen. Dann schlug er die Augen auf und musterte den Schwarzen neben sich, der Ed Banteen fassungslos anstarrte. „Jesus Maria, bei allen heiligen Jungfrauen“, flüsterte der Alte. Ed Banteen schien ebenfalls etwas sagen zu wollen. Seine Lippen bewegten sich, formten Worte. Aus seinem Mund kam aber nur ein heiseres Krächzen. Mit beiden Händen tastete er zu seinem Hals hoch, an dem der Strick einen deutlich sichtbaren Abdruck hinterlassen hatte. Als Banteen den Kopf bewegte, verzerrte sich sein Gesicht vor Schmerzen. Trotzdem wurde sein Atem kräftiger. „Gottverdammt“, flüsterte der Alte. „Gottverdammt!“ „Wasser“, krächzte Banteen. Sein Gesicht kriegte zusehends Farbe, die Blässe wich. Mit zitternden Händen griff der alte Schwarze hinter sich und entkorkte eine Feldflasche. Er hielt sie Banteen an den Mund und ließ ihn trinken. Banteen verschluckte sich erst und erstickte fast doch noch. Dann trank er gierig und lehnte sich stöhnend zurück. „Ich bringe Sie zum Doc, Mister“, sagte der Kutscher. „Sie brauchen einen Doc und dann einen Whiskey. Das ist es, was Sie brauchen, genau das.“ „Was ich brauche, weiß ich selbst“, sagte Banteen. Seine Stimme erschien ihm selbst fremd. Sie knarrte und klang kratzend und schwach. „Du kannst mich mal, Nigger.“ Der alte Mann musterte den anderen scheu. Er war Beleidigungen gewöhnt. Er hörte sie nicht mehr, selbst nicht von einem Mann, den er vom Strick geschnitten und ihm damit das Leben gerettet hatte. „Ich wusste nicht, dass Sie noch leben, Mister.“ „Dann hättest du mich hängen lassen, wie?“ Banteen lag immer noch kraftlos auf der Bockbank. „Pech, ich lebe. Solange das Genick nicht gebrochen ist, kann man hoffen. Außerdem, sieh dir doch den Strick an, den diese Idioten genommen haben. Die Schlinge hat sich gar nicht richtig geschlossen.“ Banteen deutete verächtlich auf die abgeschnittene Schlinge, die neben dem Wagenweg im Gras lag. „Schlechter Hanf. Viel zu rau. Und dann der Knoten. Zum Kälbereinfangen gerade richtig, nicht, um jemanden aufzuhängen.“ Banteen versuchte zu lachen. Es gelang ihm nicht. Es hörte sich wie ein asthmatisches Husten an. Er stemmte sich hoch. Unsicher stand er aufrecht auf dem Bock und schwankte. „Ich fahre Sie in die Stadt, Mister“, sagte der alte Mann. Er griff nach den Zügeln. Banteen fuhr herum. Er stützte sich an der Lehne des Bocks auf, sonst wäre er gefallen. Für einen Moment verlor er das Gleichgewicht und griff sich mit der linken Hand ins Genick, wo hörbar ein Wirbel knackte. Der Schmerz war so heftig, dass seine Augen einen Sekundenbruchteil später feucht schimmerten. „Du wirst den Teufel tun!“, sagte Banteen. Seine Stimme klang gepresst. „Damit ich noch einmal gehenkt werde, diesmal aber richtig, wie?“ „Verzeihung, Mister.“ „Was willst du, du dämlicher schwarzer Hund?“ Banteen hatte sich wieder gefangen. „Glaubst du, dass ich dir dankbar bin, weil du mich heruntergeschnitten hast? Ich wäre schon nicht verreckt. Ich nicht. Mich muss man schon ein paarmal töten, bevor ich wirklich hinüber bin.“ „Dann steigen Sie ab, Mister“, sagte der alte Mann. In seine Augen trat Angst. „Ich will weiterfahren.“ „Du drehst sofort den Wagen um und fährst von der Stadt weg“, sagte Banteen. „Ich muss einkaufen“, sagte der Schwarze. „Du musst einen Scheißdreck“, sagte Banteen. „Wenn ich dir sage, dass du mich nach Westen fährst, dann wirst du gehorchen, du Drecksnigger. Oder hast du das Gehorchen nicht gelernt?“ Der Schwarze zog den Kopf ein und trieb das Pferd an. Er wendete den Wagen und lenkte ihn nach Westen. Hinter den Männern lichteten sich die Nebelschleier. Der helle Streifen am östlichen Horizont verbreitete sich zusehends. „Fahr schneller!“, sagte Banteen. Er riss die Peitsche aus der Halterung neben dem Bock und ließ sie über dem Rücken des Pferdes knallen. „Bitte, Sir“, sagte der Kutscher. „Der Wagen ist alt, Sir. Es ist mein einziger Wagen. Er bricht auseinander, wenn wir zu schnell fahren.“ „Was braucht ein Nigger wie du einen Wagen?“, sagte Banteen und ließ die Peitsche wieder knallen. „Sir!“ Die Stimme des Schwarzen zitterte. „Bitte, Sir, ich fahre Sie, wohin Sie wollen, aber sagen Sie mir, was Sie vorhaben.“ „Hör auf zu reden und fahr!“, befahl Banteen. Der Schwarze ließ die Zügel sinken und hielt den Wagen an. Seine Haltung straffte sich. In sein altes, faltiges Gesicht trat ein Ausdruck von Festigkeit. Er schien sich unvermittelt entschlossen zu haben, sich nicht mehr herumkommandieren zu lassen. „Was ist los?“ Banteen drehte sich um und schaute zur Stadt zurück. San Pedro lag höchstens eine Meile entfernt in der Steppe. „Fahr weiter, oder soll ich dir mit der Peitsche dein altes Fell gerben?“ „Ich fahre Sie nicht weiter, Sir.“ „Du fährst nicht?“ „Nein, Sir.“ „Na gut“, sagte Banteen. Er saß steil aufgerichtet auf dem Bock. Sein Zustand besserte sich von Minute zu Minute. Ihm war bereits nicht mehr anzusehen, dass er gerade erst auf halbem Weg zu Hölle umgekehrt und ins Leben zurückgeholt worden war. „Dann bleibst du eben hier“, sagte Banteen. „Dann lass dich hier verscharren!“ Er beugte sich vor und griff nach dem Messer des Schwarzen. Der alte Mann blickte Banteen aus erschrockenen geweiteten Augen an. Er rührte sich nicht vom Fleck, als Banteen das Messer hob und es ihm tief in die Brust rammte. Als Banteen das Messer zurückzog, quoll Blut aus der Wunde und tränkte das Hemd des Mannes. Die Zügel entglitten den schwieligen Händen. Unsicher und ängstlich tastete der Alte zur Brust und starrte erstaunt an sich hinunter, als ihm das warme, dunkle Blut zwischen den knotigen Fingern hindurchrann. Banteens Augen waren kalt und ohne Gefühl. Er betrachtete das Messer einen Moment nachdenklich. Gerade ging die Sonne auf. Die Messerklinge blinkte matt, dort, wo sie nicht vom Blut verschmiert war. Der alte Mann schien in sich zusammenzufallen. Sein Oberkörper sackte ein Stück nach vorn. Er atmete rasselnd. In Banteens grobknochigem, breitflächigem Gesicht zuckte kein Muskel, als er dem Alten das Messer in den Hals stieß. Banteen erhob sich, ließ das...