Kreuzer / Boenke / Gerwien | Schneegestöber | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 900 Seiten

Kreuzer / Boenke / Gerwien Schneegestöber


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7349-9390-9
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 900 Seiten

ISBN: 978-3-7349-9390-9
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
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In der oberschwäbischen Provinz will der Berufsschullehrer und Lebenskünstler Daniel Bönle die Fasnetszeit trotz Schulunterricht entspannt genießen. Er besucht mit seiner Klasse ein nahegelegenes Kloster, doch ein Schneesturm zwingt ihn und die Jugendlichen zur Übernachtung bei den Nonnen. Der nächste Morgen hält eine tödliche Überraschung im klösterlichen Gottesdienst bereit … Im Züricher „Jahrhundertschnee“-Chaos wird eine alte Frau erstochen. Verdächtige gibt es zuhauf, und Beat Streiff muss in völlig unterschiedliche Richtungen ermitteln. Exkommissar Reintaler freut sich in „Alpengrollen“ auf einen erholsamen Skiurlaub, doch ein Anschlag auf die Hahnenkammrennstrecke durchkreuzt seine Pläne. Hatten etwa Terroristen ihre Hand im Spiel? Auch beim Arber-Skirennen zur „Schneekalt“-Rauhnacht stören Sabotageakte und Schneemassen Valentin Steinberg beim Entspannen. Bei seinen Nachforschungen begegnet er sage und schreibe echten Sagengestalten … Schließlich ist da noch Berufsschullehrer Bönle, der in „Nonnenfürzle“ mit seiner Klasse ein Kloster besucht. Ein Schneesturm zwingt ihn zur unfreiwilligen Übernachtung - und der nächste Morgen hält pünktlich zum Gottesdienst eine tödliche Überraschung für ihn bereit.

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Der erste Tag: Die tote Frau
Hätte er es sehen müssen? Es war dunkel draußen, die Glasscheibe der Haustür widerspiegelte das Treppenhaus, seine eigene Gestalt, die hinunterkam. Zudem war er etwas verschlafen und mit seinen Gedanken doch schon halb bei der Arbeit. Während er die Tür aufmachte, warf er einen flüchtigen Blick auf das Anschlagbrett rechts davon, auf dem die Hausverwaltung eine Überholung der Waschmaschine ankündigte – und dann fuhr er zusammen, weil kalter Schneestaub ihm ins Gesicht fiel. Dann prallte sein Kopf gegen die Wand vor ihm. Ein erschrockener Laut entfuhr ihm. Er trat einen halben Schritt zurück und starrte ungläubig. Dann berührte er die Wand. Schnee. Dicht vor der Haustür erhob sich eine Mauer aus Schnee. Bis zuoberst. Er trat mit dem Fuß nach ihr, boxte hinein. Das war keine dünne Schicht, sondern dick und solide. Er eilte eine Etage höher, öffnete das Treppenhausfenster und spähte durch die Gitterstäbe. Der Schnee reichte bis hier. Es mussten fast drei Meter sein. Die Bäume am Straßenrand boten einen grotesken Anblick. Aus sehr kurzen Stämmen erhoben sich die kahlen Kronen. Wo normalerweise die Straße und das Trottoir waren, war nichts als eine Schneefläche, die ganze Straße hinauf und hinunter, so weit er sehen konnte. Keine Fußabdrücke. Keine Menschen. Kein Geräusch. Lajos Varga schloss das Fenster und ging langsam hinauf. Er wischte sich den Schnee von der Stirn. Er hörte das Öffnen und Schließen einer Tür, eilige Schritte. Seine Nachbarin Janine Bianchera kam ihm entgegen. Sie arbeitete als Kellnerin in einem Café und hatte heute offenbar Frühschicht. Er schüttelte langsam den Kopf. »Sie können nicht zur Arbeit gehen, Frau Bianchera«, sagte er. Sie hörte nur halb zu. »Guten Morgen, Herr Varga, ich bin in Eile.« Schon war sie an ihm vorbei. Er folgte ihr. »Sie können nicht hinaus«, sagte er eindringlich. Oder spinne ich?, fuhr es ihm durch den Kopf. Das kann doch eigentlich gar nicht sein, so viel Schnee, in Zürich. Aber da hatte sie es schon selbst gemerkt. Sie schrie auf. »Was ist denn das?« »Schnee«, sagte er hilflos. »Schnee bis übers Erdgeschoss hinaus.« Sie starrte ihn an. »Wie ist das denn möglich? Gestern Nachmittag war es ein Meter. Das ist ja schon viel, aber das hätte man doch räumen können. Salzen, Kies streuen, irgendetwas. Ich sollte doch das Café aufmachen. Rubina muss in einer Stunde zur Schule.« »Wahrscheinlich kommen heute Morgen keine Gäste ins Café«, sagte Lajos, »und die Schulen sind wohl auch geschlossen. Das Beste ist, wir gehen zurück und hören Radio.« »Aber das geht doch nicht«, stotterte die Frau. »Irgendwer muss kommen. Die Armee, die Polizei, das Grenzwachtkorps.« »Oder die Amerikaner«, kommentierte Lajos Varga sarkastisch und ging hinauf. Luca Oertle tappte in die Küche. Er war schlecht gelaunt wie immer am Dienstagmorgen, wenn er schon vor acht an der Uni sein musste. Er schaltete die Kaffeemaschine ein, holte aus dem Kühlschrank ein Joghurt und machte das Radio an. Ein bisschen gute Musik würde ihn wecken. Schon war das Stück zu Ende. Nachrichten. »Ausnahmezustand in Zürich und in Teilen des Mittellandes«, hörte er, »außergewöhnlich heftiger Schneefall, zwei bis drei Meter Schnee«. Am stärksten hatte es den Kanton Zürich getroffen, aber auch Teile des Aargaus und von Zug. Was? Luca riss das Fenster auf. Wahnsinn. Auch ihm bot sich die schweigende kalte Schneelandschaft dar wie eine halbe Stunde zuvor Lajos Varga. »… Jahrhundertschnee. Das öffentliche Leben vollständig zum Erliegen gekommen«, hörte er die Radiostimme hinter sich. »Verkehr, Schulen, Geschäfte, Restaurants, Firmen – alles geschlossen.« Die Uni wohl auch, ging es Luca durch den Kopf. »Schneeräumung bis auf weiteres nicht möglich. Die Bevölkerung wird dringend gebeten, ihre Häuser nicht zu verlassen.« Puh. Luca setzte sich an den Küchentisch und löffelte mechanisch sein Joghurt. Er war ein gut aussehender Mann von Ende zwanzig. Sein Gesicht war leicht gebräunt, dunkle Locken fielen ihm ins Gesicht. Er wusste, dass er attraktiv war, aber im Moment dachte er nicht an sich. Er merkte nicht einmal, dass er ein Aprikosen- statt eines Haselnussjoghurts erwischt hatte. Nochmals ins Bett? Nein, jetzt war er wach. Zeitung holen? Quatsch, Zeitung gab es wohl heute nicht. Er hörte leise Schritte, die Tür ging auf, Aline tappte herein, in ihren graugrünen Morgenmantel gehüllt. Scheußliches Ding, dachte Luca. Aber leider passte er zu Aline. Sie war blass, ihre Haare ungekämmt, neben der Nase hatte sie einen roten Pickel. Eigentlich musste sie einem leidtun, aber häufig fühlte sich Luca nur genervt von ihr. Er stellte sich vor sie hin. »Jetzt ist es passiert«, rief er dramatisch, »jetzt bist du die Gefangene der Bristen-straße. Für dich gibt es kein Entkommen mehr!« Sie fuhr zusammen, der Schrecken auf ihrem Gesicht war echt. »Was ist los?«, rief sie. Er fühlte sich bereits gelangweilt. »Schau aus dem Fenster«, gab er kurz zurück, holte vom Regal eine Tasse und nahm sich einen Kaffee. Aline schloss das Fenster. »Und wir sind wirklich eingeschlossen?«, fragte sie. »Wir können nicht hinaus?« »Wirklich und wahrhaftig eingeschlossen«, bestätigte Luca boshaft. »Auf Gedeih und Verderb dem Winter ausgeliefert.« Aline lief hinaus. »Carsten«, hörte er sie rufen. Er verdrehte die Augen. Aline war Carstens jüngere Schwester, die vor Kurzem in München ihr Abitur gemacht hatte. Seit zehn Tagen schon war sie bei ihnen auf Besuch, schlief im Wohnzimmer, hockte mager und deprimiert und krankhaft schüchtern in der Küche, versuchte gleichsam, gar nicht da zu sein und nahm gerade dadurch sehr viel Raum ein. Seraina war nett zu ihr. Sie übte wohl schon für die Zukunft, in der sie in irgendeinem Bündner Bergdorf eine Hausarztpraxis führen würde und verknorzte Dorforiginale zu verarzten hätte, dachte Luca. Er hatte jedenfalls keine Lust, Sozialarbeiter zu spielen. Im Lokalradio lief eine Sonderberichterstattung zum Wetter. »Ausnahmezustand kann mehrere Tage andauern«, hörte Luca. Die Schneeräumungsdienste seien heillos überfordert, weil weite Teile des Mittellandes vollkommen zugeschneit seien. Ein Armee-Einsatz werde erwogen. Nur, dachte Luca spöttisch, dass die Soldaten wohl auch nicht aus ihren Wohnungen ausrücken konnten. Eine CVP-Politikerin wies darauf hin, dass der Mensch eben nicht alles im Griff hatte, dass man sich jetzt bewähren müsse. Offenbar war das ein Telefoninterview mit mehreren Zürcher Politikern. Jetzt meldete sich ein Grüner, der den Atomausstieg und die Klimaveränderung ins Feld führte. Unterbrochen wurde er von einem SVP-Mann, der höhnisch sagte, was Klimaveränderung? Dann müsste es ja warm sein. Es habe immer schon Wetterextreme gegeben. Siebzehnhundertsowieso habe es im Juli geschneit. Der Moderator wandte sich an eine FDP-Frau, die erklärte, man müsse jetzt vernünftig bleiben und die paar Tage halt aushalten. Mehrere Tage? Luca riss den Schrank auf, in dem die Lebensmittel aufbewahrt wurden. Immerhin. Einige Pakete Spaghetti und Risottoreis. Pelati und andere Konserven. Zwei Kilo Brot. Im Kühlschrank drei volle Milchpackungen, eine Reihe von Joghurts, zwei Plastiktüten mit Chicorée und ein Kilogramm Karotten. Im unteren Fach ein großes Stück Käse, mindestens ein Pfund, und einige Würstchen. In der Obstschale auf dem Tisch ein Berg Orangen und Äpfel. Hatte also gestern jemand einen Großeinkauf gemacht. Na, er wars nicht gewesen. Vermutlich Seraina. Die WG-Mama. Nein, da tat er ihr Unrecht. Seraina war in Ordnung. Sie sah gut aus mit ihren rotblonden Locken und sie hatte so einen gewissen Berglercharme. Ganz zu Anfang hatte Luca abgecheckt, ob er bei ihr landen könnte. Nix zu machen. Sie hatte ihn bloß ausgelacht, aber fröhlich, nicht herablassend. Einige Tage würden sie also überleben können. Und sonst gabs ja noch die Nachbarn. Raffaela Zweifel stand im Bad, in einen seidenen lila Morgenmantel gehüllt und tuschte sich die Wimpern. Sie betrachtete sich verdrossen im Spiegel. »Ich sehe furchtbar aus«, murmelte sie. »Unsinn.« Fridolin Heer, der hinter sie getreten war, küsste sie auf den Nacken. »Du siehst super aus, wie immer. Vielleicht ein bisschen unausgeschlafen. Dabei bist du doch gestern früh zu Bett gegangen.« »Ich fühle mich, als ob ich gestern Abend zu viel getrunken hätte«, sagte sie, »schwerer Kopf, verklebte Augen.« »Schlaf doch noch ein bisschen«, riet er. »Unsinn, ich muss zur Arbeit.« Fridolin schüttelte bedächtig den Kopf. »Musst du heute nicht. Ebenso wenig wie ich – und alle anderen Bewohner dieser Stadt und über die Stadt hinaus.« »Soviel ich weiß, haben wir heute weder den 1. Mai noch den 1. August.« »Du hast noch nicht Radio gehört, meine Schöne. Drei Meter Schnee. Schau es dir an.« »Was? Das ist doch nicht möglich. Immer deine Witze!« Raffaela eilte zum Fenster, öffnete es und schaute hinaus. »Wahnsinn!« Sie griff nach dem Telefon und rief in ihrer Firma an. Nur der Beantworter meldete sich. Dann versuchte sie es bei einer Arbeitskollegin, die im Stadtviertel Wollishofen, auf der anderen Seite der Stadt, wohnte. Dort war die Situation genau gleich. Mindestens zweieinhalb Meter Schnee. Keine Chance hinauszukommen. Ich trinke eine Tasse Tee, und dann lege ich mich nochmals hin, beschloss Raffaela. Ich habe wirklich nicht gut geschlafen. Fridolin küsste ihre Schulter. »Gute Idee«, murmelte er. Auch Janine Bianchera hatte weder im Café, in dem sie...



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