E-Book, Deutsch, Band 553, 344 Seiten
Reihe: KBV-Krimi
Krimi-Cops Schnellschuss
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-95441-750-6
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalstorys
E-Book, Deutsch, Band 553, 344 Seiten
Reihe: KBV-Krimi
ISBN: 978-3-95441-750-6
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Krimi-Cops sind: Ingo »Inge« Hoffmann, Jahrgang 1978, aus Neuss, Carsten »Rösbert« Rösler, Jahrgang 1977, aus Düsseldorf, Martin Niedergesähs, Jahrgang 1977, aus Herongen an der niederländischen Grenze und Klaus »Stickel« Stickelbroeck, Jahrgang 1963, aus Kerken am Niederrhein. In ihren Büchern verarbeiten sie nach Feierabend mal komische, mal härtere Einsätze der zurückliegenden Schicht.
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STRULLER UND LINUS
Struller kletterte zufrieden die drei Marmorstufen zur Wache der Polizeiinspektion Ost auf der Wilhelm-Raabe-Straße hoch. In einem der dortigen Schreibräume würden die Kollegen Kotten und Altschloss bereits warten, die für ihn den Hauptverdächtigen eines gemeinen Tötungsdeliktes zur nahe gelegenen Polizeiwache transportiert hatten. Besagter Marcel Schneider war nicht die allerhellste Kerze auf der Torte, sondern doof wie ein Zehnkilosack Trockenbeton. In der anstehenden Vernehmung würde es für Struller lediglich gelten, ein paar Fetzen ureigenes Täterwissen aus dem Honk herauszukitzeln. Das sollte machbar sein und würde bedeuten, dass der blöde Schneider in den nächsten fünfzehn Jahren gesiebte Luft zu atmen bekam.
Sehr erbaulich.
Beschwingt glitt er durch eine Drehtür ins Foyer der Polizeistation. Im Vorraum der Polizeiwache schoben zwei uniformierte Kolleginnen eine hackendudeldichte Frau mit wilden blonden Haaren durch den Vorraum, die dauernd schrie:
»Fortuna! Fortuna!«
Ein Mann im Nebenraum rief: »Mir platzt der Arsch!«
Dann stand da noch ein Kollege in Uniform am Tresen. Struller überdachte kurz den Alkoholkonsum seiner letzten drei Wochen und schüttelte den Kopf. Nee, keine Halluzination, das war real. Der Kollege vorm Tresen streichelte ein pechschwarzes Kaninchen, das er auf dem Arm trug.
»Was soll das denn?«
»Das ist Linus.«
»Linus?«
»Süß, nicht?«, fragte der Kollege mit ganz viel Liebe in der Stimme.
Struller schnappte nach Luft.
Der Kollege beugte sich nach vorn, guckte hastig nach links und rechts und wisperte: »Meine Freundin macht gerade ihr Abi. Die kann sich im Moment nicht um Linus kümmern. Und wenn keiner auf ihn aufpasst, dann büxt der kleine Schlingel immer schwuppdiwupp aus und knabbert mir die Boxenkabel durch. Da hab ich den heute mit zum Dienst genommen und zeig dem Kleinen mal die Wache.«
»Bitte?«
»Was, Linus, spannend ist das hier, oder?«
Struller ging wortlos weiter. Das war alles nicht mehr seine Polizei. Da bringt der ein Kaninchen mit auf die Wache! Du machst aus Mett halt keine Marzipantorte.
Drei Zimmer weiter drückten Kotten und Altschloss Struller die Festnahmeanzeige vom aktuellen Verdächtigen in die Finger. Der glatzköpfige Schneider sah aus, als habe der liebe Gott beim Basteln einen ganz, ganz schlechten Tag gehabt.
»Wenn wir den nicht eingebuchtet kriegen, dann weiß ich es auch nicht«, erklärte Kotten und kratzte sich dabei mit einem Lineal am Rücken.
Schmirgel. Schmirgel.
Ein unangenehmes Geräusch.
Schneider saß in Handschellen auf einer Art Friseurstuhl und beobachtete Struller mit gelangweilter Miene. »Ich sage nichts. Muss ich auch nicht. Ich bin zwar noch nicht vorschriftsmäßig belehrt worden, aber ich kenne meine Rechte.«
»Ach?«
»Ich brauche nichts zu sagen. Und das tue ich auch nicht! Ohne Anwalt schon mal gar nicht.«
»Für nix war das aber ein strammer Vortrag.«
»Ich sage nur, ihr seid total auf dem Holzweg.«
»So geheimnisvoll mögen wir es am liebsten«, raunte Struller, krempelte die Hemdsärmel hoch, lockerte seine braune Häkelkrawatte und fing an, Schneider zu bearbeiten.
In der folgenden halben Stunde blieb das bereits Gesagte aber alles, was Schneider von sich gab. Nur einmal geriet Schneider ins Stocken, nämlich als der Kollege vom Tresen auf allen vieren in ihren Schreibraum gekrochen kam.
»Linus? Linus?«
Struller runzelte fragend seine Stirn.
Der Kollege blickte hoch und erklärte. »Linus ist weg. Ausgebüxt!«
Struller spürte Blutdruck. »Ich bin mitten in einer Vernehmung!«
»Oh. Sorry.«
Der Uniformierte trat den Rückzug an. Kriechend.
Schneider lachte.
»Das Lachen wird dir noch vergehen, du Luftpumpe!«
Aber auch nach zwei weiteren verschwitzten Stunden blieb Schneider bei ein paar miesen Witzen, wichtigtuerischen Andeutungen und dem ewig wiederholten Spruch, dass er seine Rechte kenne. Struller zog Kotten und Altschloss wieder hinzu und bat diese, Schneider ins Zentrale Polizeigewahrsam am Fürstenwall zu bringen. Eine Bitte, der beide sehr gerne nachkamen.
Der spartanisch-übersichtliche Charme einer Gewahrsamszelle würde dem haarlosen Verdächtigen guttun und ihm die Zunge lockern, Struller war da zuversichtlich. Er hämmerte noch einen kurzen Vermerk in die Tastatur, packte sich den viel zu unbequemen Bürostuhl und brachte ihn zurück ins Nebenzimmer.
»Huch!«
Unterm Stuhl quiekte es. Ganz hell. Und ganz kurz. Struller hatte Linus gefunden.
»Ach herrje!«
Er tippte das kleine, schwarze Knäuel mit der Fußspitze an. Aber das Tierchen hatte ausgequiekt. Genickbruch. Mann, Mann, Mann. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Struller wischte sich den Schweiß von der Stirn und blickte sich um. Im Regal vor sich entdeckte er einen braunen Briefumschlag.
»DIN-A3 … Müsste gehen.«
Mit spitzen Fingern pfiückte er das schwarze Kaninchen vom Boden und schob es in den Briefumschlag. Den Verschluss leckte er an und drückte ihn zu. Mit dem Umschlag unterm Arm ging er zurück in den Vorraum.
Ein Kollege tröstete gerade das Herrchen von Linus. »Carsten, der taucht schon wieder auf. Wo soll der denn hin? Und raus ist er nicht. Der kommt ja nicht durch die Drehtür.«
»Au, Mann. Corinna macht mich fertig, wenn ich ohne Linus nach Hause komme.«
Struller huschte durch die besagte Drehtür nach draußen und sprang in seinen Wagen.
Richtig, er hatte Wichtigeres zu tun, als sich um das tote Kaninchen und irgendwelche Befindlichkeiten zu kümmern. Er fuhr los und schielte an der nächsten roten Ampel nach rechts auf den Beifahrersitz, auf dem der ausgebeulte Briefumschlag lag.
Anderseits hatte er selbst vor vielen Jahren mal ein Meerschweinchen gehabt. Schwarz, braun und weiß.
Honka. Honka hatte er es getauft.
Ein ganz liebes Tierchen. Ein treuer, braver Gefährte.
Er hatte gleich so ein ungutes Gefühl gehabt, damals, an dem Tag, an dem dieser Skinhead mit seinem widerlichen Rottweiler in die Nachbarwohnung eingezogen war. Und dann dieser Nachmittag, Ende August, im gemeinsamen Garten.
Armer Honka!
Seit dieser Stunde, also schon im zarten Alter von vielleicht sechs oder sieben Jahren, hatte Struller Neonazis nicht ausstehen können. Mit den Jahren und ein bisschen Staatsbürgerkunde hatte sich das natürlich gefestigt. Aber den Grundstein hatten Honka und ein räudiger Rottweiler gelegt. Das hatte ihn damals mitgenommen! Und hatte der Kollege nicht gesagt, dass seine Corinna mitten im Abi-Stress ist?
»Mist!«
Er fuhr rechts ab und gab Gas. Oberrather Straße, rechts ab, die Kanzlerstraße ganz nach hinten durch.
»Hier ist doch … Aha.«
Er schnappte sich den Briefumschlag, warf die Tür hinter sich zu und betrat eiligen Schrittes das Düsseldorfer Tierheim. Der Dame hinterm Tresen zeigte er den Dienstausweis und erklärte sein Problem.
»Natürlich haben wir Kaninchen«, sagte die vollbusige Dame mit osteuropäischem Akzent. »Aber ich fürchte, ja, sehen Sie hier im Stall, das sind unsere Lieben.«
»Aha.«
»Aber da ist leider kein schwarzes dabei.«
»Och.«
»Und Männchen haben wir zurzeit überhaupt keine.«
Struller beugte sich über den kleinen Maschendrahtzaun. »Ich nehme das weiße da.«
»Sind Sie sicher?«
Struller strich sich durchs Haar und deutete auf ein kleines Tier, das müde in einer Stallecke hockte. »Todsicher.«
»Todsicher?«
»Wird es gut haben, das Tier! Wie teuer? Okay. Aber nicht einpacken! Kleiner Scherz.«
Die Dame lachte nicht.
Struller zahlte. »Ähm, aber den kann ich hierlassen, oder?«
Schnell drückte er der Dame den ausgebeulten, braunen Briefumschlag in die Hand und verließ fiuchtartig das Tierheim. Das weiße Tier setzte er behutsam neben sich im Fußraum des Beifahrersitzes ab.
»Vorsicht jetzt beim Gasgeben und beim Bremsen, Pit.«
Ein weiteres Kaninchen würde er im Tierheim nicht mehr bekommen. Aber er brauchte nicht weit zu fahren, parkte, hob das Tier aus dem Fußraum, klemmte es unter den Arm und warf die Fahrzeugtür hinter sich in den Rahmen.
»Struller, alter Verbrecherjäger! Was willst du denn hier? Ich habe dir doch erst letzte Woche die Matte gekürzt?«, fragte Strullers sonnenbankgebräunter Stammfriseur.
»Haare färben.«
»Ach?«
Struller hielt ihm das weiße Kaninchen entgegen. »Schwarz!«
* * *
Eine halbe Stunde später war Struller wieder vor der Polizeiwache. Die beiden Kolleginnen und die volltrunkene Blondine, die vorhin noch alles zusammengebrüllt hatte, durchsuchten gemeinsam das Gesträuch direkt vor dem Polizeigebäude.
»Linus?«
»Wo bist du?«
»Liiiiiiinus?«
Offensichtlich gingen die Kollegen nunmehr doch davon aus, dass der kleine Kabel durchbeißende Linus die Drehtür betätigen konnte.
»Linus?«
»Liiiiiiinus?«
Struller schnappte sich die ausgebeulte Sporttasche vom Beifahrersitz, die sein Friseur ihm geliehen hatte, und stieg aus. Schnell und möglichst unauffällig huschte Struller am Suchtrupp vorbei nach drinnen in die Station. Im Schreibraum...




