E-Book, Deutsch, 380 Seiten
Reihe: Studiengang Theologie
Kosch / Bieberstein Paulus und die Anfänge der Kirche
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-290-20092-3
Verlag: TVZ Theologischer Verlag Zürich
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Neues Testament, Teil 2
E-Book, Deutsch, 380 Seiten
Reihe: Studiengang Theologie
ISBN: 978-3-290-20092-3
Verlag: TVZ Theologischer Verlag Zürich
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Nach Jesu gewaltsamem Tod musste sich seine Jüngerschaft neu formieren und ihre Botschaft in Auseinandersetzung mit diesem Tod und im Licht der Auferweckungsbotschaft formulieren. Das Neue Testament belegt die unterschiedlichen Positionen dieser spannungsreichen Entwicklung. Briefe, Apostelgeschichte und Offenbarung zeigen, wie sich die ersten Gemeinden mit ihrer Botschaft ihren Platz im Gefüge der antiken Welt gesucht haben. In diesem Band werden neutestamentliche Schriften in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext interpretiert. Die Anfänge der Jerusalemer 'Urgemeinde' werden dabei ebenso gewürdigt wie das Leben und Wirken des Völkerapostels Paulus, die Hauptthemen paulinischer Theologie ebenso wie ihre Nachgeschichte in neutestamentlicher und nachneutestamentlicher Zeit. Informationen zur Reihe: 'Studiengang Theologie' bietet einen fundierten Einblick in die gesamte Theologie - qualitativ hochstehend und schnell zugänglich. Die Reihe führt ein in die grossen Linien, die elementaren Methoden, die biblischen, systematischen sowie praktischen Grundfragen und in existenzielle theologische Fragen. Sie erleichtert das Selbststudium sowie die Vorbereitung auf Prüfungen. Ein mit jedem neuen Band mitwachsendes Online-Register macht die Reihe ausserdem zu einem dienlichen Nachschlagewerk.
Sabine Bieberstein, Jahrgang 1962, Dr. theol., ist Professorin für Neues Testament und Biblische Didaktik an der Fakultät für Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Daniel Kosch, Dr. theol., Jahrgang 1958, ist Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
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|43| Paulus und die paulinischen Gemeinden – Die Botschaft vom Messias Jesus gewinnt an Kontur (SB)
Wie kaum ein anderer hat Paulus zur Weiterentwicklung der Christusbotschaft beigetragen und sie durch seine persönliche Verkündigung und seine Briefe über Kleinasien und Griechenland bis nach Rom verbreitet. Daher legt dieses Buch einen besonderen Schwerpunkt auf die Darstellung der Person und der Arbeit des Paulus sowie auf die Erschliessung seiner Briefe. Diese sind nicht nur die ältesten erhaltenen Dokumente des Neuen Testaments, sondern stellen auch ein beredtes Zeugnis über das Leben und die Arbeit des Paulus und natürlich über die Eigenheiten seiner Christusbotschaft dar. Auf einzigartige Weise gewähren diese Briefe aber auch Einblicke in das Leben früher christusgläubiger Gemeinden. Damit sind die Paulusgemeinden diejenigen der frühen Gemeinden, über die wir durch zeitnahe Quellen am besten informiert sind. Allerdings erweist sich die Quellenlage beim näheren Hinsehen als ein wenig komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Daher sollen im Folgenden zunächst die Quellen vorgestellt werden, die Aufschluss über Paulus und die von ihm gegründeten Gemeinden geben können. Auf der Basis des Wissens um ihre Eigenheiten kann dann im Anschluss das Leben und das Wirken des Paulus beleuchtet werden, bevor sich die folgenden Kapitel des Buches seinen Briefen zuwenden. 2.1
Die Quellen
Wer etwas über Paulus, sein Leben, seine Arbeit und «seine» Gemeinden erfahren möchte, ist zunächst natürlich auf das Neue Testament als primäre Quelle verwiesen. Paulus nimmt innerhalb der Schriften des Neuen Testaments einen enorm grossen Raum ein. Immerhin 13 der 27 Schriften des Neuen |44| Testaments sind unter dem Namen des Paulus überliefert worden, und dazu ist die Apostelgeschichte ungefähr zur Hälfte dem Wirken des Paulus gewidmet. Exkurs Traditionell wird zum Corpus Paulinum, der paulinischen Briefsammlung im Neuen Testament, als ein vierzehnter Brief auch der Hebräerbrief gerechnet. Dieser selbst gibt allerdings nicht Paulus als Verfasser an, sondern bleibt anonym; doch ist seine Überschrift «an die Hebräer» analog zu den paulinischen Briefen gestaltet, in denen die Adressaten genannt werden, im Unterschied zu den «katholischen Briefen», die den Namen des jeweiligen Verfassers angeben. Ausserdem wird durch die Nennung des Timotheus in Hebr 13,23 und die vorausgesetzte persönliche Verbindung des Verfassers zu diesem eine paulinische Autorschaft zumindest nahegelegt. Schliesslich mag bei der Zuordnung zum Corpus Paulinum eine Rolle gespielt haben, dass dieses mit dem Hebräerbrief 14 Briefe und damit zweimal die symbolische Zahl sieben umfasst.51 2.1.1
Die authentischen Paulusbriefe
Nicht allen diesen Schriften, die unter dem Namen des Paulus überliefert sind oder sich mit Paulus befassen, kommt der gleiche Quellenwert im Blick auf Paulus selbst zu. Denn von den 13 Briefen, die Paulus zugeschrieben werden, stammen nur sieben von Paulus selbst. Zu diesen «echten», «authentischen» oder auch «orthonymen»52 Paulusbriefen zählen nach weitgehendem exegetischem Konsens die Briefe an die Gemeinden in Rom (Röm), Korinth (1 und 2 Kor), Galatien (Gal), Philippi (Phil) und Thessaloniki (1 Thess) sowie der Brief an Philemon und die Gemeinde in seinem Haus (Phlm). Wenn wir also die Stimme des Paulus selbst vernehmen wollen, sind wir auf diese Briefe verwiesen. Sie sind die erste Quelle für eine historische Rekonstruktion des Lebens und Arbeitens des Paulus, für sein theologisches Denken, für seine Perspektiven auf die ersten Gemeinden und die dort diskutierten Lebensfragen sowie für die Stimmen und Debatten aus diesen Gemeinden. Allerdings bieten diese Briefe weder eine vollständige Biografie des Paulus, noch geben sie einen zusammenhängenden |45| Bericht über seine Reisen. Weder stellen sie in einem einzigen Regelwerk zusammen, wie Gemeinde zu sein hat, noch bieten sie eine systematische «Theologie des Paulus». Das liegt daran, dass sie allesamt – mit einer gewissen Ausnahme des Römerbriefs – situationsbezogene Schriften sind, in denen Paulus auf Fragen, Konflikte und Ereignisse in den Gemeinden reagiert. Das heisst, sie sind Antworten des Paulus auf Anfragen aus den Gemeinden, sie geben seine Überlegungen zu aktuellen Streitigkeiten in den Gemeinden, zu Fragen der Lebensgestaltung und des Zusammenlebens als Gemeinde oder auch zu theologisch strittigen Themen wieder und sind daher nicht wohlabgewogen und distanziert geschrieben, sondern oftmals voller Emotionen, leidenschaftlich und engagiert. Denn stets ist Paulus selbst mit seinen Anliegen und seinem Einsatz für die Gemeinden in alle diese Fragen involviert. Meist müssen heute die eigentlichen Ausgangsfragen oder -konflikte mühsam rekonstruiert werden, weil Paulus sie nicht eigens erklärt, da sie seinen Adressatinnen und Adressaten ja bekannt waren. Und oft stossen wir bei diesen Rekonstruktionen an die Grenzen dessen, was herauszufinden ist. Das heisst: Die Briefe des Paulus geben zwar vielfältige und höchst interessante Einblicke in das Leben und Arbeiten des Paulus, in seine Auffassungen über eine von Christus geprägte Lebensgestaltung als Einzelperson oder als Gemeinde sowie über sein theologisches Denken, doch tun sie dies aus den genannten Gründen nicht in zusammenhängender Art und Weise, sondern punktuell, an verschiedenen Stellen der Schriften, bisweilen fragmentarisch und manche Fragen nur andeutend. Dazu kommt, dass alle erhaltenen Paulusbriefe in einem relativ kurzen Zeitraum von ungefähr zehn Jahren entstanden sind (etwa zwischen 50 und 60 n. Chr.), so dass wir weder zeitnahe Zeugnisse aus der Frühzeit des Völkerapostels noch aus der allerletzten Zeit vor seinem Tod besitzen. Biografische Fragen des Paulus spielen in seiner Korrespondenz mit den Gemeinden höchstens am Rande eine Rolle, so dass wir dazu nur einige punktuelle und unzusammenhängende Angaben in seinen Briefen finden. Manche Themen bleiben vollständig ausgeblendet. Und schliesslich werden manche Fragen höchst leidenschaftlich oder gar polemisch diskutiert, |46| so dass Einseitigkeiten entstehen und wichtige Aspekte und Argumente einfach unter den Tisch fallen. Solche Eigenheiten der paulinischen Briefe sind bei der Auslegung zu berücksichtigen. 2.1.2
Die Paulus zugeschriebenen Briefe
Die anderen sechs Briefe, die unter dem Namen des Paulus überliefert worden sind, wurden nicht von Paulus selbst verfasst, sondern von Autoren späterer Zeiten, die sich die Autorität des Paulus zunutze machten und Briefe in seinem Namen verfassten. Exkurs Dieses Phänomen pseudepigrafischer oder deuteronymer Literaturproduktion betrifft nicht nur die Briefe, die im Namen des Paulus verfasst wurden, sondern fast alle Schriften des neutestamentlichen Kanons.53 So sind die Evangelien und die Apostelgeschichte ursprünglich anonyme Schriften gewesen, die erst im Lauf der Überlieferung mit Titeln und entsprechenden fiktiven Verfasserangaben versehen wurden (sekundäre Pseudepigrafie). Dabei tritt der Verfasser des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte durch seine Vorreden (Lk 1,1–4; Apg 1,1 f.) als – wenn auch namenlose – Persönlichkeit hervor. Das Nachtragskapitel des Johannesevangeliums weist das Werk dem «Jünger, den Jesus liebte», zu (Joh 21,24 f.), der in der kirchlichen Überlieferung mit dem Apostel Johannes identifiziert wurde. Dagegen verbleiben das Markus- und Matthäusevangelium vollständig anonym. Die «katholischen Briefe», zu denen der Jakobusbrief, der erste und zweite Petrusbrief sowie der Judasbrief gerechnet werden, tragen wie die pseudepigrafischen bzw. deuteronymen Paulusbriefe fiktive Verfasserangaben, unterscheiden sich von diesen aber dadurch, dass sie nicht auf «echte» (orthonyme) Briefe der behaupteten Verfasser zurückgreifen können. Sie richten sich auch nicht an eine konkret benannte Gemeinde, sondern an einen allgemeinen, also im Wortsinn «katholischen» Adressatenkreis. Die drei Johannesbriefe stammen wohl aus einer gemeinsamen johanneischen «Schule» und sind untereinander sowie mit dem Johannesevangelium durch Sprache, Stil und einige Motive verbunden. Während der erste Johannesbrief anonym ist, geben der zweite und dritte Johannesbrief einen nicht namentlich genannten «Presbyter» als Verfasser an (2 Joh 1; 3 Joh 1). Dieser wurde erst im Lauf der Überlieferung mit dem Apostel Johannes gleichgesetzt. |47| Die «unechten», deuteronymen oder pseudepigrafischen Paulusbriefe (Deuteropaulinen) unterscheiden sich von den echten Paulusbriefen hinsichtlich ihrer Sprache, ihres Umgangs mit Fragen der Lebensgestaltung, ihrer theologischen Positionen und ihres Umgangs mit Andersdenkenden sowie hinsichtlich der vorausgesetzten Situationen. Es wird deutlich, dass die Botschaft des Paulus in veränderter Zeit in neue Fragestellungen und Situationen hinein transformiert und entsprechend aktualisiert wurde. Dies führte zum Teil zu produktiven Weiterentwicklungen. Bisweilen ist aber auch festzustellen, dass restriktive Tendenzen die Oberhand gewannen, dass weniger argumentiert als vielmehr geurteilt wird, und dass manche der paulinischen Aufbrüche domestiziert oder in vergleichsweise enge Schemata gepresst wurden. 2.1.2.1
Die Briefe nach Kolossä und Ephesus Als eine erste Gruppe deuteropaulinischer Briefe seien die Briefe nach Kolossä (Kol) und Ephesus (Eph) genannt. Beide setzen sich mit der Theologie des Paulus auseinander und schreiben sie fort. Dabei gilt der Kolosserbrief als der wahrscheinlich älteste...