Das Neue Frankfurt und die Frankfurter Küche
Buch, Deutsch, 176 Seiten, Format (B × H): 1380 mm x 2200 mm, Gewicht: 422 g
ISBN: 978-3-86638-273-2
Verlag: Dielmann Axel Verlag
Sie befindet sich in zahlreichen Museen der Welt – im Museum of Modern Art in New York, im Victoria & Albert Museum London, im MAK Wien und nicht zuletzt auch im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main – die von der Architektin Margarete Schu¨tte-Lihotzky entworfene „Frankfurter Ku¨che“.
Die „Frankfurter Ku¨che“ ist kein isoliertes Designobjekt. Sie ist vielmehr der Nukleus des Bauprogramms des von Landmann bestellten Frankfurter Stadtbaurats und Architekten Ernst May und seines Teams, das in gerade einmal fu¨nf Jahren zu 12000 Wohnungen im Stil einer neuartigen Moderne fu¨hrte. Dessen Anspruch bestand darin, mit einer minimierten Grundrissgro¨ße gleichzeitig einen hohen Wohnkomfort zu schaffen, das Bauen selbst und damit die Mieten so preiswert wie mo¨glich zu gestalten; was auch heute fu¨r eine Stadtplanung und Stadtentwicklung die Herausforderung darstellt.
Sieben grundlegende Blicke in die kleine Ku¨che mit dem großen gestaltungsgeschichtlichen Hintergrund.
Zielgruppe
Desinger, Design-Interessierte, Architekten, Kunstwissenschaftler, Baugeschichtler, Ernst-May-Fans, Bauhaus-Freunde, Freunde des Neuen Frankfurt, Frankfurter
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Matthias Wagner K und Klaus Klemp: Vorwort der Herausgeber
Klaus Klemp: Die Frankfurter Ku¨che. Ikone der Gestaltungsmoderne?
Lore Kramer: Pioniere der Frankfurter Ku¨che
Wilfried Michel: Geschichten um unsere Mayhausku¨che
Katja Apelt: Aus den To¨pfen der Frankfurter Ku¨chen
Christian Dressen. Die Frankfurter Ku¨che. Restaurierung einschließlich Demontage und Reinstallation des Ku¨chenraums
Christos-Nikolas Vittoratos: Frankfurter Ku¨che
Anni Haarer: Der Weg zum Eheglu¨ck
U¨ber die Autorinnen und Autoren
Sie befindet sich in zahlreichen Museen der Welt – im Museum of Modern Art in New York, im Victoria & Albert Museum London, im MAK Wien und nicht zuletzt auch im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main – die von der österreichischen Architektin Margarete Schütte-Lihotzky entworfene „Frankfurter Küche“. Als standardisiertes Modulsystem für rationalisierte Arbeitsvorgänge im Bereich des privaten Haushalts ist sie fraglos das international bekannteste und ikonischste Produkt des politischen, gesellschaftlichen und gestalterischen Reformprojekts „Das Neue Frankfurt“, das vom 1924 zum Frankfurter Oberbürgermeister gewählten Ludwig Landmann initiiert wurde.
Die „Frankfurter Küche“ ist kein isoliertes Designobjekt. Sie ist vielmehr der Nukleus des Bauprogramms des von Landmann bestellten Frankfurter Stadtbaurats und Architekten Ernst May und seines Teams, das in gerade einmal fünf Jahren zu 12000 Wohnungen im Stil einer neuartigen Moderne führte. Dessen Anspruch bestand darin, mit einer minimierten Grundrissgröße gleichzeitig einen hohen Wohnkomfort zu schaffen, das Bauen selbst und damit die Mieten so preiswert wie möglich zu gestalten; was auch heute für eine Stadtplanung und Stadtentwicklung die Herausforderung darstellt.
Dabei griffen die Frankfurter Architektinnen und Architekten der 1920er Jahre auf eine Debatte zurück, die kurz vor dem ersten Weltkrieg in Deutschland geführt wurde. In diesem sogenannten Werkbundstreit von 1914, einer Schlüsseldiskussion des 20. Jahrhunderts, forderte der Architekt Hermann Muthesius einen Verzicht von künstlerischem Individualismus in der Produktgestaltung und vielmehr die Herausbildung von Typen, um so vergleichsweise kostengünstige und gleichwohl ästhetisch überzeugende Lösungen zu finden. Dementsprechend fand sich im Frankfurter Hochbauamt eine „Abteilung T“ (Typisierung), die vom Türdrücker bis hin zu den Fenstern, Türen, Tapeten und ganzen Gebäudeteilen standardisierte Elemente entwarf, die dann in großer Zahl verwendet werden konnten. Dass dies nicht zu Monotonie und Hässlichkeit wie im berüchtigten kalten Nachkriegsfunktionalismus mit seinen phantasielosen Plattenbauten führte, lag an der durchgängig hohen Gestaltungsqualität der einzelnen Entwürfe für die Einbauten und das Interieur, an den auf maximal vier Geschosse begrenzten Gebäudehöhen und dem Einbeziehen des Außenraums.
Es lag in der Einsicht, so lässt sich im Rückblick auf die Gestaltungsmoderne in Frankfurt erkennen, was für einen gelingenden Designprozess oftmals die Voraussetzung bildet: Design nicht als Kunst und somit auch nicht von der dominierenden Idee eines Individuums her zu begreifen, sondern als einen Inspirations- und Entwicklungsprozess mehrerer Beteiligter mit unterschiedlichen Expertisen. Dass dies eine funktionierende und konstruktive Kommunikationskultur verlangt, auch dafür stellt „Das Neue Frankfurt“ ein überzeugendes Beispiel dar. So führte Ernst May zwar intensive Diskussionen mit seinem Team, ließ es aber in der Ausführung „machen“ und redete bei den Details den Gestalterinnen und Gestaltern nicht hinein. Durch den intensiven Austausch der überwiegend jungen Protagonist*innen untereinander, entstand so auf der Basis gegenseitiger Aufgeschlossenheit und gegenseitigem Respekt eine Entwurfskultur, die zugleich eine enorme Produktivität ermöglichte. Zu dieser trug auch eine stadtweite, konstruktive Netzwerkbildung bei: Das Bau- und Grünflächendezernat arbeiteten intensiv zusammen, die Kunstgewerbeschule wurde sowohl in Entwurfsprojekte des Hochbauamtes involviert, als auch Mitarbeiter des Amtes dort unterrichteten, und das produzierende Gewerbe griff die neuen Gestaltungen auf und setzte sie um. So entstand eine einmalige Allianz aus privatem und öffentlichem Engagement, bei dem die Politik für die notwendigen legislativen und finanziellen Grundvoraussetzungen sorgte und die städtischen Institutionen die gestalterische Führungsrolle übernahmen.
Bei all dem ging es – nach Krieg und Niederlage des deutschen Kaiserreiches als Resultate einer Unfähigkeit, in Friedenszeiten eine freiheitliche Sozial- und Staatsverfassung auszubilden – um nicht weniger, als mit neuen Formen alle Bereiche des menschlichen Lebens zu erfassen und im Verbund mit einer forcierten Industrialisierung eine neue, demokratische Gesellschaft zu formen.
Diesen Kontext gilt es bei einer Bewertung der variantenreichen „Frankfurter Küche“ zu berücksichtigen, deren Basisentwurf von Margarete Schütte-Lihotzky weltweit zum Vorbild für Einbauküchen, vor allem in Europa und in den USA wurde.
Die mit einfachen Mitteln gefertigte und streng nach Arbeitsabläufen geordnete Küche ist dabei nicht nur eines der frühesten und überzeugendsten Beispiele für Standardisierung und Typisierung, sondern vereinte bereits damals all jene Prinzipien, die sich heute unter dem Begriff der Nachhaltigkeit finden: Ökologie, Ökonomie und Soziales.
Der vorliegende, umfangreiche Band hält daher ganz verschiedene Blickwinkel und Aspekte zur „Frankfurter Küche“ bereit. Nach einer Auseinandersetzung mit der Frage „Die Frankfurter Küche. Ikone der Gestaltungsmoderne?“ greift Lore Kramer in ihrem Rückblick auf die „Pioniere der Frankfurter Küche“ ihre Gespräche mit Margarete Schütte-Lihotzky auf und bietet eine vertiefende Betrachtung der sozial-geschichtlichen Entwicklung des Arbeitsplatzes Ku¨che sowie der Rationalisierung des Haushaltes. Wilfried Michel liefert als Nutzer „Geschichten um unsere (seine) Mayhausküche“ und damit einen sehr persönlichen Erfahrungsbericht mit allerdings traurigem Ende. Katja Apelt ist zunächst davon fasziniert, wie viel über die besondere Form der Frankfurter Küche geschrieben wurde, ohne dass es je ums Essen ging. Dem schafft sie mit ihrem Essay „Frankfurter Köche (und -innen) – Dippegucke statt Architektendiskurs im Neuen Frankfurt“ Abhilfe.
Auch wenn sich die einzige restaurierte Küche in situ im ernst-may-haus in der Frankfurter Römerstadt besuchen lässt, lohnt doch der Gang in verschiedene Museen in Frankfurt, in denen eine „Frankfurter Küche“ präsentiert wird.
Das Museum Angewandte Kunst nennt seit 2017 eine original erhaltene Küche sein Eigen. Wie es dazu kam und was es für diese Neupräsentation bedurfte, schildert anschaulich der Restaurator des Museums, Christian Dressen, in „Die Frankfurter Küche. Restaurierung, einschließlich Demontage und Reinstallation des Küchenraums“. Selbst Produzent von individuellen Küchen, und auch wenn die Ku¨che heute zumeist weit mehr Raum einnimmt und bis hin zur offenen Ku¨che noch eine ganze Welle von Entwicklungen erlebt hat, blickt Christos-Nikolas Vittoratos noch einmal auf die Ansätze der „Frankfurter Ku¨che“, ihrer Erfinder und Entwickler. Und mit mehr als einem Augenzwinkern schließt der Band mit Anni Harrers „Frankfurter Küche. Der Weg zum Eheglück“.
Allen an dieser Stelle nicht noch einmal genannten Autorinnen und Autoren sei für ihre fundierten Beiträge herzlich gedankt. In diesen Dank möchten wir auch jene miteinbeziehen, die am Entstehungsprozess, am Druck und an der Produktion dieses Buches beteiligt waren, auch wenn sie, anders als die folgende Person, nicht namentlich Erwähnung finden. Denn nicht nur als Verleger haben wir Axel Dielmann zu danken, sondern auch als Initiator dieses Buches und als Bewohner eines May-Hauses für sein darin investiertes Engagement und Herzblut.
Prof. Matthias Wagner Prof. Dr. Klaus Klemp
Direktor Vorsitzender
Museum Angewandte Kunst ernst-may-gesellschaft