Korb / Bachmann / Turini | Horror-Legionen 3 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 244 Seiten

Reihe: Horror-Legionen

Korb / Bachmann / Turini Horror-Legionen 3

Anthologie
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95869-335-7
Verlag: Amrun Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Anthologie

E-Book, Deutsch, Band 3, 244 Seiten

Reihe: Horror-Legionen

ISBN: 978-3-95869-335-7
Verlag: Amrun Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Amrûn präsentiert die neueste Ausgabe der Horror Legionen – eine Sammlung mit den besten Geschichten deutscher Genre-Autoren.
Jeder von ihnen hat seine eigene Art, sich mit dem Bösen zu beschäftigen, das Horrorgeschichten innewohnt. Mal blutig und grausam, mal leise und kaltblütig von hinten kommend - jeder einzelne Beitrag hat seinen eigenen Reiz und wird Ihnen einen Schauer über den Rücken jagen.

Lassen Sie sich in die Welt des puren Horrors entführen - und hoffen Sie, dass Sie einen Weg zurück finden.

Sind Sie bereit dafür?

Geschichten von Markus K. Korb, Tobias Bachmann, Vincent Voss, Fred Ink, Rona Walter, Melisa Schwermer, Sönke Hansen, Kristina Lohfeldt, Bernar LeSton, Torsten Scheib, Constantin Dupien, Marc Hartkamp, Piper Marou und Simona Turini.

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Trapped! von Kristina Lohfeldt Die Straße war Kafkas Zuhause. Sie wohnte in ihm, nistete in ihm. Ebenso abgewrackte Gestalten wie er hatten ihm seinen Namen gegeben. In seinem abgegriffenen, ausgeblichenen Ausweis war »Franz Kaffke« zu lesen. Doch dieser Mann existierte schon lange nicht mehr, und der Ausweis war irgendwann und irgendwo auf der Strecke geblieben. Wie sein altes Leben. »Wichspisser, elende«, fluchte er, als er die Lichter, ihre Lichter, im Dunst aufblitzen sah, jedes ein Hort ihrer Überlegenheit, ihrer Borniertheit, ihres Spießertums. Sie kreisten ihn ein, reizten ihn durch ihre bloße Anwesenheit. »Scheißarroganz, Scheißregeln, verdammte.« Kafka spuckte aus. »Kafka kriegste nicht, nie nicht«, murmelte er. Er war frei. Er konnte gehen wann und wohin er wollte. Er klebte an keinem Menschen, an keinem Besitz oder gar Status. An jenem Tag stand ihm jedoch nur eine Freiheit zu: zu erfrieren oder sich in eines der muffigen Massenquartiere zu flüchten, wo man Menschenwürde ebenso vergeblich suchte wie Freundlichkeit. Sie alle waren Ratten der Straße, mit dem Unterschied, dass Ratten sozial waren. Dort, in diesen abgewichsten, verwanzten Dreckslöchern gab es nichts mehr zu verlieren, bis auf die wenigen Habseligkeiten, die man noch aus Gewohnheit oder Sentimentalität mit sich herumschleppte, wie Sisyphos einen blöden Stein angeblich für ewig irgend so einen Berg hinaufrollte. Seine Vergangenheit wurde man eben nicht los. Egal, wohin man auch ging, man nahm sich immer mit. Auch sein Wissen, das ebenso überflüssig geworden war wie der Rest seines alten Ichs. Und am Ende drückte es einen nieder, nahm einem die Luft zu Atmen, bis man langsam nur mehr aus Gewohnheit weiterlebte, denn aus eigenem Antrieb. Die Scheißkälte hatte Kafka bereits das Hirn vereist. Sie schmerzte, wie früher die Häme seiner Umwelt ihn gestichelt und gepiesackt hatte. Langsam tanzten Lichter vor seinen Augen, die da nicht hingehörten. Dabei wollte er nichts mehr, als sich hinlegen und schlafen. Und dann sah er ihn. Fast wäre Kafka an ihm vorbei getorkelt. Der alte Campingbus war so zugewachsen, dass er auf den ersten Blick mit der heruntergekommenen Vegetation des schäbigen Vororts nahezu verschmolzen war. Jemand hatte ihn abgestellt, hatte ihn einfach am Straßenrand entsorgt, wie Unrat, still, heimlich und ohne lästige Nachfragen. Das Wrack sah wie eine Laune der Natur aus, ein ungeheures Gewirr aus Kletterpflanzen heimischer Arten, die ihn in Besitz genommen, ihn unter ihre Knechtschaft gebracht hatten. Sie hüllten den alten Camper fast wie ein knotiges Zelt ein. Moos gab ihm eine lächerlich wirkende, neue Farbe, nistete auf dem von Lochfraß befallenen Dach, auf der Motorhaube und überall dort, wo es sich gut festkrallen konnte. Der Tank war aufgeplatzt, Plastik spröde und porös. Die meisten Fenster waren zersprungen, und selbst die Scheinwerfer zersplittert oder angeknackst. Jedem anderen Passanten mochte dieser Anblick ein Dorn im Auge sein. Um so erstaunlicher, dass das Schrottmobil nie entfernt worden war. Kafka erschien es dagegen wie ein Himmelsgeschenk. Er sah nicht Dreck, dachte nicht an Krankheitskeime, Ungeziefer oder Müll. Für ihn bedeutete der Camper ein Dach über dem Kopf, und die Rettung vor dem drohenden Kältetod. Geübt darin, sich Zutritt zu verschaffen, wo er verboten war, gelang es Kafka, die Seitentür des Busses zu öffnen. Die Straße war ein einfallsreicher Lehrer, und so fand sich in dem, was andere für Müll hielten, manches, was einem wie Kafka kleine Helfer waren. Die Kälte hatte ihm bereits die Glieder versteift. Aber Hartnäckigkeit, Überlebenswille und diebische Erinnerungen an die technischen Finessen eines Dietrichs, hatten den altersschwachen, bröseligen Gummi mit ein wenig Nachdruck zur Kapitulation gezwungen. »Kriegste nicht klein nicht«, plapperte Kafka vor sich hin. »Kriegste die Krätze, aber kriegste nicht klein. Kafka kriegste nie nicht. Geile Sau, geile. Hast es immer noch drauf, haste.« Scheiße schwamm immer oben. Selbst im Strudel des Lebens oder vielmehr des Überlebens. Er schürfte sich die Haut ein wenig an dem scharfen Spalt auf, durch den er sich hindurchzwängte. Aber das scherte ihn nicht. Auch der unangenehme Mief, der ihm entgegenschlug, schreckte ihn nicht ab. Wer oft genug in seiner eigenen Kotze geschlafen hatte oder neben getrockneter Pisse von Menschen, Katzen oder Schlimmerem, der war einiges gewohnt. Auch Alkoholgestank drückte im Laufe der Zeit jeder Geruchszelle die Kehle zu. Inzwischen war Kafka trocken, aber die Erinnerung an jegliche Art von Gesöff brannte noch in ihm. Die Luft roch muffig, abgestanden, modrig, ein wenig süßlich und doch auch nach Wald und Erde. Jedoch nicht nach der Art von Wald und Erde, die einen freier atmen und an blauen Himmel und lauschige Lüftchen denken ließ. Und da war noch etwas anderes. Etwas, das von den übrigen Gerüchen überdeckt zu werden schien. »Gedärme. Mütterchens Erde welche. Schlampe die. Aufgeplatzt. Was für eine Sauerei, eine«, kommentierte Kafka das Wahrgenommene und kicherte. Er war sich selbst sein bester Unterhalter. Und alles war besser als die Kälte draußen. Der Muff hielt wenigstens warm. Kafka ließ sich auf eine altersschwache Matratze plumpsen. Sie schien auf ihre eigene Art lebendig zu sein. Einen Geruch konnte er allerdings nicht ignorieren. »Stinkt nach Fischgrube, stinkt es«, wisperte Kafka. »Mitten aufm Land. Drecksloch, dreckiges.« Dann zuckte er die Achseln. »Besser als Katzenpisse«, murmelte er. Wenige Augenblicke später rollte er sich auf die Seite, grub sich dabei in eine mottenzerfressene Decke ein, hustete, als ihr Staub ihn einhüllte, fluchte, und schnarchte kurz darauf geräuschvoll. Die Straße ist dein Zuhause. Kafka. So nennen sie dich. Erinnerst du dich noch? In deinem Ausweis steht ein anderer Name. Du hast ihn verloren. Den Ausweis. Aber auch den Namen und den, der mit ihm verbunden war. Sein Wirt. Sein Körper. Sein Wirtskörper. Ein Verlorener. Erinnerst du dich an ihn? Erzähl uns mehr! Und von den Wichspissern … Deine Worte … Erbärmlich. Ohne Erbarmen. Beute. Nur Beute. Der schlafende Kafka wälzte sich unruhig hin und her. Er war nicht mehr allein. Aus den Schatten hatten sich Fangarmen gleich schleimige, knotige Auswüchse um seine Schlafstatt geschlungen. Sie zerrissen die Schemen, quollen wie Auswurf daraus hervor und schlängelten sich durch ihr Revier auf den Eindringling zu. Beinahe liebevoll strichen die geifernden Haare über die sich feilbietende, erst langsam wieder erwärmende Haut, so lange, bis sie eine pulsierende, einladende Stelle gefunden hatten. Wurzeln gleiche Tentakel glitten über das saftige Fleisch. Wo sie Haut berührten, da bohrten sie sich wie Nadeln hinein, stachen und kratzten und bissen und reizten das empfindliche Gewebe. Ein kurzer, lodernder Schmerz wütete im appetitlichen Fleisch, dann breitete sich Taubheit aus, dumpf, dunkel und dankbar. Kafka riss die Augen auf. Und doch blieb alles dunkel, sein eigener Kerker, ein Kokon aus Ekel und Leid. Ein Gurgeln entfuhr seiner Kehle, doch wurde ihm der Mund sanft von klebrigem Schleim verschlossen. Er schrie auf, als etwas Brennendes in seine Augen tropfte, und sein Schreien verebbte auch nicht mit dem lebendigen Knebel vor, in und um seinen Mund. »Luft ... Luft ... Bitte!«, winselte seine innere Stimme. Keuchte. Sabberte. Spie. Er fühlte die Dornen, die sich in seine Augen bohrten. Langsam. Geduldig. Sie scheuerten an seiner Iris. Schabten. Kratzten. Gruben. Er spürte, wie seine Augäpfel sich aufblähten wie Ballons, um dann – langsam und unerbittlich –, betäubt in sich zusammenzufallen, zu schrumpfen, zu schrumpeln. Ewigkeit der Folter. Äonen von Schmerz. »Hörst du mich?«, schrie es in ihm. »Bitte ...« Doch er war allein. Allein mit seiner Angst, die ihm die Kehle zudrückte. Wieder und wieder. Aber die körperlose Stimme. Sie war da. Du kommst hier nicht weg. So sehr du auch strampelst. Du steckst in deinem Leben fest. Du wirst nicht wieder fortlaufen. Du hast es zu oft getan. Das ist keine Lösung. Sieh es endlich ein! »Ich laufe nicht weg«, versprach er. »Ich stelle mich. Was muss ich tun, damit es aufhört? Bitte ... Bitte! Nimm es weg! Ich ... kann ... nicht ... atmen!« Atmen wird überbewertet. Wozu atmen, wenn du dir die Lungen zuteerst, die Nasenlöcher blutig schnupfst und deine Kehle langsam wegätzt? Wer jahrelang solch gnadenlosen Raubbau betreibt, der bettelt doch geradezu darum, dass es endet. »Ich habe aufgehört!«, behauptete Kafka. »Ich bin nicht wie die Anderen.« Nein? Kannst du das beweisen? Wie sind sie denn, »die Anderen«? Aber vielleicht hast du Recht. Vielleicht bist du nicht wie sie. Denn sie haben dich immer ausgegrenzt. Du hast nie zu ihnen gehört. Du nennst sie »Wichspisser«. Warum? Weil sie dich … - wie sagst du so schön? - »gefickt« haben? Weil sie dich und deine Art zu leben verachtet haben? Warst nicht du am Ende der, der dich fallen gelassen...


Geschichten von Markus K. Korb, Tobias Bachmann, Vincent Voss, Fred Ink, Rona Walter, Melisa Schwermer, Sönke Hansen, Kristina Lohfeldt, Bernar LeSton, Torsten Scheib, Constantin Dupien, Marc Hartkamp, Piper Marou und Simona Turini.



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