Kreienbaum | 'Ein trauriges Fiasko' | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Reihe: Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts

Kreienbaum 'Ein trauriges Fiasko'

Koloniale Konzentrationslager im südlichen Afrika 1900 - 1908
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86854-643-9
Verlag: HIS
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Koloniale Konzentrationslager im südlichen Afrika 1900 - 1908

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Reihe: Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts

ISBN: 978-3-86854-643-9
Verlag: HIS
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Tausende Internierte der Lager in Südafrika und Deutsch-Südwestafrika starben, manche verloren binnen weniger Wochen ihre gesamte Familie, die Überlebenden wurden durch die Erfahrung von Deportation, Mangel, Krankheiten, Gewalt und Tod traumatisiert. 'Die ganze Sache war ein trauriges Fiasko', gestand Sir Alfred Milner am 8. Dezember 1901 in einem vertraulichen Brief. Ein Fiasko im Sinne von Misserfolg waren die Konzentrationslager auch aus der Perspektive der Kolonialisierer, denn in keinem der Fälle, die Jonas Kreienbaum untersucht, war das Massensterben der Internierten beabsichtigt. Die Lager waren nicht als Vernichtungslager geplant, sondern primär militärische Instrumente, die durch die Konzentration und damit Kontrolle der Bevölkerung zur Beendigung langwieriger Kolonialkriege beitragen sollten. Sie dienten gleichzeitig der möglichst effektiven staatlichen Durchdringung der Kolonie, fungierten als Stätten der Erziehung und vor allem der Arbeitskräftebeschaffung und versprachen damit zentrale Ziele des kolonialen Staats erreichbar zu machen. Koloniale und nationalsozialistische Lager hatten, wie der Autor auf Basis differenzierter Vergleiche herausarbeitet, weniger miteinander gemein als der gemeinsame Begriff suggeriert. Jonas Kreienbaum bereichert mit seiner Untersuchung der kolonialen Konzentrationslager im südlichen Afrika ein derzeit intensiv und kontrovers diskutiertes Forschungsfeld.

Jonas Kreienbaum, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische und Neueste Geschichte der Universität Rostock; von 2008 bis 2013 Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität zu Berlin.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts;2
3;Titelseite;3
4;Impressum;4
5;Inhaltsverzeichnis;5
6;I. Einleitung;7
6.1;Zur Fragestellung;9
6.1.1;Grundmotive kolonialer Expansion: Von Zivilisierung bis Vernichtung;10
6.1.2;Kontinuitäten: Vom kolonialen Lager zum nationalsozialistischen KZ?;11
6.1.3;Kolonialpolitik zwischen nationalen Sonderwegen und universaler imperialer Praxis;11
6.1.4;Koloniale Konzentrationslager als Brennpunkte transnationaler Geschichte;12
6.2;Zur Fallauswahl und Methode;14
6.3;Literatur und Quellen;16
6.4;Wichtige Begriffe;24
6.5;Vorläufer der Konzentration und die »Erfindung des Konzentrationslagers« auf Kuba;27
7;II. Der Kontext: Kolonialkriege in Südafrika und Südwestafrika;35
7.1;Der Südafrikanische Krieg: Guerillakrieg und Politik der »verbrannten Erde«;35
7.1.1;Die Konzentrationslager des Südafrikanischen Krieges;36
7.2;Der Krieg in Deutsch-Südwestafrika: Vom Vernichtungskrieg zur Konzentrationspolitik;57
7.2.1;Der Krieg mit den Herero;57
7.2.2;Die Konzentrationslager in Deutsch-Südwestafrika;60
7.2.3;Der Krieg mit den Nama;75
8;III. Der Zweck der Lager;86
8.1;Südafrika: Flüchtlings-, Internierungs- und »Erziehungs«lager;86
8.1.1;Schutz für burische Flüchtlinge;87
8.1.2;Guerillabekämpfung;89
8.1.3;Social Engineering;95
8.1.4;Die black camps: Mittel zur Guerillabekämpfung und Arbeitskräftereservoir;102
8.1.5;Zielgerichtete Vernichtung?;110
8.1.6;Repatriierung;114
8.1.7;Periodisierung der Lagergeschichte;118
8.2;Deutsch-Südwestafrika: »Pazifizierungs«-, Arbeits- und Straflager;120
8.2.1;Die Dimensionen des Massensterbens: Zielgerichtete Vernichtung?;121
8.2.2;»Pazifizierung«;132
8.2.3;Zwangsarbeit und »Erziehung zur Arbeit«;138
8.2.4;Bestrafung;143
8.2.5;Periodisierung der Lagergeschichte;145
9;IV. Die Funktionsweise der Lager;146
9.1;Südafrika: Zwischen »Zigeunerlager« und improvisierter Kleinstadt;146
9.1.1;Brennende Farmen: Der Weg ins Lager;146
9.1.2;Zelt- und Hüttenstädte: Die bauliche und räumliche Organisation der Lager;154
9.1.3;Verbesserungen durch öffentlichen Druck: Die Versorgung in den Lagern;169
9.1.4;Arbeit, Schule, freie Zeit: Der Alltag im Lager;199
9.1.5;Handsuppers, bitterenders und khakis: Soziale Beziehungen im Lager;210
9.1.6;Resümee;220
9.2;Deutsch-Südwestafrika: Ressourcenmangel, Desinteresse, Zwangsarbeit;222
9.2.1;Wandelnde Skelette: Der Weg ins Lager;223
9.2.2;»Gefangenenkraale«: Bauliche und räumliche Organisation der Lager;226
9.2.3;Von totaler Unterversorgung zur Mangelwirtschaft: Die Versorgung in den Lagern;234
9.2.4;Beten und Zwangsarbeiten: Der Alltag im Lager;247
9.2.5;Gewalt, Flucht und Kollaboration: Soziale Beziehungen und Handlungsspielräume;258
9.2.6;Resümee;270
10;V. Abgeschaute Lager? – Beobachtung und Wissenstransfer;274
11;VI. Koloniale und nationalsozialistische Lager – vergleichende Überlegungen;293
12;VII. »Ein trauriges Fiasko« – Schlussbetrachtungen;310
13;Anhang;320
13.1;Abkürzungsverzeichnis;320
13.2;Bibliografie;322
13.2.1;Archivquellen;322
13.3;Literatur;329
13.3.1;Zeitungen und Zeitschriften;329
13.3.2;Primärliteratur;329
13.3.3;Sekundärliteratur;331
14;Danksagung;348
15;Zum Autor;350


II. Der Kontext: Kolonialkriege in
Südafrika und Südwestafrika


Die Konzentrationspolitiken in Süd- wie Südwestafrika lassen sich nur vor dem Hintergrund der kolonialen Kriege verstehen, in deren Zuge sie errichtet wurden. Was kennzeichnete den Südafrikanischen Krieg und was die Auseinandersetzungen mit Herero und Nama in der benachbarten deutschen Kolonie?

Der Südafrikanische Krieg: Guerillakrieg und Politik
der »verbrannten Erde«

Nur Monate nachdem die Rekonzentrationsmaßnahmen auf Kuba faktisch beendet waren, begann am 11. Oktober 1899 der Südafrikanische Krieg, in dessen Verlauf die Briten concentration camps als strategische Maßnahme einsetzten. Die Truppen der verbündeten Burenstaaten, der Südafrikanischen Republik (Transvaal) und des Oranje Freistaats, griffen die britischen Besitzungen Natal und die Kapkolonie an. Die Wurzeln dieses Konflikts lassen sich bis in die Anfangsjahre des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Im Zuge der Napoleonischen Kriege hatte Großbritannien die Kontrolle über das Kap von den Niederländern übernommen. Unzufrieden mit der neuen Administration und vor allem mit der beginnenden Emanzipation der schwarzen Bevölkerung, machten sich zwischen 1834 und 1844 etwa 6000 Afrikander im Zuge des sogenannten Großen Trecks auf, das britische Herrschaftsgebiet zu verlassen. Die Afrikander stammten vor allem von niederländischen, deutschen und französischen Einwanderern ab, die sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts vornehmlich als Bauern (Buren) am Kap niedergelassen hatten. Nachdem sich die sogenannten Vortrecker zuerst in Natal angesiedelt hatten, das 1843 jedoch ebenfalls von den Briten annektiert wurde, gelang es ihnen nach blutigen Kämpfen mit der afrikanischen Bevölkerung, die sie verdrängten, sich im südafrikanischen Landesinneren festzusetzen. Dort gründeten sie die Südafrikanische Republik und den Oranje Freistaat. Die Staaten wurden 1852 beziehungsweise 1854 von den Briten anerkannt.

Die Konzentrationslager des Südafrikanischen Krieges

Lagerverzeichnis:

?= »weiße« Lager

¦ = »schwarze« Lager

  1. Uitenhage ?
  2. Port Elizabeth ?
  3. East London ?
  4. King William’s Town/Kabusi ?
  5. Aliwal North ? ¦
  6. Norvals Pont ?
  7. Orange River Station ? ¦
  8. Kimberley ? ¦
  9. Taungs ¦
  10. Dryharts ¦
  11. Vryburg ?
  12. Mafeking ?
  13. Bethulie ?
  14. Springfontein ?
  15. Edenburg ¦
  16. Thaba’Nchu ¦
  17. Ladybrand ?
  18. Bloemfontein ? ¦
  19. Allemans Siding ¦
  20. Houtenbek ¦
  21. Eensgevonden ¦
  22. Brandfort ? ¦
  23. Vet River ¦
  24. Smaldeel ¦
  25. Winburg ? ¦
  26. Welgelegen ¦
  27. Virginia ¦
  28. Rietspruit ¦
  29. Ventersburg Road ¦
  30. Holfontein ¦
  31. Geneva ¦
  32. Bosrand ¦
  33. America Siding ¦
  34. Honingspruit ¦
  35. Serfontein ¦
  36. Roodewal ¦
  37. Kroonstad ? ¦
  38. Koppies ¦
  39. Vredefort Road ? ¦
  40. Heilbron ? ¦
  41. Wolwehoek ¦
  42. Taaibosch ¦
  43. Vereeniging ? ¦
  44. Meyerton ¦
  45. Witkop ¦
  46. Kliprivier ¦
  47. Klipriviersberg ¦
  48. Natalspruit ¦
  49. Bezuidenhout Valley ¦
  50. Boksburg ¦
  51. Rietfontein West ¦
  52. Bantjes ¦
  53. Brakpan ¦
  54. Springs ¦
  55. Nigel ¦
  56. Krugersdorp ? ¦
  57. Frederikstad ¦
  58. Potchefstroom ? ¦
  59. Koekemoer ¦
  60. Klerksdorp ? ¦
  61. Bloemhof ?
  62. Kromellenboog ?
  63. Irene ?
  64. Olifantsfontein ¦
  65. Meintjeskop ?
  66. Vanderhovensdrift ?
  67. Nylstroom ?
  68. Pietersburg ?
  69. Van der Merwe Station ¦
  70. Elands River ¦
  71. Bronkhorstspruit ¦
  72. Wilge River ¦
  73. Balmoral ? ¦
  74. Brugspruit ¦
  75. Groot Olifants River ¦
  76. Belfast ? ¦
  77. Middelburg ? ¦
  78. Elandshoek ¦
  79. Nelspruit ¦
  80. Barberton ?
  81. Heidelberg ? ¦
  82. Greylingstad ¦
  83. Standerton ? ¦
  84. Platrand ¦
  85. Paardekop ¦
  86. Volksrust ? ¦
  87. De Jagersdrift ?
  88. Kaffirfontein ¦
  89. Ladysmith ?
  90. Harrismith ? ¦
  91. Colenso ?
  92. Mooi River ?
  93. Eshowe ?
  94. Howick ?
  95. Pietermaritzburg ?
  96. Pinetown ?
  97. Merebank ?
  98. Wentworth ?
  99. Jacobs ?
  100. Isipingo ?

1877 annektierte Großbritannien die Südafrikanische Republik, die zu diesem Zeitpunkt der rückständigste der vier Siedlerstaaten war, mit dem Ziel, eine südafrikanische Föderation nach kanadischem Vorbild zu schaffen. Den Briten gelang in den Folgejahren, woran die Buren gescheitert waren: Sie besiegten nacheinander die Zulu und die Pedi und sicherten den Transvaal so gegen seine mächtigsten afrikanischen Gegner. Das bedeutete das Ende des effektiven afrikanischen Widerstands in Südafrika, der das gesamte vorige Jahrhundert durchzogen hatte. Von ihren afrikanischen Gegnern befreit, drängte die burische Bevölkerung des Transvaal nun auf die Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit. Diese sollten sie im Zuge des Transvaalkrieges (1880/81) wiedererlangen, in dem sie den britischen Truppen zwei empfindliche Niederlagen bei Laings Nek und Majuba Hill beibrachten. Die gerade neu gewählte liberale Regierung in London zeigte sich daraufhin schnell bereit, den Konflikt durch weitgehende Konzessionen beizulegen, und entließ den Transvaal erneut in die Unabhängigkeit.1

In den kommenden Jahren sollte sich die Kräfteverteilung in Südafrika rasant verändern und für weiteres Konfliktpotenzial in der Region sorgen. Zunächst stellte die Landnahme des Deutschen Reiches 1884 im benachbarten Südwestafrika eine potenzielle Herausforderung des bis dahin unangefochtenen britischen Suprematieanspruchs in der Region dar. Und nur zwei Jahre später leitete die Entdeckung der weltweit größten Goldvorkommen im Transvaal den steilen Aufstieg der Südafrikanischen Republik ein, die sich innerhalb weniger Jahre vom rückständigsten Gebiet Südafrikas zu dessen Zentrum entwickelte. Zwar gelang es Großbritannien, unter anderem durch die massive Ausdehnung des eigenen Gebiets ins Landesinnere, Deutschland vom Transvaal geografisch abzuriegeln und so aus Südafrika herauszuhalten. Doch fürchtete man in London, dass es durch den Aufstieg der Südafrikanischen Republik zu einer Einigung Südafrikas unter burischer Führung kommen könnte.2

Der erste Versuch, dies 1895 durch einen Überfall auf die Südafrikanische Republik, den sogenannten »Jameson Raid«, zu verhindern, scheiterte spektakulär. Als Strippenzieher dieses Coups gilt der Diamant- und Goldmagnat Cecil Rhodes, der 1890 erstmals zum Präsidenten der Kapkolonie gewählt worden war. Ein Aufstand der sogenannten Uitlander (ausländische Wanderarbeiter) im Goldminengebiet des Transvaal sollte den Einfall einer bewaffneten Truppe aus Betchuanaland unter der Führung von Leander Starr Jameson legitimieren. Das Unternehmen schlug jedoch fehl. Der Aufstand blieb aus, und Jamesons Leute, die dennoch auf burisches Gebiet vorgedrungen waren, wurden von burischen Kommandos umstellt und nach kurzem Kampf entwaffnet. Diese Episode, die von manchen Zeitgenossen bereits als Kriegserklärung Großbritanniens an den Transvaal interpretiert wurde, leitete die finale Phase des Konflikts ein, der 1899 in den Südafrikanischen Krieg münden sollte.3

Erneut spielten die Uitlander, die im Zuge des Goldbooms massenhaft in die Südafrikanische Republik geströmt, dort jedoch vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, eine entscheidende Rolle. Vor allem Sir Alfred Milner, der 1897 als neuer High Commissioner für Südafrika nach Kapstadt kam, drängte auf die politische Gleichberechtigung der Ausländer, die mehrheitlich britisch waren. Er hatte die Vision, das »great game um die Herrschaft in Südafrika«4 für Großbritannien zu entscheiden und versprach sich davon einen probritischen Machtwechsel im Transvaal,5 um dann Südafrika nach dem Vorbild Ägyptens unter Lord Cromer, bei dem er zwischen 1889 und 1892 als Unterstaatssekretär für Finanzen gedient hatte, neu zu gestalten. Die Regierung des Transvaal unter dem England kritisch gegenüberstehenden Präsidenten Paul Krüger, der als Kind selbst noch unter...


Jonas Kreienbaum, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische und Neueste Geschichte der Universität Rostock; von 2008 bis 2013 Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität zu Berlin.



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