Koschuh | Olympisches Dorf | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 144 Seiten

Reihe: Erinnerungen an Innsbruck

Koschuh Olympisches Dorf

Kleinstadt im Weltdorf
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7030-6508-8
Verlag: Universitätsverlag Wagner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kleinstadt im Weltdorf

E-Book, Deutsch, Band 5, 144 Seiten

Reihe: Erinnerungen an Innsbruck

ISBN: 978-3-7030-6508-8
Verlag: Universitätsverlag Wagner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Reise in die Vergangenheit Innsbrucks - lebendig in persönlichen Erinnerungen!

Seine ersten sieben Lebensjahre verbrachte Tirols bekanntester Kabarettist Markus Koschuh im Olympischen Dorf, dem jüngsten Stadtteil Innsbrucks. Noch heute erinnern ihn Narben am Kopf an den wilden Ruf, den das Viertel einst hatte. Was hat es mit diesem Ruf auf sich? Und wie wild ist das O-Dorf, um das sich Legenden und Mythen ranken, heute noch? Quer durch die Häuserschluchten dieser Kleinstadt im Weltdorf Innsbruck begibt sich Markus Koschuh auf Spurensuche. Spannend, nah und äußerst unterhaltsam.

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DIE (ERFOLGS-)GESCHICHTE DES OLYMPISCHEN DORFES
Die Geschichte des in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck kurz und knackig „O-Dorf“ genannten Stadtteils ist in seinem Stadtteilwappen nahezu perfekt dargestellt: Im oberen Abschnitt eine weiße Schießscheibe samt zweier Fahnen, im unteren Bereich eine Abbildung des Olympiadenkmals mit seinen fünf Ringen, das an die Innsbrucker Olympiajahre 1964 und 1976 erinnert. Und nein, das bedeutet nicht, dass alle O-Dörfler ein Biathlongewehr aus olympischen Restbeständen unter dem Kopfpolster haben, sondern dass auf dem heutigen „olympischen Boden“ früher einmal scharf geschossen wurde. Die Schützenstraße und der Kugelfangweg heißen nicht umsonst so, wie sie eben heißen. In etwa auf Höhe des heutigen Chinarestaurants „Yong Hao“ in der Schützenstraße, gegenüber der Pfarrkirche, stand seit 1893 der Tiroler Landeshauptschießstand. Man hatte für den Standort dieses Schießstandes ein Gebiet gewählt, das sich damals vor allem durch eines auszeichnete: Durch blankes Nichts. Oder besser: Weite, also „freies Schussfeld“ sozusagen. Nur vereinzelt gab es in der zur Gemeinde Arzl gehörenden Gegend Häuser, diese aber allesamt nördlich der Schützenstraße. Etwa den „Schererhof“ an der Haller Straße, auf Höhe des späteren Einrichtungshauses „Pollo“ (das als eine der Hauptattraktionen lange Zeit einen sprechenden Papagei in einem Käfig im Eingangsbereich platziert hatte). Heute hat dort die Firma „P. Max Maßmöbel“ ihren Sitz. Für den Landeshauptschießstand hatte man ein riesiges Gebäude in damals zeitgemäßer, klobiger k. u. k.-Bauweise errichtet. Kaiser Franz Josef I. kam mit der zwei Jahre zuvor gebauten „Lokalbahn Innsbruck-Hall“ eigens zur Eröffnung. Die Bahn kam Jahrzehnte später nach dem Zweiten Weltkrieg liebevoll als „Die Vierer“ bezeichnet in der Region Innsbruck-Hall zu Weltruhm, der bis weit nach ihrer Einstellung 1974 nachhallte. Nachdem der Schießstand mittels Lokalbahnhaltestelle und Zufahrtsstraße erreichbar war, sollte es nicht lange dauern, bis in der Gegend zwischen Haller Straße und Schützenstraße die ersten Häuser entstanden. 1934 bestand diese „Schießstandsiedlung“ aber aus noch eher bescheidenen 35 Häusern mit allerdings insgesamt rund 400 Menschen. Eine Kirche, zumindest eine kleine Notkirche, die erst 1949 geweiht wurde, gab es aber schon. Und was braucht es in Tirol viel mehr als eine Kirche samt ein paar Häusern herum? Später sollte am (Not-)Kirchenstandort in der Pontlatzerstraße 38 die Schützenapotheke Quartier beziehen, die ihrerseits 1976 an ihren heutigen Standort Ecke Schützenstraße/Josef-Kerschbaumer-Straße übersiedelte. Das Jahr 1934 wird an dieser Stelle deshalb erwähnt, weil es auch das Gründungsjahr der Freiwilligen Feuerwehr Neu-Arzl darstellt (Gründungsname: Freiwillige Feuerwehr Arzl 2. Zug), der ein eigenes Kapitel, nämlich „Feuer und Flamme für’s O-Dorf“, gewidmet ist. Einen markanten Einschnitt für das Gebiet, das damals noch östlich von Innsbruck und nicht in Innsbruck gelegen war, bedeutet das Jahr 1940. Ohne viel Diskussion wurde von den herrschenden NS-Schergen verfügt, dass die Gemeinde Arzl fortan ein Bestandteil der Stadt Innsbruck zu sein habe. 1946 wurden die Arzler dann aber doch noch befragt, ob sie ein Teil Innsbrucks oder lieber wieder eine eigenständige Gemeinde sein möchten. Das Ergebnis war ein deutliches Bekenntnis zu Innsbruck. In „Arzl-Dorf“ waren knapp 60 Prozent der abgegebenen Stimmen für den Verbleib bei Innsbruck. In „Neu-Arzl“, der früheren „Schießstandsiedlung“, waren es sogar 92 Prozent. Diese Siedlung wuchs weiter, und so wurden im Landeshauptschießstand bis ins Jahr 1958 zwei Räume als Klassenzimmer genutzt, ehe die Volksschule Neu-Arzl in der Rotadlerstraße eröffnet wurde und für geordnete Verhältnisse sorgte. Wenn ich es mir überlege, wäre ich gerne in eine der beiden Klassen im Landeshauptschießstand gegangen: Mühelos hätte ich mein mathematisches Nulltalent auf ein Knalltrauma, einen Tinnitus oder etwas Derartiges schieben können. Ab 1962 ging im Osten Innsbrucks dann so richtig die Post ab (während heute vielen die ehemalige Filiale der Post in der Schützenstraße fehlt): Nach einer ersten negativen Bewerbung für Olympische Winterspiele 1951 hatte Innsbruck den Zuschlag für die Ausrichtung der Winterspiele 1964 erhalten. Was muss das damals für ein Aufbruchssignal gewesen sein! Noch immer lebten viele tausend Innsbruckerinnen und Innsbrucker in den zahlreichen über die Stadt verteilten Barackensiedlungen – nun setzte Bürgermeister Alois Lugger alles daran, die vermutlich ersten Olympischen Spiele mit Nachhaltigkeitsfaktor umzusetzen. Erstmals in der Olympischen Geschichte sollte das Athletendorf im Anschluss auch Wohnraum für die lokale Bevölkerung sein. Und Lugger war findig und kreativ: Durch geschickte Verhandlungen lotste er Wohnbauförderungsgelder aus anderen Bundesländern nach Innsbruck oder zapfte über Umwege diverse Wiederaufbaugelder an. Dem langjährigen ÖVP-Bürgermeister Alois Lugger kann und sollte man seine fehlende Berührungsangst mit dem (deutsch-)nationalen Lager der Nachkriegszeit nicht vergeben – doch was Luggers Wirken in puncto Wohnbau für viele in Innsbruck lebende Menschen bedeutete, hat sich verständlicherweise viel tiefer ins kollektive Gedächtnis der Tiroler Landeshauptstadt eingebrannt. Zwischen Schützenstraße und An-der-Lan-Straße, gleich anschließend an den Landeshauptschießstand, entstanden in den Jahren 1961 bis 1963 die ersten acht Hochhäuser des ersten „Olympischen Dorfes“. Fast an der Grenze zu Neu-Rum, südlich der An-der-Lan-Straße, entstand das Presse- und Veranstaltungszentrum für Olympia 1964 – die Gebäude für den späteren Kindergarten, den Hort und den Mehrzwecksaal. Auf Luftaufnahmen von damals ist schön zu sehen: Die vielen Felder, die wie ins Nichts hingebauten acht Hochhäuser der An-der-Lan-Straße, von der An-der-Lan-Straße zum Inn hin unbebaute Fläche. Keine Innpromenade, keine Kajetan-Sweth-Straße, kein Hauptschulgebäude, kein Hallenbad. Dort sollte erst im Vorfeld der zweiten Olympischen Winterspiele 1976 gebaut werden. Bis dahin riss die Bautätigkeit im neuen Stadtteil „Neu-Arzl – Olympisches Dorf“ aber nicht ab. Im Bereich Neu-Arzl kamen weitere Ein- und Mehrfamilienhäuser dazu (zum Beispiel in der Monte-Piano-Straße, der Pasubiostraße oder der langgezogenen Pontlatzerstraße). Ab 1964 bauten auch private Bauträger nördlich des noch unregulierten Inn Hochhäuser, das „Hochhaus Schützenstraße“ entstand unter erschwerten Bedingungen (siehe Kapitel „Das O-Dorf-ABC, Buchstabe „Z“) und am Ende des noch vorhandenen Schießstandes wurde das zu dieser Zeit höchste Hochhaus gebaut, das damals wie heute in kaum genauer definierbarem Graubraun ein markanter Punkt der Schützenstraße (Hausnummer 46) ist. Weiter südlich, gleich am Beginn der An-der-Lan-Straße direkt am Inn, wurden die ersten „Stern“-Hochhäuser hochgezogen („Stern“ deshalb, weil deren Grundriss an die Form eines Sterns erinnert). Und als ob der Osten Innsbrucks nicht ohnehin schon Bauboomregion Nummer eins gewesen wäre, kam schließlich die Entscheidung, dass Innsbruck im Jahr 1976 ein zweites Mal Olympische Winterspiele ausrichten würde. Die Vorlaufzeit war dieses Mal aber bedeutend kürzer – Innsbruck war als Ersatz für den vorgesehenen Austragungsort Denver eingesprungen, nachdem eine Volksabstimmung im US-Bundesstaat Colorado ein deutliches Nein zur Verwendung von Steuergeldern für Olympia ergeben hatte. Diese knapp bemessene Vorlaufzeit (Übertragung der Winterspiele an Innsbruck in Lausanne am 4. Februar 1973) brachte mit sich, dass man sich keine Zeit für Architektenwettbewerbe nehmen wollte – doch trotzdem wurden neuerlich über 600 Wohnungen gebaut und Straßen, Parkplätze und Garagen errichtet. Das „Olympische Dorf II“ war schließlich hochgezogen, Olympia ’76 gut abgewickelt, die „Hopp! Hopp! Fraaaaanz! Gemmmaaaa!“-Rufe am Patscherkofel waren verhallt – nun wurde alles darangesetzt, Neu-Arzl und die beiden Olympischen „Dörfer“ auch in den Köpfen der dortigen Bevölkerung zusammenzuführen. Die Ende 1975 fertiggestellte Doppelhauptschule in der Kajetan-Sweth-Straße, die Erweiterung der Volksschule Neu-Arzl, der Bau des Hallenbads am südlichen Ende des Kugelfangwegs und die Gestaltung der Innpromenade 1983 sollten dem jüngsten Innsbrucker Stadtteil schließlich jenes Gesicht geben, das es bis heute hat. Die „Seele“ des O-Dorfs waren und sind die vielen Vereine, von denen manche in diesem Buch etwas näher betrachtet werden. Einen markanten Punkt im O-Dorf bedeutete auch die Gründung des VNO, des „Verbands Neu-Arzl/Olympisches Dorf“, der das rege Vereinsleben auch terminlich zu koordinieren begann und durch sein Lobbying erreichen konnte, dass einige Vereine endlich ein fixes Dach über dem Kopf bekamen. So kam Leben in die vielen gemauerten Hüllen, und kommt weiterhin mit jenen Menschen, die das O-Dorf – vom Inn bis zur Haller Straße – bewohnen oder dort arbeiten. Und dieses Leben ist vielfältig wie sonst kaum wo: Von der Reichenauerin, die vor wenigen Wochen erst ins O-Dorf übersiedelte, über den Oberländer, der sich dort eine Wohnung gekauft hat, bis zur Südtirolerin, die als Kind von „Optanten“ im ersten Olympischen Dorf eine Bleibe gefunden hatte und nun ihren Lebensabend im neuen Wohn- und Pflegeheim an der Innpromenade verbringt. Das O-Dorf brachte Lehrerinnen und Lehrer, Facharbeiterinnen und Facharbeiter, Landtagsabgeordnete, Gemeinderäte, Innsbrucker Vizebürgermeister,...


Markus Koschuh, geboren 1977, lebt als Kabarettist, Poetry Slammer, Moderator und Schriftsteller in Innsbruck und wirkt und werkt im gesamten deutschen Sprachraum. Der zweifache Österreichische Poetry-Slam-Meister und Vizeeuropameister im Poetry Slam zeigt sich gerne schonungslos kritisch, wie etwa im Programm „Agrargemein“ (2012) oder in seinem aktuellen Tourismusprogramm „Hochsaison. Der Letzte macht das Licht aus“. Weitere Bücher (Auswahl): „Voulez-vous KOSCHUH avec moi?“ (Haymon Verlag), „Slam, Oida“ (Hrsg.: Mieze Medusa und Markus Köhle; Lektora Verlag).
www.markuskoschuh.at



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