E-Book, Deutsch, Band 2613, 130 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
E-Book, Deutsch, Band 2613, 130 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
ISBN: 978-3-406-78589-4
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sachsen war im Alten Reich einer der führenden und kulturell reichsten deutschen Einzelstaaten. Anschaulich, informativ und erzählerisch stark verdichtet führt Frank-Lothar Kroll in diesem Buch in die beeindruckende Geschichte des Landes ein. Dabei spannt er den Bogen von der ersten Besiedlung bis zum heutigen Bundesland und beleuchtet die mittelalterlichen Anfänge des sächsischen Staates ebenso wie seine Blütezeit im 17. und 18. Jahrhundert, die Eingliederung ins deutsche Kaiserreich, das Ende der Monarchie sowie die Jahre des Dritten Reiches und der DDR. Eingängig werden dabei politische, wirtschaftliche, kulturelle und dynastische Entwicklungen miteinander verwoben.
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I. Ursprünge
1. Vor- und Frühgeschichte
Steinzeit. Erste Hinweise auf die Anwesenheit von Menschen im Raum zwischen Saale, Elbe und Lausitzer Neiße, der die Kernregion des späteren Landes Sachsen bilden sollte, finden sich in der Altsteinzeit (ca. 500.000 bis 10.000 v. Chr.). Ausgrabungen in der Nähe von Markkleeberg bei Leipzig förderten Feuersteine, Beile und messerartige Werkzeuge ans Licht und verweisen auf die Existenz unstet umherschweifender Horden und Sippen, die ihr kärgliches Dasein als Jäger und Sammler fristeten. Aus der Mittelsteinzeit (ca. 10.000 bis 5000 v. Chr.) zeugen Bodenfunde am nördlichen Rand des Erzgebirges von einer wohl durch verbesserte Klimaverhältnisse bedingten ausgedehnteren menschlichen Regsamkeit. Doch erst in der Jungsteinzeit (ca. 5000 bis 1800 v. Chr.) vollzog sich jener für fast alle späteren Kulturlandschaften West- und Mitteleuropas charakteristische Übergang von der nomadenhaften Wanderexistenz zur dauernden Sesshaftigkeit. Kennzeichen dieser neuen, höheren Lebensweise waren ein zunehmend differenzierterer Ackerbau sowie, damit eng verknüpft, bäuerliche Viehzucht und Haustierhaltung. Derart veränderten Formen der Wirtschaftsführung entsprach ein gesteigertes künstlerisches Können, das seinen Ausdruck in ornamental gemusterten und verzierten Tongefäßen fand. Archäologische Fundstücke dieser als Band- und Schnurkeramik bekannten Produktion sind im Raum von Dresden, Meißen, Döbeln und Oschatz, später auch in der Oberlausitz nachgewiesen. Bronze- und Eisenzeit. Kennzeichnend für die Entwicklung des Elbe-Saale-Raumes während der Bronzezeit (ca. 1800 bis 750 v. Chr.) war eine nun schon zunehmende soziale Schichtung und Untergliederung der bäuerlichen Siedlergruppen, die sich im Reichtum entsprechend ausgestatteter Begräbnisorte zeigt. Das «Fürstengrab» in Leubingen bei Erfurt versammelte Schmuck, Waffen, Gefäße und goldenes Gerät als Beigaben in beachtlicher Zahl und verweist damit auf das qualitativ hohe handwerkliche Niveau der mittlerweile geläufigen Eisen-, Kupfer- und Zinnverarbeitung. Eigene Akzente setzte die von etwa 1300 bis etwa 500 v. Chr. in weiten Teilen des späteren sächsischen Raumes, doch auch im östlichen Mitteleuropa, im heutigen Polen, in Tschechien und der Slowakei verbreitete «Lausitzer Kultur» mit ihren charakteristischen «Burgwällen», die vielerorts als Bodenmerkmale erhalten geblieben sind. Stark befestigt durch Schanzen, Gräben und Palisaden, boten diese Wehrsiedlungen ihren Bewohnern Schutz gegenüber natürlichen Gefahren, doch auch Zuflucht vor den Begehrlichkeiten konkurrierender Stammesverbände. Darüber hinaus waren die Burgwallanlagen ausgewiesene Mittelpunkte kultischen Geschehens. In den Orten Burk und Niederkaina, die heute zum Stadtgebiet von Bautzen zählen, sind umfassende Gräberfelder mit mehr als 20.000 archäologischen Fundstücken freigelegt worden – zentrale Totenareale, die über mehrere Jahrhunderte hinweg kontinuierlich als Friedhofsanlagen genutzt wurden und sowohl Körper- als auch Feuerbestattungsrituale (Urnengräber) kannten. Auch in der Eisenzeit (ca. 750 bis 50 v. Chr.) fehlen für den sächsischen Raum weiterhin schriftliche Quellen, die Auskunft über regionale Bevölkerungsverschiebungen und Wanderbewegungen geben könnten. Zeugnisse keltischen Kultureinflusses sind an der Mittelelbe fundmäßig ebenso schwach belegt wie die Spuren römischer Zivilisation. Zwar waren römische Legionen im Jahr 10 v. Chr. bis zur Elbe vorgedrungen, doch die Saalegrenze haben sie niemals überschritten. Kein Teilstück des heutigen Bundeslandes Sachsen ist nachweislich in den Herrschaftsbereich der Römer einbezogen gewesen. So finden sich entsprechende Einwirkungen hier lediglich als unbestimmte «Fernstrahlungen» (Kötzschke/Kretzschmar, 1995, S. 33), etwa in Form provinzialrömisch inspirierter Grabbeigaben. Solche Fundstücke dokumentieren zumindest die Existenz wirtschaftlicher Kontakte und Handelsbeziehungen zwischen den von Rom gehaltenen germanischen Territorien und den Gebieten an der Mittelelbe, die keiner nachhaltigen Romanisierung unterlagen. 2. Germanenzeit
Die Hermunduren. Am Oberlauf der Elbe beiderseits des Flusses war seit Anfang des ersten nachchristlichen Jahrhunderts der zu den Elbgermanen rechnende Stammesverband der Hermunduren von Norden und Nordwesten her eingewandert und rasch sesshaft geworden. Der römische Historiker Tacitus erwähnt diesen Stamm in seinem Geschichtswerk Germania in Verbindung mit den Markomannen und Sueben und bezeichnet ihn als eine den Römern treu ergebene Formation, der man infolge ihrer Loyalität exklusive Handelsrechte und zahlreiche sonstige Privilegien einräumen könne. An dieser Einschätzung sind indes ernste Zweifel angebracht. Denn im letzten Drittel des 2. Jahrhunderts wurden die Hermunduren von anderen römischen Schriftquellen ausdrücklich als Teilnehmer des Markomannenaufstandes gegen Kaiser Marc Aurel namhaft gemacht. Danach verschwinden sie, ähnlich wie andere germanische Stämme, aus der geschichtlichen Überlieferung. Man kann davon ausgehen, dass sie bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts, günstigere Witterungsbedingungen und bessere Lebensverhältnisse erhoffend, nach Südwesten abwanderten, wo sie auf das Siedlungsgebiet der Thüringer trafen und sich allmählich mit deren Stammesverband vermischt haben dürften. Für diese Annahme spricht die Verbreitung archäologischer Fundstücke hermundurischer Provenienz auch im Thüringer Raum – Waffen, Fibeln, Urnengefäße und Keramikteile weisen die für die Hermunduren typischen Verzierungen auf. Im Thüringer Reich. Infolge faktisch nicht vorhandener regionaler schriftlicher Quellenüberlieferungen sind gültige Aussagen über das weitere Schicksal der Hermunduren und die von ihnen verlassenen mittelelbischen Gebiete im 5. und 6. Jahrhundert schwierig. Der westgermanische Stamm der Thüringer etablierte sich um 500 zwischen Elbe, Saale, Main und Donau durch Begründung eines rasch expandierenden Herrschaftsgebildes, das zu Beginn des 6. Jahrhunderts zum größten germanischen Stammesgebiet jenseits der ehemaligen römischen Grenzen avancierte. Neben dem Ostgotischen und dem Fränkischen Reich bildete es einen zentralen Machtfaktor im regionalen Gefüge des durch die Verwerfungen der Völkerwanderung in Bewegung geratenen Rhein-Donau-Raumes. Im Jahr 531 indes setzte eine militärische Invasion der Franken nach der Entscheidungsschlacht an der Unstrut dem Fortbestehen des Thüringer Reiches ein gewaltsames und abruptes Ende. Die Thüringer wurden, nach Zerschlagung ihrer herrschaftlichen Binnenstrukturen, den fränkischen Merowinger-Königen zunächst tributpflichtig gemacht und dann von diesen schrittweise politisch-militärischer Kontrolle unterworfen. Als Ostgrenze des Fränkischen Reiches firmierte hinfort für mehrere Jahrhunderte lang die Saale. 3. Landnahme und Stammesbildung der Sorben
Wanderzüge und Siedlungsbewegungen. Etwa zur gleichen Zeit, während der letzten Jahrzehnte des 6. Jahrhunderts, kam im Gebiet östlich der Saale und Elbe ein Entwicklungsprozess zum Abschluss, der für die Bevölkerungszusammensetzung des späteren sächsischen Raumes nachhaltige Bedeutung erlangen sollte. Nach Abwanderung der germanischen Hermunduren aus der Region waren von Böhmen, Mähren und den Odergebieten her westslawische Stämme ins Elbtal und in die Lausitz gelangt und hatten dieses mittlerweile weitgehend menschenleere Territorium durch friedliche Landnahme als Neusiedler für sich in Besitz genommen. In der 659 verfassten Fredegar-Chronik, einer der wenigen damaligen Quellen zur Geschichte des Fränkischen Reiches, ist die Existenz dieser Stämme erstmals für das Jahr 631 unter dem Namen surbi (Sorben) belegt. Spätere Geschichtsschreibung der fränkischen Ära – so die aus der Mitte des 9. Jahrhunderts stammende «Völkertafel» des Geographus Bavarus – nennt neben und nach den Sorben noch die Daleminzer, die Milzener und die Lusitzer als weitere, zwischen Saale und Elbe siedelnde westslawische Stammesverbände. Und in der wohl wichtigsten erzählenden (ost-)fränkischen Geschichtsquelle des späteren 9. Jahrhunderts, den Annales Fuldenses, wird mehrfach von gewaltsam ausgetragenen Konflikten zwischen Franken und sorbischen Stämmen berichtet, durch welche letztere nur mit Mühe von einem Überschreiten der Saale nach Westen abgehalten werden konnten. Der zeitweise heftig umkämpfte Fluss blieb bis zur militärischen Eroberung und Unterwerfung des Gebietes durch Franken ...