Kreutzer / Bernardi / Troi | Schaurige Orte in Südtirol | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 285 Seiten

Reihe: Schaurige Orte

Kreutzer / Bernardi / Troi Schaurige Orte in Südtirol

Unheimliche Geschichten
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8392-7166-7
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Unheimliche Geschichten

E-Book, Deutsch, Band 2, 285 Seiten

Reihe: Schaurige Orte

ISBN: 978-3-8392-7166-7
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwölf schaurige Geschichten von zwölf Autoren über zwölf reale Orte in Südtirol, angelehnt an Legenden und Ereignisse in Vergangenheit und Gegenwart. Welch ungewöhnliche Abenteuer ein Magier bestehen musste, um den Erzherzog Johann zu seiner Grablege im Schloss Schenna zu begleiten. Auf welche Weise der Paternkofel für die tragische Geschichte zweier Männer steht, deren Schicksal sie als Bergsteiger wie auch als Todfeinde verbindet. Und warum die Knappengeister vom Totensee immer noch ihr Unwesen treiben …

Kreutzer / Bernardi / Troi Schaurige Orte in Südtirol jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


01 Die bösen Engel
von Robert Preis
Mein Name ist Stephan Kowalski-Knapp, Buchhändler in Prag. Erst kürzlich fand ich das Tagebuch eines entfernten Vorfahren, Marek Baptist Knapp (1809–1869), der im Jahre 1859 von Seiner Majestät Kaiser Franz Joseph I. angeblich mit einer brisanten Aufgabe betraut worden sei. Einer Aufgabe, die ihn das Leben kosten sollte, ihn aber auch unsterblich machte. Aus dem Büchlein geht hervor, wie sehr er als Lector1 unter der Ignoranz der Menschen zu leiden hatte. Und unter seinen besonderen Fähigkeiten. Kaum jemand glaubt den Lectoren so wie einst in früheren Zeiten, niemand schenkt ihnen Achtung oder gar Anerkennung. Vielleicht deshalb, weil Lectoren dazu neigen, ihre Eingebungen und seherischen Fähigkeiten allzu deutlich in die Wirklichkeit der anderen einzubringen. Aber, geschätzte Leser, bewerten Sie selbst, welch unglaublichen Gefahren und Nöten mein Vorfahr, Marek Baptist Knapp, gegenübergestanden haben mag. * Graz, 11. Mai 1859 Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Uhren um 8.45 Uhr stehen geblieben waren. Ich weiß nur, dass es plötzlich still war. In meiner Erinnerung war es damals so leise, dass das Ticken keinen Platz hatte. Nicht einmal das Schluchzen und das Atmen der Umstehenden. Nichts hatte Platz außer der Tod. Johann hatte ausgeatmet und nicht wieder ein. Der Erzherzog, der Steirische Prinz, war tot. Seit drei Uhr in der Früh hatte ich – angereist aus Ödenburg, wo ich als Offizier stationiert war – am Totenbett gesessen. Ich war sofort losgeritten, hatte ihn jedoch nur noch sterben sehen. Unsere Abschiedsworte, unser Flehen, Johann möge durchhalten und die Krise bewältigen, waren in seinem rasselnd schwachen Atem verklungen, ehe er schließlich mit einem Seufzen entschwand. Die Kunde vom Ableben des Erzherzogs Johann verbreitete sich rasend schnell. Bereits während der Pfarrer den Leib segnete und die Gebete am Totenbett gemurmelt wurden, begannen die Glocken in Graz zu läuten. Die Leonhardkirche, die Leechkirche, der Dom, alles bewegte die Glocken. Nur die Leute waren unbeweglich, denn was in der Stadt zu dieser Morgenstunde auf den Beinen war, hielt inne und bekreuzigte sich. Der von vielen so sehr geliebte Erzherzog hatte das Zeitliche gesegnet. Das von vielen so sehr verdrängte Sterben war ins Bewusstsein des Alltags getreten. Ein unglaublich trauriger Moment. Nur ich hatte keine Zeit für Trauer. Ich musste eilen, um Schlimmeres zu verhindern. Schlimmeres als den Tod. Mir war bewusst, dass mich die anderen argwöhnisch betrachteten, ich spürte ihre Blicke auf meinem Rücken, und doch eilte ich aus dem Haus hinaus auf die gepflasterten Straßen, ohne mich ein einziges Mal umzudrehen. So traurig mich Johanns Tod machte, Zeit zu trauern blieb mir nicht. Graz, 15. Juni 1869 Ausgerechnet auf Tiroler Erde. Das war Johanns Wunsch gewesen, dort wollte er begraben werden. Das hat mich zehn Jahre gekostet. Johanns Ende war mein Anfang gewesen. Vom Kaiser persönlich mit der Überstellung des ehrwürdigen Leichnams beauftragt, hatte ich damals schnell und gewissenhaft gehandelt und noch im Monat, in dem Johann gestorben war, eine Reise durch Wälder und Schluchten, über Pässe und Felshänge begonnen, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte. Ich war in Gegenden gewesen, die ich nur durch die kaum bekannten Pläne des Augustinermönchs Johannes Clobucciarich gefunden hatte. Vor mehr als 250 Jahren hatte er in aller Eile eine Karte der Region angefertigt, damit sich die Habsburger den immer wieder einfallenden Ungarn und Türken besser hatten erwehren können. Schon damals war diese Gegend so voller Geschichten und Gerüchte gewesen, die weit in die Vorzeit hineinragten, dass es nicht wundern darf, wenn auch ich Karantanien auf wahrlich märchenhaften Pfaden durchwanderte. Es bedurfte intensiver Vorbereitung, Johanns letzte Reise anzutreten, ich musste Gefahren überwinden, unendlich lange Gespräche führen und mich durch Bibliotheken wühlen, ehe ich die seltensten Bücher über die seltensten Kreaturen fand. Die Zeit verstrich und mehr als einmal kämpfte ich ums Überleben, doch ich arrangierte mich, schloss Bündnisse und Pakte und holte mir Versprechungen ein, von denen ich wusste, dass sie manchmal nicht mehr wert waren als der Wind, in den sie gesprochen wurden. So dauerte es sage und schreibe zehn Jahre, bis wir das Wagnis eingehen konnten, Johanns Leichnam zu überstellen. Ein Wagnis freilich, das von den hohen Herren eingefordert worden war, denn ich selbst hätte es nie erlaubt. Nur ich wusste, wie viel Glück wir benötigen würden und wie wenig Zeit wir für die Überstellung seines Leichnams hatten. Und nur ich ahnte meinen nahenden Tod. Ziel unserer Reise war eine Grabkapelle nahe der Burg Schenna bei Meran. Johann hatte diese Burg lange vor seinem Ableben gekauft und sich in das beschauliche Bauwerk verliebt, das ein Relikt aus der sagenhaften Zeit der Margarete Maultasch war. Franz Graf von Meran, Johanns Sohn, hatte den Wiener Architekten Moritz Wappler beauftragt, ein Mausoleum in Schenna zu planen. Der Meraner Polier Anton Kluibenschedl führte den Bau aus, ein neugotisches Meisterwerk, dessen Gruftaltar aus Laaser Marmor bestand und der Sarkophag aus Sandstein aus Mezzocorona in der Provinz Trient. Und mich hatte der Kaiser damit beauftragt, den Leichenzug zu organisieren. Wen sonst? Der einbalsamierte Leichnam Johanns sollte durch Graz chauffiert werden – in einem mitreißenden Trauerzug, damit er noch ein letztes Mal von jedem beweint werden konnte. Herz und Organe wurden, wie es üblich war, in separaten Urnen nach Wien transportiert – eine Methode, die mehr denn je von Nöten war, wenn es in die tiefen Berge des Westens ging. Die Wesen der Anderswelt sollten nie alles bekommen. Niemals alles von einem Menschen. Johanns Sarg war bedeckt mit einer Decke, die seine Witwe Anna neun Jahre lang bestickt hatte. Jene Anna, um die der Kaiserbruder so lange gekämpft hatte, die ihm Spott, Häme und Verachtung seiner Familie brachte, weil sie ihm von Standes her nicht ebenbürtig war. So war es eine Trauung der linken Hand gewesen, wie man sagte. Johann war Getuschel am Hof egal gewesen, er hatte seine Anna geliebt. Hatte sie niemals aufgegeben. Jetzt war sie allein. Ich selbst saß vorne am Kutschbock an der Seite eines verschlossenen Kerls, den ich Edmund nannte. Die bis an die Zähne bewaffneten zehn Husaren auf ihren zehn Schlachtrössern begleiteten uns steif und starr blickend wie Zinnsoldaten. Sie waren imposant anzusehen mit ihren bunten Uniformen und den hohen Mützen, den Quasten und Manschettenknöpfen, den blank polierten Säbeln und den gezwirbelten Schnauzern. Mir kam ihr Auftritt nur zupass, so beachtete niemand die weiteren Details unserer Ausrüstung – den gewaltigen schwarzen Koffer, der fast größer als der Sarg war, das Rohr, das unter der hinteren Achse hervorlugte, und die seltsame Apparatur, die spiralförmig am Ende der Kutsche angebracht war und in einer Kurbel mündete. Die Hufe klackerten über den Hauptwachplatz, begleitet Klang eines einzelnen Glockenschlags der Liesl. Doch kaum hatte der Sarg die alten Grazer Stadtmauern verlassen, kaum dass wir die Murvorstadt und die Weinberge des Plabutsch hinter uns gelassen hatten und in die bewaldeten Ebenen vor der Pack eingetaucht waren, begannen die Probleme. Das Rad der Kutsche brach und der Sarg rutschte seitlich von der Ladefläche. Annas Decke landete am Wegesrand. Ein Kichern im Wald kurz vor Beginn der Passstraße verriet mir, dass der Unfall nicht durch Zufall passiert war. Ich herrschte die Soldaten an, den Schaden so schnell wie möglich zu reparieren, und befahl den Wachen, die Augen offen zu halten. Tatsächlich fielen ein, zwei Schüsse, weil die Männer gemeint hatten, zwischen den Bäumen eine vermummte Gestalt umherspringen zu sehen. Es wurde Abend, wie ich befürchtet hatte. In dieser Nacht starb der erste meiner Männer. Er schob Wache, doch in der Früh starrte er uns mit offenen Augen von einer Linde hängend an. An seinen Wimpern hatte sich Morgentau gebildet, trotz des Juni war es kalt heroben. Nein, ich war überzeugt, dass er sich nicht freiwillig das Leben genommen hatte. Es war ganz einfach: Niemand, schon gar nicht all die Elfen, Kobolde und Zwerge der Mark, wollte den Erzherzog ziehen lassen. Johann bedeutete den Steirern alles, er hatte Dinge in die Wege geleitet, die das Leben bis in weite Zukunft verändern würden, er hatte den Menschen Arbeit gegeben, Museen, Fabriken, Vereine gegründet, dem ganzen Land ein neues Selbstwertgefühl verschafft. Er hatte eine einfache Frau geheiratet und aus der Steiermark ein prosperierendes Land gemacht. Niemand wollte ihn verlieren. Nicht einmal die Geisterwelt. Zehn Jahre lang hatte ich mit den Wesen verhandelt und die ärgsten Probleme beiseitegeschafft. Und doch war mir klar, dass diese Reise eine Angelegenheit war, die schnell gehen musste. Und Glück benötigte. Das so früh gebrochene Rad hätte mir Warnung genug sein müssen. Ich hatte nicht alle überzeugt. Die Zeit war zu knapp gewesen. Nachdem wir das Rad ersetzt hatten, brachen wir unverrichteter Dinge auf. Auf der anderen Seite der Pack in den Urlanden Karantaniens wurde es schlimmer. Die Kobolde hielten sich zwar an die mit mir getroffene Vereinbarung, doch die Habergoaß2 ließ sich nicht besänftigen. Ich betätigte zum ersten Mal die Kurbel, ließ mir die Genugtuung über das...


Scheck, Kathrin
Lutz Kreutzer wurde 1959 in Stolberg geboren. Er schreibt Thriller, Kriminalromane sowie Sachbücher und gibt Anthologien heraus. Am Forschungsministerium in Wien gründete der promovierte Naturwissenschaftler ein Büro für Öffentlichkeitsarbeit. In Hörfunk und TV wurden viele Beiträge über seine Arbeit gesendet. Er arbeitete lange als Manager in der IT- und Hightech-Industrie. Seine beruflichen Reisen und alpinen Abenteuer (in Südtirol: „Große Mauer“, „Messner-Platte“, „Gelbe Kante“ u. a.) nimmt er zum Anlass, spannende Literatur daraus zu machen. Auf Buchmessen wie Frankfurt und Leipzig sowie auf Kongressen hat er zahlreiche Autoren gecoacht. Seine Arbeit wurde mit mehreren Stipendien gefördert. Er lebt in München.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.