E-Book, Deutsch, 140 Seiten
Krebs Stirb - Im Namen meiner Mutter
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7438-6085-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Hamburg Krimi
E-Book, Deutsch, 140 Seiten
ISBN: 978-3-7438-6085-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Tatjana Michalski und ihr Team werden zu einem mysteriösen Doppelmord gerufen. Nur der Fundort, eine Kirche, scheint die einzige Verbindung zwischen den Taten zu sein. Während sie noch im Dunklen tappen, wird die nächste Leiche gefunden, dieses Mal auf einem Friedhof. Können die Kommissare den Mörder vor der nächsten Tat stoppen?
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2.Kapitel
Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden, denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht. -Altes Testament: das erste Buch Mose (Genesis) (1.Moses 9,6)- In einer Nebenstraße der Reeperbahn mitten auf dem Kiez, dort wo abends das große Geschäft mit der Liebe gemacht wird, Alkohol und Drogen ihren Hauptumschlag haben, steht eine Kirche, die St. Joseph Kirche zu St. Pauli. Sie ist eine imposante, barocke Kirche. Alt und würdig thront sie mitten in der Lichterreklame und dem Dreck der Nacht. In einer Querstraße der Reeperbahn erhebt sich diese alte, eindrucksvolle Kirche. Nicht selten ziehen sich hier Frauen vom Gewerbe nach einer harten Schicht auf dem Kirchhof oder, wenn sie offen ist, in den Gebetsraum zurück und versuchen, ihre Gedanken und Gefühle zu sortieren. Auf dem Kirchhof parken mehrere Dienstwagen und alles ist abgesperrt. Wie falsch sich das anfühlt. Ich bin zwar Atheistin, doch eine Kirche hat offen zu sein, damit jeder rein und rausgehen kann. Und sie ist kein Tatort. Überall anders hätte es vor Absperrungen zu Menschenansammlungen geführt, doch hier ist es schon fast Alltag und jeder geht weiter, in seine Gedanken vertieft. Hin und wieder bleibt ein Tourist mit seiner Kamera stehen und versucht, ein Bild zu machen. Doch dann sehe ich sie. Die Geier, die über jedem Tatort ihre Kreise ziehen. Sie würden sich zwar nie so bezeichnen, doch in meinen Augen sind sie genau das: Reporter! Zwei von ihnen, die ich schon von anderen Tatorten kenne, kommen mit schnellen Schritten auf mich zu. Ich atme tief ein, denn ich weiß genau, was jetzt kommt. Immer wieder bete ich, dass sie es doch sein lassen sollen, denn sie kennen meine Antwort. »Frau Michalski, können Sie schon etwas zu dieser Tat sagen?« Wie ich es hasse, immer wieder diese eine Frage, nie zuerst eine Höflichkeit, sondern nur dieser eine Satz. Betont freundlich lächle ich den jüngeren von beiden an. Ich weiß, er ist noch nicht so lange dabei, doch auch er muss es wissen. Ein optimales Opfer für eine Demonstration für mich. »Herr Ludewig, so war doch Ihr Name, oder?» Sofort nickt er begeistert und kommt noch einen Schritt näher »Sie kennen meine Funktion oder besser gesagt, die Funktion, die ich nicht habe?« Nun beginne ich, mit ihm wie mit einem kleinen Jungen zu reden, der im falschen Klassenraum sitzt. »Wir haben Pressesprecher und wir haben Ermittler. Wissen Sie, was ich bin?« Sofort verändert sich sein Gesichtsausdruck. Von der Freude, dass ich mit ihm rede, hin zur Enttäuschung. Also lässt er von mir ab und dreht sich von mir weg, um zurück zur Absperrung zu gehen. Gleich strecken die versammelten Reporter ihre Hälse, um ja alles zu überblicken. Innerlich muss ich schmunzeln. Er hat immer noch die Hoffnung, etwas zu sehen, was er medienwirksam ausschlachten kann Öffentlich würde ich nichts gegen diese Berufsgruppe sagen, sie haben uns ja schon viele gute Dienste geleistet, doch auch sie müssen wissen, dass es mich meinen Kopf kosten könnte, wenn ich ihnen etwas sagen würde. »Tatjana.« Sofort drehe ich mich in die Richtung, aus der der Ruf kommt. Mohammed, ein Praktikant der Rechtsmedizin, winkt mir fröhlich zu. Das Bild eines fröhlichen jungen Mannes passt für mich überhaupt nicht hierher. Ich weiß natürlich, dass er sich darüber freut, mit an einen Tatort kommen zu dürfen. Mit seinen jungen Jahren hat er sich sehr schnell eingefunden. Nie habe ich ihn schlecht gelaunt oder meckernd erlebt. Mittlerweile darf er einfache Untersuchungen wie Kerntemperatur oder Hautbiopsien selber durchführen. Der Rechtsmediziner weiß genau, wie er ihn fördern kann. Und das gipfelt in dem heutigen Tag, an dem er das erste Mal mit an einen Leichenfundort darf. Voller Stolz strahlt sein Gesicht und im Gegensatz zur Anfangszeit, als sein Gang noch gebeugt und vorsichtig war, geht er heute aufrecht. Jeder Schritt zeigt sein Selbstbewusstsein. »Mohammed, was hast du mit Dr. Petersen gemacht, wenn du hier sein darfst? Hast du ihn bestochen?« Glücklicherweise kann man mit ihm solche Scherze machen, denn er ist nicht auf den Mund gefallen. »Sie wissen doch, ich bin mit einem Muffin und einem starken Kaffee immer zu haben.« Eine tiefe Stimme hinter mir unterbricht meine Unterhaltung mit Mohammed. Gleich am Eingang steht der Gerichtsmediziner. Ich mag seinen Humor gerne. Er ist der absolute Perfektionist, doch hat er nie die Menschlichkeit in seinem Beruf verloren. Während ich bei anderen Rechtsmedizinern schon mal einen Fehler bemerkt habe, ist mir bei ihm noch nie einer aufgefallen. Er ist einfach brillant und sieht dazu auch noch gut aus. Er legt viel Wert auf seinen Körper und treibt regelmäßig Sport. Ich dagegen bin eine Niete, was das betrifft. Logisch, ich bin nicht unsportlich, ansonsten wäre ich vermutlich schon längst zum Schreibtischdienst abkommandiert, doch extra zum Sport und vielleicht noch auf die Ernährung achten? Nicht mein Ding. Ich bin glücklicherweise von Natur aus dünn. Vielleicht ein wenig zu sehr? Ich wünschte mir etwas mehr Oberweite. Das Einzige, was ich wirklich an mir mag, sind meine Haare. Meine kleine Hexe hatte mich mein Vater immer genannt, denn ich habe feuerrote Haare. Klar, ich wurde oft in der Schule gehänselt, doch geliebt habe ich sie immer. Leider habe ich keine grünen Augen, sondern braune. Hätte ich grüne, würde es besser zu meiner hexigen Art passen. Zumindest, wenn man meinem Vater Glauben schenken darf. Aufgeregt kommt Ben auf mich zu und reißt mich aus meinen Gedanken. Er ist unser jüngstes Mitglied im Team und hat erst einen Fall mit uns bearbeitet. Dieser hatte es in sich und Ben hat sich sehr gut gehalten. Er muss noch vieles lernen, was in dem Bereich wichtig ist, doch ansonsten ist er nicht schlecht. »Tatjana, dass musst du dir ansehen.« Leichenblass steht er vor mir und zittert am ganzen Körper. Ich hatte mich schon letztes Mal gefragt, ob er einen Leichenfund ertragen kann. Jeder von uns hat schon mal bei einer Leiche erbrochen, doch die letzte war noch eine eher angenehme Leiche. Das Opfer wurde mit Gift getötet, sauber und nicht stinkend, da es schnell gefunden wurde. »Ben, wenn es dir nicht gut geht, dann gehe hinaus, aber stelle dich so hin, dass die Journalisten dich nicht sehen. Ich möchte nicht, dass sie eine Schlagzeile wie 'Kotzende Beamte in der Kirche' oder so bringen.« Die sind froh, wenn sie überhaupt irgendwas schreiben können, aber wir müssen denen keine Vorlagen geben. Ein sich erbrechender Kripobeamter ist bestimmt eine Schlagzeile wert. »Nein, nein mir geht es schon viel besser.« Voller Respekt sehe ich ihn mir an. Er gibt nicht auf. Blass und immer noch zittrig steht er vor mir und ich sehe, wie er kämpft. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie es mir beim ersten Mal erging. Ich habe den halben Vormittag nur gespuckt. Es ging nichts mehr, so dass mich mein Vorgesetzter damals nach Hause geschickt hat. Viele haben hinter meinem Rücken geredet. Nie wollte ich so werden wie die damals. Ich höre sie immer noch reden: »Schau mal die Kleine, die hätte vielleicht bei ihrem Kind zu Hause bleiben sollen.« Es hat nicht viel geholfen, dass ich alleinerziehend bin. Doch erst recht meine Körpergröße von gerade mal 1,65m bei 55 Kilo war hinderlich. Aber ich kann voller Stolz sagen, dass ich mich durchgesetzt habe. Heute leite ich eine Mordkommission und bin verdammt gut in meinem Job. »Aber das solltest du dir wirklich ansehen. Dass jemand zu so etwas fähig ist.« Wieder reißt er mich aus meinen Gedanken. Verdammt, ich muss mich mehr konzentrieren. Seine Worte lassen mich lächeln, denn es gibt mittlerweile nichts mehr, was mich noch schocken könnte, da bin ich mir sicher. 14 Jahre Arbeit bei der Kripo hinterlassen ihre Spuren. Ich folge ihm durch das Kirchenschiff.
Ein Blick auf die Leiche lässt mich aufatmen, es sieht wirklich nicht so schlimm aus, wie Ben es beschrieben hat. Ja, die Blutlache vor dem Opfer ist groß und die Bank vor ihm ist mit Blut vollgespritzt, teilweise noch feucht, aber hier in der Kirche, wo überall Stein liegt und nicht geheizt ist, ist es kalt. Beim genaueren Betrachten der Leiche sehe ich, dass der Täter der Frau mit einem Schnitt die Kehle durchgeschnitten hat. Beide Hauptschlagadern sind durchtrennt, so dass das Blut vermutlich einmal kurz rausgespritzt und das Opfer dann ausgeblutet ist. Meine Erfahrung sagt mir, dass die Frau nicht lange leiden musste. So ein sauber gesetzter Schnitt wird sie binnen Sekunden beinahe schmerzfrei getötet haben. »Frau Michalski, soll ich noch etwas dazu sagen?« Der Doc ist von hinten an mich herangetreten. »Nur eine Frage hätte ich an Sie: vermutlicher Todeszeitpunkt?« Ich finde nicht, dass hier noch viele Worte nötig sind. Ein Lächeln macht sich auf seinem Gesicht breit. »Wie immer, sehr direkt. Unser junger Padawan.« Dabei zeigt er mit dem Finger auf Mohammed, der noch Fotos vom Tatort für die spätere Beweislage macht. »Hat heute seine erste Messung an einem Leichnam...