Buch, Deutsch, 252 Seiten, PB, Format (B × H): 145 mm x 205 mm, Gewicht: 350 g
Geschlecht und Geschichte der Selbstdisziplin
Buch, Deutsch, 252 Seiten, PB, Format (B × H): 145 mm x 205 mm, Gewicht: 350 g
ISBN: 978-3-89528-492-2
Verlag: Aisthesis
Askese ruft heute zwiespältige Reaktionen hervor: Einerseits wird sie als historisch überkommene und potentiell heuchlerische Zwangsübung verurteilt, andererseits als angemessene Antwort auf aktuelle Probleme wie Reizüberflutung und Konsumterror gefeiert. Umgangssprachlich versteht man Askese als einen selbst gewählten Verzicht auf körperliche oder psychosoziale Grundbedürfnisse, der auf Höheres zielt. Typische Ausprägungen sind beispielsweise religiös motiviertes Zölibat, säkulare Formen der Enthaltsamkeit zur Produktivitäts- und Leistungssteigerung von Sportlern, Künstlern und Managern, aber auch medizinische Krankheitsbilder wie die Anorexia nervosa. Der Band zeigt aus interdisziplinärer Perspektive, wie vielfältig, historisch wandelbar und bis heute allgegenwärtig verschiedene Praktiken selbst gewählter Enthaltsamkeit sind. Die einzelnen Beiträge gehen davon aus, dass asketische Praktiken der geschlechtsspezifischen Konstitution von Subjekten dienen und dass sie als prozessual zu begreifen sind: Wo auf körperliche und seelische Grundbedürfnisse verzichtet wird, um höhere (transzendente oder innerweltliche) Ziele zu erreichen, lässt sich ein ambivalentes Wechselspiel zwischen Selbstaufgabe und Selbstermächtigung beobachten, also eine Dynamik von Mangel und Fülle, Enthaltsamkeit und Exzess. In diesem Sinne stellen Askese und Ekstase keine Gegensätze dar, sondern folgen einer ähnlichen Logik.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Irmela Marei Krüger-Fürhoff/Tanja Nusser: Leere und Fülle. Kulturwissenschaftliche Überlegungen zu Dynamiken der Askese
Das Geschlecht der Askese
Ruth Albrecht: Zum Ideal der Überwindung der Geschlechterdifferenz in der spätantiken christlichen Askese
Waltraud Pulz: Askese, Charisma oder Krankheit? Bedeutungen und Funktionen frühneuzeitlicher ‚Fastenwunder‘
Inge Stephan: Das Konzept der ‚Schönen Seele‘. Zur geschlechtlichen Codierung einer philosophisch-religiösen Figuration im Gender-Diskurs um 1800 – am Beispiel der Bekenntnisse einer schönen Seele von Goethe (1795/96) und Unger (1806)
Claudia Breger: Orientalistische Landschaften – imperiale Praktiken des Selbst. Askese und Verausgabung in der europäischen Literatur um 1900
Ästhetik der Askese
Barbara Thums: Asketische Körper und narrative Digressionen. Zu einer Diskursformation im 18. Jahrhundert
Christine Schmider: Visionen der Askese. Orgiastisches Schreiben bei Gustave Flaubert
Gabriele Brandstetter: Der Körper als Ornament. Zwischen Exerzitium und Exercise: die Ästhetisierung der Askese
Wolfgang Kabatek: Projektionen der Askese im Kino der Weimarer Republik
Geschichte(n) der Askese
Jörg Dünne: Schrift, Imagination und Geschlecht in der frühchristlichen Askese. Zur Vita Antonii und zu den Jungfrauenbriefen des Athanasius
Tanja Nusser: Serapions Wüsten. Anmerkungen zu einem Heiligen bei E.T.A. Hoffmann
Elisabeth Strowick: Moderne Selbstdisziplinierung: Hermeneutik des Verdachts (Foucault, Nietzsche, Thomas Mann)
Irmela Marei Krüger-Fürhoff: Askese und Autorschaft. Zur Performanz des Schreibens in Fleur Jaeggys Novelle Die seligen Jahre der Züchtigung
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