Kreiß / Siebenbrock | Blenden Wuchern Lamentieren | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Kreiß / Siebenbrock Blenden Wuchern Lamentieren

Wie die Betriebswirtschaftslehre zur Verrohung der Gesellschaft beiträgt
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95890-277-0
Verlag: Europa Verlage
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie die Betriebswirtschaftslehre zur Verrohung der Gesellschaft beiträgt

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-95890-277-0
Verlag: Europa Verlage
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Weltbild der Betriebswirtschaftslehre – das gilt bedingt in gewissem Maß auch für die Volkswirtschaftslehre – lässt sich in einer Kernaussage zusammenfassen: Gewinnmaximierung. Sie gilt als höchstes Ziel auf Erden, praktisch das gesamte Lehrgebäude baut auf diesem Prinzip auf. Produktionsprozesse, Einkauf, Marketing, Personalwesen, Management, Rechtsform, Investition, Finanzierung, Besteuerung – alle Teilbereiche der Betriebswirtschaftslehre werden dem untergeordnet. Manchmal wird diese axiomatische Grundbedingung subtiler benannt: Economic Value Added (EVA), wertorientierte Unternehmensführung, Shareholder Value, Return on Capital, aber das Ziel ist immer dasselbe: Gewinne bzw. Renditen zu maximieren.

Christian Kreiß und Heinz Siebenbrock schildern in "Blenden, Wuchern, Lamentieren", welch gravierende Auswirkungen dieses Prinzip der Gewinnmaximierung auf die verschiedensten Bereiche unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens hat. Es fördert Konkurrenzdenken und egoistisches Verhalten und führt zu Umweltzerstörung, Sozialabbau und einer zunehmenden Verrohung der Gesellschaft. Doch die Autoren zeigen auch ermutigende Alternativen, wie jeder Einzelne dazu beitragen kann, die Probleme des menschenverachtenden Prinzips der Gewinnmaximierung zu überwinden und es durch menschengerechte Ziele zu ersetzen. Ein Umdenken ist möglich!

Kreiß / Siebenbrock Blenden Wuchern Lamentieren jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Die betriebswirtschaftliche Kernaussage und ihre Denk- und Handlungsfolgen
Das Gewinnstreben, besonders die Gewinnmaximierung, führt zu einer einseitigen Erfolgsermittlung, die den Beitrag des Eigenkapitals aufwertet, während gleichzeitig die Beiträge aller anderen Stakeholder abgewertet werden: Der Aufwand für Materialien, Investitionsgüter, Zinsen, Steuern sowie für Lohn und Gehalt wird so niedrig gehalten, dass sich ein möglichst hoher Gewinn ergibt. Vom Lieferanten werden eine herausragende Qualität und eine pünktliche Lieferung verlangt; im Gegenzug wird so wenig und so spät wie möglich gezahlt mit dem Hinweis, dass er weitere Anstrengungen unternehmen müsse, um die derzeitigen Preise zu rechtfertigen. Diese weit verbreitete Drohkulisse ist Ausdruck von Geringschätzung. Diese Drohgebärden sind auch im Umgang mit den Mitarbeitern zu beobachten: Trotz des realen Kaufkraftverlustes und nach wie vor steigender Pro-Kopf-Leistung erscheinen vielen Unternehmen die Löhne und Gehälter zu hoch. Die Botschaft »Mehr Leistung für weniger Lohn« ist an Zynismus und damit an Geringschätzung kaum zu übertreffen. Selbst vor dem Staat machen einige große Unternehmen keinen Halt. Mit Gewinnverlagerungen in Steueroasen zeigen sie dem Staat, wie wenig sie von ihm und wie wenig sie mithin von der Gesellschaft halten. Gewinn wird erzielt, wenn die Umsätze (bzw. Erlöse) den damit verbundenen Aufwand übertreffen. Ganz grob lässt sich die dem externen Rechnungswesen zuzurechnende Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) wie folgt beschreiben: Umsatz(erlöse) – Materialaufwand – Personalaufwand – Abschreibungen
(offiziell: Aufwendungen für Abnutzung [AfA]) – Zinsen – Steuern =Gewinn Wer den Gewinn erhöhen will, muss entweder den Umsatz erhöhen oder Aufwandspositionen mindern, indem er den Lieferanten (Materialaufwand und AfA), den Mitarbeitern (Personalaufwand), den Banken (Zinsen) oder der Allgemeinheit (Steuern) weniger zahlt. Wohl fast überall auf der Welt steht der Gewinn einzig dem Inhaber des jeweiligen Unternehmens zu. Damit stellt er sich zwangsläufig gegen all diejenigen Anspruchsgruppen, die ihm Aufwand in Rechnung stellen. Genau genommen ist Gewinnerzielung ein Kampf gegen die Lieferanten, Mitarbeiter, Banken und die Allgemeinheit. »Business ist wie Krieg führen«, titelt Bruno Wagner »die kriminellen Methoden der Unternehmen in der globalisierten Wirtschaft«.13 Dabei ist es gar nicht nötig, auf »kriminelle Methoden« abzustellen. Auch die »Globalisierung« braucht es dafür nicht. Bereits der Aufbau der GuV macht die Interessengegensätze aller Anspruchsgruppen und damit den Kampf »Jeder gegen jeden« mehr als deutlich. Dass Unternehmen entsprechende Angriffs- oder Verteidigungsstrategien und entsprechende Mechanismen einsetzen, um ihre Gewinne abzusichern, liegt auf der Hand. Dafür werden in der Wirtschaftspraxis regelrechte Bollwerke errichtet, die die Interessen von Unternehmenseignern gegenüber allen anderen Anspruchsgruppen einseitig bevorzugen: Kontrolle und Bürokratie, Beurteilungs-, Steuerungs- und Anreizsysteme, eine tief verwurzelte Zahlengläubigkeit sowie ein ständig steigender Leistungsdruck sind die Instrumente, die in fast allen Unternehmen in hoher Intensität zum Einsatz kommen. Dabei wird übersehen, dass diese Instrumente erhebliche kontraproduktive Nebenwirkungen haben und allzu oft sogar Gefahren mit sich bringen. Kontrolle und Bürokratie
Wirtschaft und öffentliche Verwaltung sind fast vollständig im Würgegriff von Kontrollsystemen: Anwesenheits- und Arbeitszeitkontrollen, Leistungs- und Qualitätskontrollen, Fortschritts- und Entwicklungskontrollen und vieles mehr. Die Folge sind Bürokratieerscheinungen, über die sich Cyril Northcote Parkinson (»Parkinsons Gesetz«) bereits 1957 lustig gemacht hat.14 David Graeber, Anthropologe an der London School of Economics, hat gezeigt, dass in den letzten Jahren mehr und mehr der nach ihm benannten »Bullshit Jobs« entstanden sind.15 In dem Film »Mein wunderbarer Arbeitsplatz«16 von Martin Meissonnier führt Graeber aus: »Es scheint ein allgemeines Prinzip zu geben, nach dem die Bezahlung mit dem steigenden gesellschaftlichen Nutzen einer Arbeit sinkt.” Krankenschwestern und Müllarbeiter etwa werden trotz ihres hohen gesellschaftlichen Nutzens schlecht bezahlt, während Personalberater, Firmenanwälte und Hegefonds-Manager ein hohes Einkommen erzielen, ohne dass sie einen nennenswerten – teilweise sogar einen kontraproduktiven – Beitrag für die Gesellschaft leisten. Graeber beklagt darüber hinaus, dass er immer mehr Menschen kennenlernt, die ihm anvertrauen, dass sie nichts Sinnvolles tun. Kontrollsysteme und Bürokratie zeugen von einem weit verbreiteten, tiefen Misstrauen des Managements gegenüber seinen Mitarbeitern. Dabei forderte bereits Knut Bleicher, Ordinarius an der Hochschule St. Gallen, in den 1970er-Jahren dazu auf, eine »Vertrauensorganisation« aufzubauen.17 Es folgten Regalmeter von wissenschaftlichen Arbeiten, die das Thema Vertrauen in den Mittelpunkt rückten. Von einem Transfer dieser Vorschläge in die Wirtschafts- und Verwaltungspraxis sind wir bis heute – mit wenigen Ausnahmen – noch weit entfernt. Während Parkinson zum Beleg die Militärbürokratie in den 1920er- und 1930er-Jahren anführt, möchten wir auf die uns vertraute Hochschulbürokratie verweisen: Auf jeden Dozenten einer deutschen Fachhochschule kommen ca. zwei Verwaltungsfachkräfte, bei deutschen Universitäten sind es noch deutlich mehr. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle all die bürokratischen Praktiken aufzuführen, die uns das Leben schwer machen. Interessant erscheint uns jedoch zu erwähnen, dass wir beide in jeweils fast 20 Jahren Dienstzeit selten von der Verwaltung gefragt wurden: Was können wir für Sie tun? Wie können wir Sie unterstützen? Stattdessen haben die Pflichten zur Dokumentation und das Antragswesen ständig zugenommen. In Wirtschaftsunternehmen erscheint der Befund gleich: Qualitätsmanagementsysteme und übertriebenes Controlling (z. B. sichtbar in Zahlenfriedhöfen) verlagern die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter von der eigentlichen Arbeit auf die Bürokratie. Seit Kurzem werden diese Erscheinungen von der Wiedereinführung der »guten alten« Stempeluhr noch getoppt: Weil man den Mitarbeiter angeblich vor Selbstausbeutung schützen wolle, müsse die sogenannte Vertrauensarbeitszeit abgeschafft werden; stattdessen werden Arbeitszeitkontrollen in großem Stil wiedereingeführt. Beurteilungs- und Anreizsysteme
Schon als Schüler werden wir daran gewöhnt, ständig beurteilt zu werden. Es gibt Noten für Klassenarbeiten, Hausarbeiten, Referate, für die Beteiligung am Unterricht und in einigen Fällen gibt es sogar Noten für das Verhalten in Form sogenannter Kopfnoten. Wie selbstverständlich wird dieses Prozedere in Berufsschulen, Hochschulen und Universitäten fortgesetzt. Nur selten wird in Frage gestellt, ob es tatsächlich Aufgabe von Schule und Hochschule ist, Noten zu vergeben. In der Aus- und Weiterbildung von Lehrern und Hochschullehrern erhält dieser Aspekt allenfalls eine untergeordnete Bedeutung, oft wird er sogar gänzlich ausgeblendet.18 Und was macht dieses System mit den SchülerInnen und Studierenden? Das sogenannte Bulimie-Lernen scheint ein weitverbreitetes Phänomen zu sein: SchülerInnen und Studierende stopfen sich mit Wissen voll, um es gleich anschließend in der Prüfung zu erbrechen. Wir haben es so oft erlebt, dass Studierende kaum in der Lage sind, das erlernte Wissen ins nächste Semester hinüberzuretten. Seit einiger Zeit setzen die Hochschulen darauf, dass nicht nur die Studierenden, sondern umgekehrt auch die Hochschullehrer von ihren Studierenden beurteilt bzw. evaluiert werden. Die so erzeugte gegenseitige Abhängigkeit erscheint abstrus, werden doch Rache- sowie Gefälligkeitsbewertungen, je nach Lehr- und Lernklima, Tür und Tor geöffnet. Auch die Wirtschaftspraxis setzt auf Beurteilungssysteme. Dabei werden sie von Consultingunternehmen unterstützt, die ihr Angebot hochtrabend als »Management Diagnostik« bezeichnen und für jede Hierarchieebene angeblich passgenaue Assessments oder andere Produkte entwickeln. Die Mitarbeiterbeurteilung ist in der Praxis ein Teil der Qualitätssicherung. Sie soll Aufschluss geben über die Arbeitsleistung, die Motivation, die Belastbarkeit, die Kompetenz, die Stärken und Schwächen von Mitarbeitern. Die klassische Mitarbeiterbeurteilung wird top-down durchgeführt: Der Vorgesetzte bewertet die Leistung des ihm...


Prof. Dr. Christian Kreiß, geb. 1962, Studium und Promotion in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte, arbeitete neun Jahre als Bankier, davon sieben Jahre als Investmentbanker. Seit 2002 unterrichtet er als Professor an der Hochschule Aalen Finanzierung und Volkswirtschaftslehre. Christian Kreiß veröffentlichte bisher vier Bücher und zahlreiche Artikel, u.a. im "Spiegel", in der "Süddeutschen Zeitung", der "FAZ" und der Welt. Er hält Vorträge und tritt auch im Deutschen Bundestag als unabhängiger Experte auf.

Prof. Dr. Heinz Siebenbrock, geb. 1960, studierte BWL an der Universität Münster, war Assistent am Lehrstuhl für BWL sowie als Vorstandsassistent, Geschäftsführer und Mitglied der Geschäftsführung in verschiedenen Unternehmen tätig. Seit 2000 lehrt er an der Hochschule Bochum Allgemeine Betriebswirtschaftslehre sowie die Fächer Unternehmensorganisation und Führungslehre. Außerdem leitet er Praxisseminare auf den Gebieten Training, Coaching und Beratung, hält Vorträge und ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen mit Schwerpunkt BWL.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.