Korber | Das Leben ist mörderisch | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 178 Seiten

Korber Das Leben ist mörderisch


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-86913-400-0
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

ISBN: 978-3-86913-400-0
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In 'Kalten Betten' gelangen Frauen an ihre psychischen Grenzen. Manche morden deshalb mit gutem Grund 'Im Kreise meiner Lieben', und nur die Männer wundern sich.Die zehn Kriminalerzählungen handeln von Situationen, die viele Frauen kennen: Sie werden manipuliert, sie werden auf alltägliche Weise gedemütigt, werden betrogen und geschieden, werden ein Stück klüger. Und älter. Gemeinsam ist den Heldinnen aller Geschichten, dass sie auf dieselbe Weise reagieren, nämlich mörderisch. Voll schwarzen Humors erzählen die Texte, wie Frauen mit dem Frust des Daseins umgehen und wie sie zu ihren extremen Lösungen gelangen.

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  Haben Sie Feuer? Es ist ja nicht so, dass ich je behauptet hätte, schön zu sein. Ich bin die Erste, die zugibt, dass ich das nicht bin, wirklich nicht. Ich weiß es. Meine Mutter sagte zu mir, als ich vierzehn war: »Mädchen, schön bist du nicht, aber du kannst was aus dir machen.« Meine Mutter selbst war sehr schön, ich habe ein Foto von ihr in meiner Brieftasche, möchten Sie es sehen? Hier, das ist sie mit Anfang zwanzig, als sie meinen Vater kennenlernte. Toll, was? Ich habe mir ihre Worte zu Herzen genommen und mich bemüht, etwas aus mir zu machen. Mein Leben lang habe ich mich angestrengt. Heute denke ich manchmal, sie hat vielleicht einfach nur gemeint, ich sollte mich schminken und mal öfter zum Friseur gehen. Wirklich, der Gedanke verfolgt mich, dass es so einfach hätte sein können. Was meinen Sie? Andererseits, Friseur war für mich immer vergebliche Liebesmüh, bei diesen Schnittlauchlocken. Und dann kam man da so aufgetakelt raus, die Haare aufgeplustert und wie geleckt. Ich bin dann im Gehen so lange mit den Fingern durchgefahren, bis sie wieder glatt anlagen. So unauffällig war es mir einfach lieber. Ich mit einer Divenfrisur, das wäre ja lächerlich. Zu viel, wenn Sie verstehen, was ich meine. Jeder, der mich sah, dachte ich, musste doch bemerken, wie verkleidet ich war, wie überfordert von dem Gewicht all dieser Zierde. Und er hätte gelacht. Aber ich schweife ab, entschuldigen Sie. Nein, ich bin bestimmt kein traumatisiertes Kind, ich will mich nicht herausreden. Meine Kindheit war durchaus glücklich. Und ich bin hart im Nehmen, das habe ich von meinen Eltern gelernt, die waren auch hart im Nehmen. Man lässt sich nicht gehen. Ich bin noch die Jammerigste von uns, zugegeben, krieg’ mein Leben nicht so gut auf die Reihe wie sie. Die beiden haben sich was aufgebaut, haben sich durchgebissen. Ich bin nicht so. Mama hat sich ja immer Sorgen gemacht, ob ich das hinkriege mit den Kindern. Sie selbst hatte ja nur mich. Drei fand sie für mich einfach zu viel. Und Papa, der hat ja immer gewusst, dass ich so gar nicht lebenspraktisch bin. Gott, was hab’ ich mich geschämt, als ich anfing, die Antidepressiva zu nehmen. Aber damit ging es dann wieder. Und inzwischen bin ich auch schon fast davon runter. Man muss das ausschleichen, wissen Sie. Ich hab’ die Dosis schon beinahe halbiert. Ostern ist es dann so weit, dann bin ich clean. Ich bemühe mich wirklich. Und ich bin hart im Nehmen, wie gesagt. Ich bin auch nicht empfindlich. Manchmal, wenn ich vor dem Spiegel stehe und mich ansehe, dieses Matronengesicht, das mir, ehrlich gesagt, immer noch fremd ist … geht Ihnen das auch so? Na ja, vielleicht ist es mein Problem, dass ich nicht realisiere, wie lange das alles jetzt schon her ist, das Wohnheim, das Studium, die Zeit in der IT-Abteilung, wo wir alle arbeiteten wie die Verrückten und uns von Kaffee ernährten. Ist aber doch alles schon zehn Jahre vorbei, meine Güte, fast fünfzehn. Ist es zu glauben? Mein Körper weiß das, er ist rund geworden und schwer, die Haut schlaff. Mein Kopf arbeitet noch an diesen Tatsachen. Vermutlich bin ich einfach langsamer von Begriff als andere. Im Grunde sehe ich mich immer noch als das glatthaarige, fleißige Mädchen von damals, das lernt und lernt und nichts anderes im Sinn hat, als ein kluges Kind zu sein. Ich mag ja unauffällig gewesen sein und eine graue Maus, aber ich hatte was im Kopf. Und ich war schlank, zumindest das. Schmale Taille, schlanke Beine. Das hat zumindest hie und da einen Mann auf mich aufmerksam gemacht. Nicht allzu viele, zugegeben. Aber es kam doch immer wieder mal einer auf die Idee, so auf den zweiten Blick. Ich war schon immer ein Typ für den zweiten Blick. Auf Partys und in größeren Gruppen falle ich nicht so auf. Aber ich bin eine gute Zuhörerin, zum Beispiel. Aber was wollte ich sagen? Ach ja, ich bin nicht zimperlich, genau, wirklich nicht. Und wenn ich so vor dem Spiegel stehe und mich ansehe, die Brüste, die inzwischen wirklich hängen, vor allem die linke, das kommt vom Stillen, wissen Sie, dann denke ich manchmal selber: »Titten«. Wirklich, das Wort geht mir durch den Kopf, zumindest still. Titten. Ich erzähle Ihnen das, damit Sie sehen, ich bin mit diesem Vokabular vertraut, ich ziere mich nicht. Normalerweise würde ich Sie nicht mit solchen Details belästigen, aber ich will nicht, dass Sie einen falschen Eindruck bekommen. Ich stehe wirklich im Leben, will ich damit sagen. Es ist auch so, dass mein Mann, der Vater der Kinder, wissen Sie, also, der hatte so gewisse Vorlieben. Nicht immer, aber im Lauf der Zeit lernt man sich ja besser kennen. Und die Libido lässt ja auch nach im Laufe der Jahre, der Berufsstress, die Kinder, die schlaflosen Nächte. Man kann nicht ewig Honigmond feiern, nicht wahr? Ich bin da ganz realistisch und habe nie überzogene Erwartungen gehabt. So was hat ihn auch furchtbar ge­nervt. Kerzen, Schaumbäder, Blumen, Massagen, wissen Sie, all diese Klischees, dagegen war er allergisch. Er sagte immer, ich müsse auch so wissen, dass er mich liebe, ohne diesen Beziehungskitsch. Er sei nicht bereit, seine Beziehung nach den Vorgaben irgendwelcher billigen Ratgeber zu führen. Und ich gebe zu, ein bisschen war ich auch stolz darauf, dass er so ein unabhängiger Geist war. Na ja, als ich damals das Wochenende in der verschneiten Romantik-Pension organisiert hatte, mit Sekt auf dem Zimmer und so weiter, da war ich schon ein wenig enttäuscht, dass er keine Lust hatte hinzufahren. Wozu die lange Anreise, hat er gemeint, ein Bett hätten wir schließlich auch zu Hause, da war ich schon ein wenig enttäuscht. Aber irgendwie hatte er natürlich recht, und der Schnee hätte die Fahrt ja auch nicht einfach gemacht. Die ganze Zeit habe ich mir dann überlegt, wie ich den Wirtsleuten unser Ausbleiben erklären soll, sie hatten ja zugesagt, aufzubleiben, um uns hereinzulassen, und ob ich wohl einen Teil des Geldes zurückbekommen würde. Dadurch habe ich mir dann das ganze Vorspiel verdorben. Selber Schuld natürlich. Später dann habe ich solche Versuche gar nicht mehr gestartet. Um ehrlich zu sein, ist ohnehin nicht mehr viel zwischen uns gelaufen. Ich habe mir dann angewöhnt, darauf zu warten, dass er die Initiative ergreift, das war weniger problematisch, man konnte nichts falsch machen. Und dass es nicht mehr oft war, ich meine, das liest man überall, nicht wahr, dass die Leute viel weniger Sex haben, als man denkt, überall. Jedenfalls, so war es einfacher. Und um, also, um in Schwung zu kommen, hat er gerne so ein bisschen Dirty talk gemacht. Sie kennen das, ja? In manchen Büchern wird das ja auch empfohlen. Es ist eine Möglichkeit, nicht wahr? Erlaubt ist, was gefällt und Schwung in die Beziehung bringt. Ich hab’ mir das dann auch angewöhnt. Ficken und Schwanz und so. Sie wissen schon. Entschuldigen Sie. Manchmal habe ich ja doch was vermisst, irgendwie. Er vermutlich auch, darum ist das wohl auch passiert mit der Sekretärin. Das hat dann schon wehgetan, als ich das erfahren habe. Vor allem, weil es ja im Grunde doch ziemlich lange ging. Das mit der Weihnachtsfeier habe ich ja noch verstanden. Ist ja ein bisschen wie der rheinische Karneval, nicht wahr? Mein Gott, einmal ist vermutlich keinmal. Das meinte mein Mann auch. Aber als ich dann die Briefe fand … ach, was soll’s. Ich hab mich dann im Bett einfach noch mehr angestrengt. Und Dirty talk, das bietet sie ihm bestimmt nicht, meinen Sie nicht auch? Also, es tut mir leid, Sie mit solchen Details zu belästigen, ich möchte nur, dass Sie verstehen, dass ich wirklich kein falsches Bild von den Männern habe. Und ich bin mit den Realitäten des Lebens vertraut. Mein Gott, ich habe drei Kinder auf die Welt gebracht. Wissen Sie, wie mein Geschlecht danach aussah? Ich habe mich auf einen Spiegel gehockt, um es mir anzusehen, weil ich den Schmerz nicht begriffen habe. Ein Bergwerk, sage ich Ihnen. Genau das war der Begriff, der mir durch den Kopf ging. Ein Bergwerk. Vermutlich ist das auch nicht mehr besser geworden. Ich habe mir diesen Teil meines Körpers danach nie wieder angesehen. Niemand hat das mehr getan, mein Mann war eh nie so der Petting-Typ. Was ich irgendwie ja auch verstehen kann. Der Körper wird eben benutzt, im Laufe des Lebens, er kriegt seine Schrunden ab und sein Fett, seine Falten, Pickel, Altersflecken und so weiter. Er ist kein Tempel. So ein Typ bin ich nicht. Ich habe mich nicht geschont und es auch von anderen nie erwartet. Wo war ich stehen geblieben? Vor dem Spiegel, richtig, tut mir leid, das ist so ein Tick von mir. Ich stehe oft vor dem Spiegel, obwohl es meist nicht sonderlich erfreulich ist. Neulich im Kaufhaus in der Umkleidekabine bin ich in Tränen ausgebrochen, als ich mich sah. Ich sollte mich endlich mal damit abfinden, dass ich einen anderen, angepassten Kleiderstil brauche. Ich bin eben keine zwanzig mehr. Bald bin ich sechzig, na ja, in fünfzehn Jahren. Aber das ist ja nicht mehr lange. Soll ich Ihnen was verraten? Manchmal wünsche ich mir, es wäre schon so weit. Dann müsste ich mich wenigstens nicht mehr dafür schämen, dass ich mich im Grunde schon so fühle. Dann müsste ich mich nicht mehr bemühen, schlank und attraktiv zu sein und voller Energie und und und. Sie merken schon, ich bin ein bisschen jammerig; das ist es, was meine Eltern meinen. Sie selbst haben ihr Leben mit viel mehr Schwung angepackt. Meine Mutter würde sich nie so gehen lassen, weiß ich schon. Mein Mann findet das auch. Wenn ich mir zu dick bin, soll ich halt Sport machen, meint er. Er selbst stemmt Gewichte und hat so eine Ruderbank. Seine Figur ist toll, kein Gramm Fett, obwohl ich zugeben muss, dass mir diese schwellenden Muskeln eigentlich nicht so zusagen. Ich stehe doch mehr auf den schlanken, drahtigen Typ, eher Tänzer als Athlet, verstehen...


Tessa Korber, Jahrgang 1966, ist promovierte Germanistin. Sie hat zahlreiche historische Romane veröffentlicht und ist auch als Autorin der Kriminalromane um die Kommissarin Jeannette Dürer bekannt. Sie lebt mit ihren beiden Kindern in der Nähe von Nürnberg.



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