Krieger | Richarda von Gression 3: Die Pilgerin | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 3, 300 Seiten

Reihe: Richarda von Gression

Krieger Richarda von Gression 3: Die Pilgerin


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-945025-31-4
Verlag: Ammianus
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, Band 3, 300 Seiten

Reihe: Richarda von Gression

ISBN: 978-3-945025-31-4
Verlag: Ammianus
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Sieben Jahre bestand das Reich der Richarda von Gression. Nach der Schlacht am Omerstrom anno 1007 fanden die frommen Träume der Königin ein jähes Ende. Die Eremiten wurden in alle Winde zerstreut. Richarda, nunmehr eine Verbannte, macht sich auf eine abenteuerliche Reise, die sie bis nach Rom führt. Ihr Schicksal wird beeinflusst von erstaunlichen Menschen, die ihr begegnen. Als die Gressioniter schließlich in ihre Heimat zurückkehren, hat die Welt einen erheblichen Wandel erfahren. Um das Vergangene ranken sich bald Legenden! Günter Kriegers Trilogie um Richarda von Gression und eine versunkene Stadt findet mit dem vorliegenden Band ihren Abschluss.

Günter Krieger, Jahrgang 1965, lebt in Langerwehe und schreibt seit Jahren erfolgreich historische Romane mit regionalem Flair. Die meisten seiner Werke spielen im Raum Aachen-Jülich-Köln und in der Eifel. Allein seine Merode-Trilogie, durch die er erstmals bekannt wurde, erlebte seit 1999 zahlreiche Auflagen und Neuausgaben. Krieger ist Mitglied im Autorenkreis Historischer Roman 'Quo vadis'.
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1.

Frühjahr 1007 A.D.

Über den Wäldern, die das niedergebrannte Gression umgrenzten, brach der Tag an. Als Richarda die Augen aufschlug - vielmehr das rechte Auge, denn das linke lag wie die gesamte Gesichtshälfte unter einem robusten Verband aus Leinentuch verborgen -, sah sie über sich eine Decke aus nacktem, feuchtem Felsgestein. Die Finsternis war gewichen, draußen sangen Vögel. Richarda wusste, dies war die Höhle der Judith, ihrer früheren Mentorin, die vor einigen Jahren spurlos verschwunden war. Einen Leichnam hatte man nie gefunden, aber Richarda zweifelte nicht daran, dass die alte Einsiedlerin tot war: In einem Traum war ihr dies offenbart worden.

Aber warum war sie jetzt hier?

Es fiel ihr schwer, sich zu besinnen, denn ein heftiger Schmerz tobte in ihrem Kopf. Dann aber kehrten die Erinnerungen allmählich zurück. Erinnerungen, die sie begreifen ließen, weshalb ihre erste Empfindung nach dem Erwachen Traurigkeit gewesen war.

Gression, ihr kleines Reich, war unwiederbringlich Vergangenheit. Der Gaugraf und seine Männer hatten das Dorf der Eremiten dem Erdboden gleichgemacht. Es hatte einen ungleichen Kampf gegeben, Richarda hatte es nicht zu verhindern gewusst. Am Ende waren vierzehn Gressioniter gefallen, Männer in ihren besten Jahren. Was für ein sinnloses Sterben! Könnte sie jemals damit aufhören, für das Seelenheil der Toten zu beten? Die Idee von einer wunderbaren Welt war gescheitert. Die Grundpfeiler des neuen Gression, Frieden und Frömmigkeit, waren eingestürzt, was sie, die Königin, nicht einmal mehr überrascht hatte. Denn der Untergang hatte sich schon lange vorher abgezeichnet. Die quälende Frage, ob sie wirklich alles getan hatte, um dem Verfall entgegenzuwirken, lag schwer auf Richardas Seele.

Dabei hatte sieben Jahre zuvor alles so verheißungsvoll begonnen: Nachdem der erwartete Weltuntergang zur Jahrtausendwende ausgeblieben war, hatten die Eremiten – nach anfänglicher Ernüchterung – einen frommen Eid geleistet und Richarda zu ihrer Königin gemacht. Die Erinnerung an diese Tage, als alles noch möglich schien, mutete ihr im Rückblick wie ein verklärender Rausch an. Gewiss, auch viele Ängste hatten sie damals erfüllt, doch im Gedächtnis war ihr vor allem das Gefühl geblieben, eine neue Zeit sei angebrochen, eine Zeit, in der das Böse aus der Welt gedrängt wurde und das Gute endlich triumphieren konnte.

»Unser Gression soll die Sünde nicht kennen!«

Die Losung, die sie ausgerufen hatte, hatte ihren tiefen Sinn. Denn das erste Gression, jenes aus den uralten Sagen, war wegen der Gott- und Zügellosigkeit seiner Bewohner durch ein himmlisches Strafgericht zerstört worden. Die Eremiten hatten es besser machen wollen als ihre heidnischen Vorfahren. Eine wunderbare Welt!

Doch alles war ganz anders gekommen. Auch das zweite, das neue Gression war untergegangen. Sieben Jahre nur hatte es Bestand gehabt, doch Richarda erschien diese Zeit wie ein ganzes Leben. Fern wie die Sonne waren die Tage ihrer Jugend, als sie noch gewusst hatte, was eigentlich Glück bedeutet. Menschen, die ihr einst nahe gewesen waren, die sie geliebt hatte, sie lebten nicht mehr, ruhten in der Erde Gressions, dem Ort ihres Scheiterns: Oda, die treue Gefährtin, die mit Leib und Seele ihre Dienerin gewesen war. Rothaid, die sie ein Leben lang für ihre Mutter gehalten hatte. Oder Hiltrud, ihre wirkliche, leibliche Mutter – sie alle waren bereits den Weg alles Irdischen gegangen, während sie, Richarda, weiterlebte, obwohl sie doch versagt hatte und der gute Paulinus sie etwas anderes glauben machen wollte.

Und nicht zuletzt jenes finstere Geheimnis, welches sie erst vor kurzem erfahren hatte, dass nämlich Gaugraf Gerhard, der Zerstörer Gressions und ein großer Sünder vor dem Herrn, in Wahrheit ihr Vater war. Nicht nur die Hütten Gressions waren zerstört worden, sondern auch ihr Glaube an die Ordnung in dieser Welt, die ihr zunehmend fremd geworden war. Und doch barg all dieses Elend - so widersinnig es klang - auch einen Funken unverhofften Glücks in sich: Gero war nicht ihr Bruder!

Schon als Kinder hatten sie aneinander gehangen, doch als sie erwachsen wurden, hatte Richarda widerstrebend feststellen müssen, dass ihre Gefühle zu Gero von anderer Natur waren als die einer Schwester zum Bruder. Anfangs hatte sie sich noch selbst etwas vorgemacht, wenn er sie, scheinbar unverfänglich, auf Wange, Stirn oder Mund küsste. Was war denn schon dabei, er fühlte sich schließlich als ihr großer Beschützer, und sie ließ sich gern von ihm behüten. Und wenn Gunda, die Schwester, solche Innigkeiten auf gehässige Weise kommentierte, war heftige Empörung aus Richarda herausgebrochen. Aus der Verlockung war nie eine echte Versuchung geworden, denn als Königin der Eremiten hatte sie sich nach Judiths Vorbild selbst Jungfräulichkeit gelobt. Was sie freilich nicht frei von Begierden machte.

Wie auch immer, nunmehr war sie nicht länger Königin, und Gero war kein Verwandter, nicht einmal ein entfernter. Die Gefühle, die sie füreinander hegten, waren nicht länger Sünde, faktisch waren sie niemals widernatürlich gewesen.

Ja, dies war das Glück, welches sie in all ihrem Unglück genießen durfte. Zwar waren Menschen gestorben, zwar war Gression zerstört, zwar war ihre Idee von einer wunderbaren Welt gescheitert, aber nichts, nichts sprach mehr dagegen, dass sie Gero nicht nur wie einen Bruder lieben durfte.

Gero! Noch kannte er die Wahrheit nicht, noch musste er denken, sie seien Geschwister. Sie würde ihm alles anvertrauen, bald schon, sie musste nur noch die rechten Worte finden. Tastend wanderte ihre Hand seitwärts, doch der Platz neben ihr, wo Gero gestern Abend noch gelegen hatte, war leer.

Sie richtete sich auf, was den Kopfschmerz zu einem schier unerträglichen Pochen steigerte. Auch diese Erinnerung kehrte nun zurück: Sie hatte sich die Wangenverletzung gestern selbst zugefügt – mit dem Schwert des Unheils!

Das rostige Schwert, es stammte aus uralter Zeit, hatte der ungestüme Wigbert einst zu einer Reliquie deklarieren wollen, obgleich die Herkunft der Waffe völlig ungewiss war. Richarda hatte es ihm untersagt, denn eine solche Lüge wäre durch nichts zu rechtfertigen gewesen. Zudem war und blieb das Schwert eine Waffe, selbst wenn es tatsächlich je ein Heiliger in der Hand gehalten hatte. Gression aber sollte ein Reich des Friedens sein.

Am Tag des Kampfes war jenes Schwert urplötzlich wieder aufgetaucht. Der junge Peter hatte es bei sich geführt – und war gefallen! Wenige Stunden später - längst war die Schlacht, sofern man den ungleichen Kampf so bezeichnen wollte, entschieden – hatte Rothaid mit eben diesem Schwert ihrem Leben ein Ende bereitet: Zu gewaltig waren die Lasten gewesen, die sie lange Jahre mit sich herumgeschleppt hatte.

Das Schwert brachte nichts als Unglück. Deshalb hatte Richarda es am Vortag im Waldsee versenkt. Nie wieder sollte es in die Hände eines Menschen gelangen. Zuvor aber hatte sie zum Entsetzen ihrer Begleiter die schartige Klinge über ihre Wange gleiten lassen. Die Wunde sollte ein erstes Zeichen ihrer Sühne sein, bis zu ihrem Lebensende würde die Narbe ihr Antlitz entstellen, niemand sollte sie je wieder schön nennen.

Das alte Schwert lag nun für immer auf dem Grund des Sees. Womöglich war es mit einem Fluch belegt, und vielleicht hatte sie ihn mit ihrem Blut gelöst, aber wer konnte das schon wissen? Eine wunderbare Welt würde es nicht geben, niemals, das Paradies schien ferner denn je, doch sie würde, sobald sie neue Kräfte geschöpft hatte, dafür streiten, dass die Welt wenigstens besser wurde. Bruder Paulinus mochte ihr dabei helfen, und Gero würde an ihrer Seite sein – als ihr Ehemann.

Nachdem sie eine Weile gesessen hatte, ließ der klopfende Schmerz nach. Gero war fort, und auch Paulinus war nicht zugegen; vermutlich hatten sie ihre Schlafplätze verlassen, um sich draußen zu erleichtern und die Beine zu vertreten. Ein sintflutartiger Regen hatte die Reisenden gestern Schutz in der Höhle suchen lassen, doch das Unwetter war vorüber, der Frühling zurückgekehrt.

Richarda griff nach ihrem Überkleid. Sie fühlte sich schwach, es packte sie Schwindel, der nach tiefem Durchatmen wieder verflog, sodass sie sich kräftig genug fühlte, den Männern ins Freie zu folgen.

Die Luft war würzig und schwer vom Geruch aufgeschwemmter Erde, der Himmel mit weißen Wolken aus Schafwolle gespickt. Richarda hielt Ausschau nach Gero und Paulinus, sah jedoch nur den Benediktiner, der, einen guten Steinwurf entfernt, am Ufer des Baches stand und gedankenverloren in die vom Regen angeschwollenen, vorüberrauschenden Wassermassen starrte. Langsam schritt sie auf ihn zu. Obwohl das Schmatzen der feuchten Erde unter ihren Schritten kaum zu überhören war, schien Paulinus die Herannahende nicht zu bemerken, denn sein Blick blieb unverwandt auf den Bachlauf gerichtet. Dass er betete, war unwahrscheinlich, weder hielt er die Hände gefaltet noch machte er Anstalten, sich niederzuknien, und Paulinus hätte in seiner Frömmigkeit niemals darauf verzichtet.

Paulinus grübelte.

Gründe dafür gab es reichlich. Nur zwei Schritte von ihm entfernt verharrte Richarda, und als er ihrer immer noch nicht gewahr wurde, räusperte sie sich leise. Beinahe erschrocken...


Günter Krieger, Jahrgang 1965, lebt in Langerwehe und schreibt seit Jahren erfolgreich historische Romane mit regionalem Flair. Die meisten seiner Werke spielen im Raum Aachen-Jülich-Köln und in der Eifel. Allein seine Merode-Trilogie, durch die er erstmals bekannt wurde, erlebte seit 1999 zahlreiche Auflagen und Neuausgaben.
Krieger ist Mitglied im Autorenkreis Historischer Roman "Quo vadis".



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