E-Book, Deutsch, Band 4203, 270 Seiten
Reihe: Lobo
Kuegler Lobo - Der Einzelgänger 03: Todesfährte
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95719-393-3
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 4203, 270 Seiten
Reihe: Lobo
ISBN: 978-3-95719-393-3
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Tahia, die Apachin, hat das Massaker überlebt, das Skalpjäger auf ihrer Farm angerichtet haben. Sie töteten ihren Mann und ihr Kind. Lobo weiß, was sie fühlt. Genauso hat er seine Eltern und seinen Bruder verloren. Tahia will Rache, und Lobo verfolgt die Spur der Mörder. Dieser Band enthält die Romane: Der Bastard Eine Handvoll Dreck
Autoren/Hrsg.
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Der Bastard
Kapitel 1
Die Sonne stand im Zenit, als Lobo sein Pferd im Schatten einiger vulkanischer Felsen zügelte. Ein leiser Windhauch strich von Westen über das Tal, in dem sich die Hitze des Tages staute. Die Luft schmeckte nach Staub. Lobo stieg aus dem Sattel, umrundete die Felsquader und spähte in das Tal hinunter. Er sah zwei windschiefe Hütten, die unweit eines schmalen Baches standen. Das Anwesen wirkte verwahrlost. Auf dem Dach eines Hauses fehlten ein paar Schindeln, ein Fenster war zerbrochen. Einige Stangen des Corralgatters lagen am Boden. Lobo sah die Reiter auf dem Hof. Es waren fünf Männer. Sie hielten Gewehre in den Fäusten. Einer von ihnen musste den Schuss abgegeben haben, der ihn hergelockt hatte. Ihre Pferde wirkten abgetrieben, sie selbst machten einen zerlumpten Eindruck. Zwei von ihnen waren Mexikaner. Sie trugen große Hüte und waren bis an die Zähne bewaffnet. Zwei Männer standen vor den Hütten und sprachen mit den Reitern. Der Wind trug ihre Stimmen zu Lobo herauf, aber er konnte nicht verstehen, was sie sagten. Die Reiter stiegen ab. Sie gingen über den Hof auf die beiden Männer zu. Einer riss plötzlich sein Gewehr hoch und wirbelte es herum. Der Kolben traf einen der Männer und schleuderte ihn zu Boden. Er schrie, und die Reiter lachten. Der zweite Mann wich langsam zurück. Er hob abwehrend die Hände, stolperte und schlug der Länge nach hin. Er wälzte sich herum, stemmte sich hoch, schaffte es aber nicht ganz, denn bevor er sich aufrichten konnte, traf ihn ein Tritt seitlich an den Hals. Der erste, den der Schlag mit dem Gewehrkolben getroffen hatte, kroch auf allen Vieren durch den Staub, richtete sich auf und begann zu laufen. Er rannte zum Bach hinunter. Er lief wie ein Hase. Der eine Mexikaner zog seinen Revolver und schoss, ohne zu zielen. Die Detonation hallte dumpf und belfernd durch das Tal. Der Mündungsblitz verschmolz mit der gleißenden Helligkeit der Mittagssonne. Lobo sah ein feines Pulverwölkchen über der Mündung aufsteigen. Die Kugel traf den flüchtenden Mann in den Rücken. Der Aufprall hob ihn ein Stück vom Boden hoch. Seine Arme und Beine bewegten sich grotesk wie bei einer in die Luft geworfenen Gliederpuppe. Er stürzte nach vorn und schlug klatschend auf das Wasser. Er ging sofort mit dem Oberkörper im Bach unter. Seine Beine ruhten auf der sandigen Uferböschung. Im Haus ertönte ein hysterischer Schrei. Dann tauchten zwei Frauen in der Tür auf. Lobo fühlte es heiß in sich aufsteigen. Es waren Indianerinnen. Ihnen folgten zwei weinende Kinder, nicht älter als zehn oder zwölf Jahre. Ein Junge und ein Mädchen. Die Frauen hasteten über den Hof zum Bach hinunter. Einer der Reiter eilte ihnen nach. Er lachte roh. Die Frauen erreichten den Toten, als der Mann sie einholte und nach ihnen griff. Lobo hörte das hässliche Geräusch von zerreißendem Stoff bis in seine Deckung. Unwillkürlich zuckte seine Rechte zum Griff des großen Army-Colts, der in einem tiefgeschnallten Holster an seiner Hüfte steckte. Seine Faust schloss sich um das kühle Holz. Aber er ließ die Waffe stecken. Dort unten im Tal waren fünf Männer. Sie waren alle bewaffnet. Er war allein. Er hatte keine Chance. Eine der Frauen war jetzt fast nackt. Das Kleid hing ihr in Fetzen am Körper herunter und bedeckte kaum ihre Blößen. Schreiend flüchtete sie über den Hof. Die andere trug derbe Männerhosen und ein großkariertes Hemd. Darum konnte sie schneller laufen. Sie erreichte einen schmalen Steg, hastete auf die andere Seite des Baches und stürmte auf einen Waldstreifen im Westen zu. Einer der Mörder schoss. Er traf nicht. Die Frau lief unbeirrt weiter und erreichte einige Buschinseln, die zwischen der Farm und dem Wald lagen. Sie nutzte sie geschickt als Deckung und tauchte wenig später am Waldrand unter. Die andere Frau war von zwei Männern neben dem leeren Corral zu Boden geworfen worden. Sie war völlig nackt und wand sich wie eine Schlange, um sich aus den Griffen der Fremden zu befreien. Lobo hörte sie schreien, er hörte auch den Farmer schreien, der sich aufgerichtet hatte und heranschwankte. Zwei, drei Schüsse fielen in rascher Folge. Der Farmer riss die Arme hoch und torkelte rückwärts. Eine Kugel war neben seiner Nase in den Kopf eingedrungen. Er hatte kein Gesicht mehr, als er zu Boden ging. Die beiden Kinder schrien wie verwundete Tiere. Sie schienen den Verstand verloren zu haben und hasteten kreischend auf dem Hof herum, als sei er ein Käfig, aus dem es kein Entkommen gab. Das Mädchen hielt eine Stoffpuppe in den Armen. Es stolperte und stürzte neben dem toten Mann nieder. Die Puppe tauchte in das Blut, das in den Staub sickerte. Als das Mädchen aufstehen wollte, wurde es von einer Kugel getroffen und zu Boden gestoßen. Es war sofort tot. Der Junge wurde von einem Geschoß gegen die Hauswand geschleudert. Er sackte daran hinunter und blieb in unnatürlich verrenkter Haltung liegen, die Augen weit aufgerissen, glanzlos die Pupillen. Nun war nur noch die heisere, von Todesangst erfüllte Stimme der nackten Frau zu hören. Die Mörder hielten sie am Boden fest. Ihre Haut schimmerte wie Bronze. Ihr Körper war fest und geschmeidig, die Brüste groß und straff. Die Mörder fielen über sie her. Einer nach dem anderen. Sie ließen sich Zeit. Die Kraft der Frau erlahmte. Am Schluss wehrte sie sich nicht mehr. Sie lag reglos da, hatte den Kopf zur Seite gewandt und die Augen geschlossen, ließ willenlos alles mit sich geschehen. Es dauerte fast eine Stunde, dann erhoben die Männer sich und gingen ins Haus. Sie durchsuchten auch die Hütte daneben und trugen in einem Leinensack einige Sachen heraus. Danach gingen sie auf dem Hof umher und rissen den Toten die Skalps ab. Auch den Kindern. Zum Schluss wandten sie sich wieder der Frau zu. Sie lag noch immer auf dem Rücken im Staub, ungeschützt den sengenden Strahlen der Sonne ausgesetzt. Sie bewegte sich nicht. Mit weit geöffneten Augen schaute sie ihren Mördern entgegen. Kein Laut drang über ihre Lippen. Lobo sah, dass einer der Männer sich bückte. Eine Messerklinge glitzerte im Sonnenlicht, dann färbte sich alles dunkelrot. Der Mann wälzte die Frau auf den Bauch, stellte ihr den rechten Fuß in den Nacken, griff in ihr langes, volles Haar und trennte auch ihr die Kopfhaut ab. Die Männer befestigten die Skalps an einem dünnen Ledergürtel, an dem schon andere Skalps baumelten. Von den frischen Hautfetzen tropfte noch Blut. Die Mörder bestiegen ihre Pferde und lenkten sie zum Bach. Gischt spritzte auf, als sie hindurchritten. Kleine Schaumkrönchen tanzten auf dem Wasser. Auf der anderen Seite des Baches wandten die Reiter sich nach Süden. Staub wirbelte unter den Hufen ihrer Pferde hoch. Sie jagten auf eine Hügelkette zu und waren wenige Minuten später verschwunden. Über dem Tal war es jetzt still wie in einem Grab. Noch immer strich der Wind von Westen herüber und trug den strengen Geruch von Pulverdampf, Blut, Angst und Tod zu Lobo herauf. Die Sonne hatte den Zenit überschritten und war nach Westen gerückt. Das Wasser des schmalen Baches blinkte in den grellen Strahlen wie schieres Silber. Lobo hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Er fühlte sich schlecht. Er dachte wieder daran, dass er hätte eingreifen können. Aber das hätte keinem der Menschen das Leben gerettet, mit Sicherheit jedoch sein eigenes gekostet. Es wäre ein sinnloses Opfer gewesen. Er aber war kein Mann, der sich sinnlos für etwas opferte. Er musste an sich denken, für ihn riskierte auch niemand etwas. Er war ein Mann ohne Freunde. Ein Einzelgänger.
*
Lobo stieg auf dem Hof aus dem Sattel. Der süßliche Blutgeruch war in der Hitze kaum zu ertragen. Sein Pferd scheute. Lobo ging zwischen den Toten umher und blieb am Ufer des Baches stehen. Er schaute zu den Hügelrücken hinüber, hinter denen die Mörder verschwunden waren. Lobo war groß und athletisch gebaut. Sein Gesicht war von Falten zerfurcht. Er hatte sich seit Tagen nicht rasiert, und ein dichter Stoppelbart verdeckte zum Teil eine Messernarbe auf der rechten Wange. Seine Augen waren schmal und von zahlreichen Fältchen umgeben, vom vielen Blinzeln in Sonne und Wind. Unter dem hochkronigen, breitrandigen Hut quoll volles, blauschwarzes Haar hervor. Seine Haut trug einen leichten Bronzeton. Lobo war ein Halbblut, genau wie die beiden toten Kinder, die hinter ihm auf dem Hof lagen. Auch seine Mutter war eine Apachensquaw gewesen, wie die tote Frau neben dem Corral. Lobo wandte sich um und ging zum Haus zurück. Es war ärmlich eingerichtet. Ein paar selbstgezimmerte Möbel, Betten mit löchrigen Matratzen, aus denen die Strohfüllung quoll, Geschirr aus Ton und Blech, ein steinerner Ofen, der nach oben hin offen war. Auf der Öffnung ruhte eine rußige Eisenplatte, die als Kochplatte gedient hatte. Die Hütte neben dem Haus war ein Geräteschuppen. Lobo fand eine rostige Schaufel und begann, hinter dem Haus ein Grab auszuheben. Am wolkenlosen, heißen Himmel kreisten bereits Krähen. Ihr scharfes Krächzen hallte zu ihm herunter. Lobo hätte die Leichen normalerweise den Vögeln überlassen. Aber er wollte in diesem stillen, abgelegenen Tal eine Weile rasten und hatte keine Lust, den Leichengestank und das Geschrei der Aasvögel länger als nötig zu ertragen. Während er grub, sah er immer wieder die Gesichter der...