Krug / Schadenberg Verführungen
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-944576-03-9
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erotische Erzählungen
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-944576-03-9
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Herausragende Autorinnen aus Deutschland, Kanada und den USA sind der Versuchung gefolgt und haben ihre erotische Phantasie spielen lassen. Ergebnis: 18 Erzählungen, die um das Verlangen der Frau nach der Frau kreisen - Geschichten über die facettenreiche Kunst, Frauen zu verführen. Genußvolle Lektüre zum Lesen und Vorlesen. Erzählungen über lesbisches Begehren und die Kunst, Frauen zu verführen.
Die Autorinnen:
Ahima Beerlage
Carolina Brauckmann
Diane Carley
Chrystos
Vera Du
Leslie Feinberg
Karen-Susan Fessel
Barbara Krantz
Manuela Kuck
Jenifer Levin
Minnie Bruce Pratt
Viola Roggenkamp
Stephanie Rosenbaum
Kitty Tsui
Chea Villanueva
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Inhalt
Viola Roggenkamp: Seidenprobe
Stephanie Rosenbaum: Wo du sein willst
Karen-Susan Fessel: Die Zicken und ich
Ahima Beerlage: Erwachen
Kitty Tsui: Regen
Minnie Bruce Pratt: Faust
Minnie Bruce Pratt: Quallen
Minnie Bruce Pratt: Stiefel
Minnie Bruce Pratt: Lippenstift
Leslie Feinberg: Ein Tag in der Tränengasfabrik
Chrystos: Die größte Sadistin der Stadt
Barbara Krantz: Eva
Chea Villanueva: Morgen
Vera Du: Carlottas Schatz
Carolina Brauckmann: Lollo Rosso
Manuela Kuck: Maskenball
Diane Carley: Hitze
Jenifer Levin: La Bruja
Viola Roggenkamp Seidenprobe Als ich sie das erste Mal sah, hatte ich keine Ahnung, daß sie sich etwas vorgenommen hatte. Daß sie sich etwas mit mir vorgenommen hatte. Was sie sich vorgenommen hatte, war: eine lesbische Frau. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Es traf mich. Sie wollte eine Frau kennenlernen, die Frauen liebt. Und diese Frau wollte sie für sich erobern. Ich sah sie und wollte sie, ohne zu wissen, daß sie sich bereits über mich erkundigt hatte. Ich sah ihren übermütigen Blick. Sie flirtete mit mir. Sie sah meine Lust und erkannte mein Begehren nach ihrer Weiblichkeit. Ich sah eine Frau, die mit Männern lebte. Diese attraktive Frau wegnehmen. Den Männern wegnehmen. Wir saßen alle drei am Küchentisch. Wir waren zu dritt, und es war Konrads Küchentisch. Es war seine Küche in seiner Wohnung. Und es war sein Geburtstag. Er war vierundvierzig Jahre alt geworden. Genauso alt wie sie. Wir kannten ihn beide und hatten einander nie kennengelernt. Ihre Lippen waren rot geschminkt. Ich hörte ihr gar nicht zu. Sie sprach, um ihre Stimme in unterschiedlichsten Schattierungen vorzuführen. Bestimmt für mein Ohr. Sie sprach über die amerikanische Frauenbewegung und über die militanten Lesben, die ihr unbehaglich gewesen waren. Ich trug an diesem Abend ein Oberhemd meines Vaters, so weit aufgeknöpft, daß meine Brüste zu sehen waren. Darüber ein schwarzes Bolero zu blauen Jeans. Ich sah nicht militant aus. Sie trug schwarze Strümpfe und schwarze Pumps und darüber nur einen langen, weiten weißen Pullover, unter dem sie ihren vollen Busen verbarg. Sie schützte ihre Weiblichkeit. Sie sah militanter aus. Später behauptete sie, es seien Leggings gewesen, und nie wäre sie bloß in Strumpfhosen gekommen. Was immer es war, es waren ihre kräftigen Waden. Sie war nicht dünn. Sie war beinahe schlank. Aber eher nicht. Sie hatte einen kleinen Bauch und Hüften und einen runden Hintern, den sie beim Gehen wiegen konnte. Das konnte sie aber auch lassen. Ganz wie sie wollte. Überschritt ich ihre Grenze und kam ich ihr zu nahe, so daß sie nicht mehr auszuholen vermochte, um mich abzuwehren, konnte sie sich aufblasen wie ein kleiner Kugelfisch, dabei innerlich dünn und gespannt wie ein Seil. An diesem ersten Abend hätten wir sofort im Bett landen können. Oder auf dem Teppich. Oder auf Konrads Küchentisch. Mir fiel auf, daß es nicht etwa meine Lust allein war, die hier eine kluge Frau gierig auf ihren Körper reduzierte. Sie wollte so begehrt werden. Von mir. Um meiner sicher sein zu können. Der anderen Frau. Auch vor diesem Mann? Oder machte sie mich ganz einfach an wie einen Mann? Ich hätte das genießen können, wäre der Mann nicht Zeuge gewesen. Sie aß, während sie sprach. Käse und Brot. Konrad hatte alles vor ihr aufgebaut und sich dann vor sie hingesetzt. Die Tischplatte dazwischen. Ich sah zu, wie sie die Schale vom Camembert abschnitt und sich das weiche, cremigweiße Innere in ihren Mund stopfte. Sie tat es mit Vorsicht. Um den Lippenstift nicht zu verschmieren. Sie öffnete ihre Lippen zu einem O und stülpte sie dann leicht gekräuselt über den Bissen. Küssen und verschlingen. Ich sah ihr zu. Konrad auch. Dann sah ich auf Konrad, wie er halb über dem Tisch liegend von ihrem Teller die Käserinden sammelte und sie Stück für Stück verzehrte. Warum ißt du denn nicht richtig? fragte ich ihn, denn dieser Anblick machte mich wütend auf sie, und genau dieses Gefühl wollte ich jetzt nicht haben. Oh, ich esse gern die Rinden, sagte er und lag mit seinem Gesicht auf ihrem Teller. Das wurde ihr unangenehm vor mir. Im selben Moment begann ich mich vor ihm zu ekeln. Ich fuhr sie nach Hause. Sie war mit Vorbedacht ohne Auto gekommen. Die lustvolle Spannung zwischen uns war Genuß. Sprechen konnten wir nicht. Meine Hände lagen auf dem Steuerrad. Ohne sie zu berühren, griff ich über ihren Schoß hinweg nach dem Türgriff und öffnete den Wagen für sie von innen. Wir standen vor ihrem Haus. Sie hatte erwartet, ich wollte, daß sie sich von mir küssen ließe. Du kannst mich ja vielleicht mal anrufen, sagte ich lächelnd zu ihr. Meine Lippen waren feucht vor Erregung. Sie war sprachlos. Dann legte sie mir einen Kuß wie eine leise Berührung auf die Wange. Und ich war sehr zufrieden mit mir. Zu Hause erst fühlte ich unruhevoll, daß wir uns voneinander hätten trennen können, wenn wir miteinander geschlafen hätten. Drei Wochen später stand ich in ihrem Büro, neben ihrem Schreibtisch. Unangemeldet. Ihrer Sekretärin hatte ich rasch zugewunken, als sei ich eine alte Bekannte. Ich setzte mich. Das Blut stieg ihr in den Kopf. Mir raste das Herz, und ich hörte mich erstaunlich ruhig sagen: Wann? Und wo? Bei dir oder bei mir? Du wolltest doch mit einer Frau schlafen. Ich bin einverstanden. Wir fanden kein Ende. Pausen mußten sein. Um zu essen. Um Geld zu verdienen. Ihr Auto mußte zum TÜV. Ich mußte meine Mutter besuchen. Dann fanden wir die Lust draußen. Wir wollten uns sehen, auf der Straße, im Lokal. Die andere sehen, im Gespräch mit anderen. Ein bißchen Distanz, um sie wiederzufinden, um sie zu erkennen. Sie wollte mehr. Sie wollte auf weißem Büttenpapier aller Welt kundtun, daß sie sich glücklich fühlte. Statt dessen bekam sie Magenschmerzen. Sie mußte zum Arzt gehen. Warum gehst du nicht zu einer Ärztin? Sei nicht so sexistisch, lachte sie. Ich will nicht, daß du dich vor einem Mann ausziehst, sagte ich. Der Arzt sagte, Überreizung der Schleimhäute. Sie hatte Angst, daß es herauskäme, was sie auf weißem Büttenpapier ihrem geschiedenen Mann, ihrem Chef, ihren Kollegen, ihren ehemaligen Liebhabern bekanntgeben wollte. Du siehst doch gar nicht lesbisch aus, versuchte ich sie zu beruhigen. Aber man sieht mir an, wie verliebt ich in dich bin, lachte sie und weinte. Ihrer besten Freundin vertraute sie sich als erster an. Und? fragte ich. Was hat sie gesagt? Sie setzte sich neben mich auf meine Couch. Sie legte ihren Kopf in meinen Schoß und begann zu weinen: Sie hat mich gefragt, ob ich nicht einfach etwas überspannt sei. Ob ich nicht bloß frustriert sei von den Männern. Ob ich mir da nicht doch etwas vormache. Das könne doch gar nicht gehen. Ob ich denn jetzt etwa lesbisch sei. Sie ist von mir abgerückt. Ich dachte, sie freut sich mit mir und vielleicht auch für sich als eine Möglichkeit am Horizont. Sie war mir böse und faßte mich nicht mehr an. Ich schwieg und versuchte mich zu schützen vor Vergiftung. Nein. Unbesorgt. Du bist jetzt nicht etwa lesbisch. Ich sprach es nicht aus. Es hätte mich zerrissen und sie womöglich beruhigt. Deine beste Freundin ist eifersüchtig, sagte ich statt dessen. Denn das, was zwischen uns ist, hättest du ja auch mit ihr haben können. Nein, sagte sie gedehnt und in aller Gelassenheit mit Entrüstung: Franziska doch nicht. Und warum du? schrie ich. Und was bin ich denn? Etwa keine Frau? Wir hatten unseren ersten Krach. Wir trugen ihn nie aus. Sie fand eine Frau, die ihrer neuen Liebe den Segen geben konnte. Bitte, laß es uns machen. Tu mir den Gefallen. Ich möchte es so gern. Ich willigte ein. Es war eine Wahrsagerin. Mama Josefa. Sie saß im Foyer eines Theaters. Ihre große schwarze Handtasche auf dem breiten Schoß. Wir setzten uns an ihren kleinen Holztisch. Einander gegenüber. Mama Josefa saß zwischen uns, sah uns an und hatte alles im Griff. Das schwarze Haar trug sie zu einem dicken Knoten gebunden. Ihr schwerer Busen ruhte auf ihrem Bauch und der wiederum auf ihren ruhenden Oberschenkeln. Dazwischen der Mittelpunkt der Welt. Sie öffnete ihre Tasche und sah dabei auf mich: Kugel oder Karten? Karten, sagte ich, und sie nickte zufrieden. Es waren sehr schöne alte Tarotkarten. Vielfach befingert, abgegriffen, doch unvermindert stark in den Farben. Ich mußte sie mehrmals berühren. Dann blätterte sie auf. Das Wissen lag vor ihr. Wir konnten nichts erkennen. Sie schwieg und sah lange auf die Komposition der bildhaften Symbole vor sich. Mein Lebensentwurf, in dem sie wie in einer Partitur zu lesen schien. Stumm. Endlich sah sie auf und in die Augen meiner Liebsten. Dann wandte sie sich mir zu und sagte langsam: „Meine Dame, Sie sind ein Kater.“ Daß ich sie betrügen könnte, war ihre größte Sorge. Natürlich nur mit einer anderen Frau. Und wenn es ein Mann wäre? Sie hob die Schultern und die Augenbrauen. Ein Mann? wiederholte sie. Ihr Ton kränkte mich. Viel Spaß. Ein Mann ist keine Bedrohung für mich. Warum nicht? fragte ich wütend. Da kenne ich mich aus, antwortete sie. Es stimmte. Sie hatte nun zwei Möglichkeiten. Ich nur eine. Ich möchte auch, sagte sie. Ich hatte gar nichts dagegen. Ich hatte schon darauf gewartet. Ihr Kopf verschwand zwischen meinen Beinen. Nichts geschah. Ich zog etwas an ihren Locken. Was machst du da? Sie tauchte wieder auf, mit gerötetem Gesicht, als sei sie bei etwas Schlimmem erwischt worden. Ich habe noch nie eine Klitoris gesehen, sagte sie. Ich atmete schwer. In mir stiegen mütterliche Gefühle auf. Sie hockte vor mir. Ihr Mund schämte sich. Ihre Augen wollten mehr. Beim nächsten Mal hatte ich einen kleinen Spiegel bei mir. Einen wunderschönen zierlichen Taschenspiegel. Ich hatte ihn für sie in einer teuren Parfümerie gekauft. Sie saß im Bett. Nackt. Ein kleines Mädchen mit einem großen Busen. Sie spreizte ihre Beine, und ich küßte sie, um sie hervorzulocken. Dann hielt ich ihr den Spiegel hin, den sie nicht selbst halten wollte. Sie sah sich. Und ich sah sie. Während sie ihren Anblick in sich aufnahm, sagte sie wie aufgezogen mit starrer Stimme: Aber du nutzt...